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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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trennung

© sylvia k.


das blattgold leuchtet - nicht das am ringfinger - das in den bäumen - beglückt auch - versuche ich mir einzureden - besonders im dämmer - wenn aus dem dämmer nebel steigen und aus den nebeln das blattgold leuchtet - wenn sich aus träumen leben weben - wie schiffchen schießen die träume durch die gestalten, die schwimmen auf dem glühenden schoß von großmutter erde, wo sie formlos noch geborgen waren, bevor sie geboren wurden, an die welt gebracht, ans licht gebracht, einem namen zugeführt, den sie fortan tragen, um raum zu geben, den träumen, die wie schiffchen durch die gestalten schießen - silbrig und bunt gesponnenes im schlepptau - die goldenen fäden der sonne auch -
ich bin verwirrt - selbst der baum entwirft ein bild von sich auf mich - und ich sage baum und blattgold - und traue meiner wahrnehmung nicht, wenn ich vom sterben rede, als wenn es golden wäre und leicht, während es wühlt in mir und mich zutiefst erschüttert - schön hast du dich gefärbt - flammendrot und golden - in deiner bereitschaft loszulassen - hast dich dem ersten zarten windhauch anvertraut, der dich fortträgt, fort von mir - ich habe nicht geahnt, dass ich so kahl sein werde und der schnee so lange auf sich warten lässt - ich höre dich sagen, dass der frühling kommen wird - scheu und zaghaft werden keime keimen, mit der kraft in sich, den sommer satt und grün zu malen - aber noch steht der winter bevor und davor der graue november, der den tod feiert - schneemassen könnten mich brechen, entwurzeln - niemand weiß das so genau - während dein bart ihre weichen, weißen brüste streift auf dem weg, den deine lippen von ihrem mund über ihren kinderlos gebliebenen, glatten bauch durchs gestrüpp zu ihr finden, was sie entzückt und dich - leise formt sich die lust zu einem unterdrückten laut, der zum jubel aufbricht - leise, unendlich leise schweben die blätter herab und golden, während das Nein in mir brüllt und ich dir lächelnd gestehe, dass ich dich liebe, doch liebe trotz aller umwege und irrwege und dir glück wünsche und schier verbrenne an der lüge - es ist kein feuer, das wärmt - aber ein frost, der verbrennt, was wachsen will -
silbrige fäden kommen aus den himmeln - spinnen spannen sie von baum zu baum - regentropfen bleiben hängen - kleine, zarte dinger, die die sonne in ein funkeln verwandelt, sobald sie sich durch die wolken bricht, schräg einfällt zwischen bäumen und den regennassen wald verzaubert in ein lichtermeer, das sich dampfend auflöst, leuchtend zum himmel steigt, sich dort den sternen anvertraut, die erst in der dunkelheit der nacht sichtbar werden und von einer großen, geheimnisvollen ordnung erzählen -
ich bin aufgewacht in einer großen, weiten dunkelheit - meine ganze welt war dunkelheit - über dem dach des hauses, in dem ich aufwachte, mögen wohl die sterne gestanden haben - aber das wusste ich noch nicht, und ich konnte mich auch nicht mehr erinnern - ich hatte noch keine worte für meinen zustand - eine sprache, aber keine worte - ich war reine empfindung - ausschließliches verlassensein in einer großen dunkelheit - und ein schrei - ein schrei, den niemand hörte - ein ungehörter schrei -
meine mutter vertrat damals die ansicht, dass babies des nachts mindestens acht stunden durchschlafen müssten, was man oder frau oder mutter dadurch erreichen könne, indem sie das baby schreien ließe - um ungestört schlafen zu können, schob sie unsereinen - meinen bruder eineinhalb jahre früher, später mich - in die küche und stellte den wecker auf jene stunde, die die richtige war, sich wieder um das kind zu kümmern -
meine mutter war pädagogin und ihrer zeit gemäß von erziehungsmaßnahmen überzeugt - mein vater war nicht so gebildet wie meine mutter - er vertraute darauf, dass sie das richtige tun würde - außerdem befriedigte das ungetröstete leid der kinder die sadistische seite seiner persönlichkeit, die er zudem noch auslebte, indem er seine kinder mit der peitsche züchtigte, um rechte menschen aus ihnen zu machen -
die glut des lebendigen schmerzes bei lebendigem leib schmolz wieder und wieder ein, was form geworden war an der kühlen verlässlichkeit der pädagogik -
mitunter reißen kalte winde das blattgold von den bäumen, fegen es aus den gärten, bevor es sich friedlich zu lösen vermag im milden licht der späten sonne - ich traue der rotglühenden hagebuttenbeere im bereiften, dürren, dornigen gestrüpp - sanftes, rotes glühen inmitten des wintereinbruchs -
dann stürze ich wieder - in eine schlucht ohne halt und boden - nur rauschen - tosendes rauschen hallt von den felsen wider - wie verrat, der die feinen töne verschluckt - das fein gestimmte - das zart aufeinander abgestimmte - und ich sehe brücken - unzählige brücken aus unzähligen worten - goldene brücken, geschwungene und schwingende - fest gebaute - schmale, schwankende stege - ich sehe sie über mir, unter mir in jeglicher höhe jeglichen abstand überwindend - während ich stürze sehe ich sie - menschen strömen hin und her - so sicher ihres ziels, ihres weges, ihres tritts - plaudernd - gestikulierend - untergehakt zu zweien - zu dreien - formatiert mitunter im gleichschritt - fröhlich oft und traurig auch - mühselig schwere lasten schleppend - mühselig oft den berg hinan - selten leichten fußes, dass einer oder eine unterwegs ist - während ich um flügel bete - noch immer auf das wunder hoffe, dass mir flügel wachsen mögen aus dem herzen - selbst, wenn ich eine brücke wählen wollte, müsste ich an der landung arbeiten, um zu überleben - es ist kalt - das gemurmel unzähliger sätze, die retten könnten, geht im rauschen unter, das von den felsen widerhallt, die tropfnass und schwarz die schlucht begrenzen - die sonne tastet sie ab nach dem leuchtenden blattgold - nach der glühenden habegutte - ein blauer himmel spannt sich von rand zu rand - wolken ziehen vorüber - eine kalte schwärze steigt auf - kriecht aus ritzen und höhlen - er hat sich gerettet auf eine goldne, goldne brücke aus süßen worten - er hält ihre hand, während sich die schwärze zur nacht ausdehnt und sterne stehen - da, ich sehe ihn - über die brücke gehen mit ihr der süße anheimgefallen - glücklich - während ich noch immer stürze - und kaum noch glaube, dass flügel wachsen, obwohl meine verzweifelte lage eine verzweiflung hervorbringt, die eine kraft hervorbringt, die den sturz bremst - den blick hebt - die sterne - ich sehe die sterne und die brücken menschenleer - wo mögen sie alle hingegangen sein nach der geschäftigkeit des tages - in das land linker und rechter hand der schlucht - in den höhlen schlafen sie und träumen - wie schiffchen schießen die träume durch die gestalten und formen, die schwimmen auf dem glühenden schoß von großmutter erde, aus dem sie hervorgegangen sind, ans licht gebracht, erstarrt, einem namen zugeführt - fein und bunt gesponnenes verweben die schiffchen mit gestalten und formen, dass da bilder sind wie hängematten, die sanft im nachtwind schaukeln - in eine von ihnen leg ich mich und decke mich zu - zähle die sterne, bis ich einschlafe, obwohl ich kinder weinen höre, städte brennen sehe und das gebrüll eine krieges die festigkeit von bergen erschüttert - gerettet - ich bin gerettet - vorübergehend -
vögel kreisen über dem abgrund - über dem ich schaukelnd schwebe in der hängematte aus träumen, die ich irgendwann geträumt habe und vergessen - sie ziehen leise schöne kreise - ein adler stürzt sich auf mich - schlägt seine krallen in mein blankes herz und pickt mir die augen aus - ich fühle mich hochgehoben und weggetragen - in wärmere gefilde - und abgesetzt in eine weichheit, die nach moosen duftet - ich weine, weil ich mich doch blind und mit aufgerissenem herzen in dieser weichen, duftenden wärme wiederfinde - ein schluchzen erschüttert die festigkeit meines brustkorbs, zu dem sich das flüstern der winde in den bäumen gesellt und ihre linde zärtlichkeit auf der haut -
irgendwann nehme ich meine hände von meinem gesicht und halte es der sonne hin - ich höre sogar vögel singen und einen bach leise plätschern - und spüre, dass es gut ist, dass mein herz aufgerissen ist, weil es zu fließen beginnt - vertrauensselig sich anvertraut, dem was ist - nur die augen öffne ich noch nicht - ich habe angst, dass ich doch nicht blind sein könnte und dich sehen würde - dich mit ihr - so ziehe ich es vorerst vor, blind zu bleiben, lehne mich an den baum und warte -
während ich warte, höre ich, was ich schon immer gehört habe, spüre ich, was ich schon immer gespürt habe - rieche ich, was immer schon da war, als wäre es neu - ich öffne die neuen augen, die sehen - da ist ein wald und du bist fort - schnee ist gefallen - hat sich in deine spur gelegt, eine weiße ahnung einer spur auf weißem weg - ich stehe auf -
ich wandle in heil'gen hallen
zwischen säulen wie stämme,
silbrig und rau
nach oben orange verjüngt
tragen sie das dunkelgrüne, himmeldurchlässige gewölbe -
auf wolken gehe ich -
auf wolken, die auf die erde kamen,
sie bedeckten mit zarten kristallen,
dass sie ausruhen mag
ich zertrete die sterne aus eis -
leise zerbrechen sie unter meinem tritt - ich erinnere mich kaum, dass ich fürchtete, die schneemassen könnten mich brechen -
noch zittre ich bei dem gedanken, aufzubrechen statt zu brechen - der adler bin ich auch - die schluchten, die träume, die hängematten, der baum, das goldene blatt, eine brücke unter vielen - der adler auch - ich könnte aufbrechen in neue länder - noch zittre ich -



Eingereicht am 29. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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