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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Der erste Schultag

© Anne Jantsch-Kanoune


Heute war es endlich soweit. Heute sollte Jesse zum ersten Mal in die Vorschule gehen. Er war so aufgeregt wie noch nie zuvor in seinem Leben. Endlich gehörte er nicht mehr zu den Kleinen. Endlich ging er genau wie sein Bruder Shane zur Schule. Shane war bereits 15 und ging auf die Highschool. Jesse wollte auch am liebsten gleich zu seinem Bruder auf die Schule, doch seine Eltern hatten ihm bereits erklärt, dass er erst in die Vorschule muss. Danach kommt dann die Grundschule, die JuniorHigh und so weiter. Bis er auf die Highschool käme würde es noch eine Weile dauern. Aber trotzdem freute sich Jesse auf den ersten Tag in der Vorschule. Endlich lernte er lesen, genau wie sein großer Bruder. Bald würde er niemanden mehr bitten müssen ihm etwas vorzulesen, denn bald, ja bald könnte er ganz allein lesen. Darauf freute sich Jesse am meisten. Aber er freute sich auch darauf neue Kinder kennen zu lernen. Natürlich war er ein wenig traurig darüber gewesen, dass er nun nicht mehr jeden Tag mit seinen Freunden aus dem Kindergarten spielen konnte, aber dennoch würde es bestimmt spannend werden, mit welchen anderen Kindern er in die Klasse kommt.
Schon früh war Jesse an diesem Morgen aufgestanden. Er hatte sich bereits die Zähne geputzt, sich gewaschen und seine neuen Sachen angezogen. Nun wusste er gar nicht mehr was er machen sollte. Vielleicht sollte er ein bisschen mit seinem neuen Auto spielen, das ihm Shane zum ersten Schultag geschenkt hatte. Aber so richtige Lust hatte Jesse dazu nicht. Er könnte aber auch noch mal kontrollieren ob er wirklich alles in seiner neuen Schultasche hat. Allerdings hatte er das ja gestern Abend schon drei Mal gemacht und einmal heute Morgen. Also setzte er sich auf sein Bett und dachte nach. Er dachte nach über die neuen Freunde, die er hoffentlich findet und über die letzte Zeit im Kindergarten. Irgendwie war es komisch. Noch vor einigen Wochen hatte er gemeinsam mit den anderen Kindern eine Abschlussfeier im Kindergarten gehabt und nun sollte er ab heute in die Vorschule gehen. Als Jesse erneut auf die Uhr sah, bemerkte er, dass es bereits 7 Uhr war. Er musste lachen, denn er hatte wirklich eine Stunde lang einfach nur auf seinem Bett gesessen. Das er mit 5 Jahren schon die Uhr lesen konnte, darauf war Jesse sehr stolz. Na ja, es war ja auch einfach. Zumindest hatte ihm das Shane immer wieder gesagt und Jesse hatte so lange geübt bis er sie konnte. Gerade als er zu seinen Eltern ins Schlafzimmer gehen wollte, ging seine Zimmertür auf und Shane stand im Raum.
"Hey kleiner Bruder, na schon aufgeregt?", fragte Shane grinsend und setzt sich zu Jesse aufs Bett.
"Was??? Ich doch nicht. Pah", winkte dieser ab.
Doch in Wirklichkeit war er sehr aufgeregt und das wusste Shane genauso gut wie er. "Also ich war damals sehr aufgeregt", begann Shane zu erzählen. "Ich weiß noch dass ich vor lauter Aufregung gar nichts essen konnte und mindestens ein Dutzend Mal nachgeschaut habe ob ich auch wirklich alles habe. Am Ende habe ich vor lauter Aufregung meine Tasche auf dem Tisch stehen lassen.".
"Und was hast du gemacht, ohne Schultasche?", wollte Jesse schließlich wissen.
"Mum hatte sie Gott sei Dank bereits ins Auto gepackt ohne dass ich es bemerkt hatte. Sonst wäre es bestimmt ziemlich peinlich geworden." Jesse lachte laut auf als Shane ihm die Geschichte von seinem ersten Schultag erzählte. "Also du siehst, Mum wird schon dafür sorgen das alles glatt läuft. Und jetzt komm, Kleiner, es wird Zeit fürs Frühstück."
"Hey, nenn mich nicht Kleiner. Ich bin doch jetzt groß", beschwerte sich Jesse während er lachend versuchte seinen großen Bruder zu fangen, der ihm einige Schritte voraus war. Schließlich kamen die beiden in der Küche an. Ihre Eltern waren bereits auf.
"Guten Morgen ihr beiden. Na gut geschlafen?" fragte ihre Mutter während sie einen Pfannkuchen umdrehte.
"Ja prima", antwortete Shane, nahm sich eine Tasse Kaffee und setzte sich zu seinem Vater der die Morgenzeitung las an den Tisch.
Jesse setzte sich an seinen Platz. Seine Mutter hatte ihm bereits Kakao und einen Pfannkuchen hingestellt. Jesse aß so schnell er konnte.
"Jesse, schling doch nicht so", ermahnte ihn sein Vater, "du wirst dich noch verschlucken."
"Aber Daddy, ich muss mich beeilen. Heute ist doch mein erster Schultag. Das hast du doch nicht etwa vergessen?" Fragend schaute er seinen Vater an.
Dieser jedoch grinste nur und schüttelte mit dem Kopf. "Natürlich nicht. Aber du hast noch Zeit."
"Dein Vater hat Recht", sagte seine Mutter während sie sich ebenfalls an den Tisch setzte. "Es ist gerade kurz vor acht und du brauchst erst um 9 Uhr da sein. Und mit dem Auto sind wir in 20 Minuten da."
Nach dieser Aussage seiner Mutter schaute Jesse sie enttäuscht an. "Mit dem Auto?" fragte er nach. "Aber ich dachte, ich fahre genauso wie Shane mit dem Bus?"
Erstaunt blickten seine Eltern und sein Bruder ihn an. "Jess, am ersten Tag fahren wir dich zur Schule. Aber morgen fährst du dann mit dem Bus."
Jesse's Schmollmund wandelte sich zu einem breiten Grinsen. "Kann ich dann auch neben dir sitzen, Shane?" Fragend schaute der kleine Mann seinen großen Bruder an.
"Ehm ich fahre mit einem anderen Bus. Ich bin doch schon auf der Highschool."
Erneut blickte Jesse traurig drein. Er dachte er würde jeden Tag neben Shane im Bus sitzen können und jetzt das.
"Ach, Kleiner jetzt mach doch nicht so ein Gesicht. Schließlich ist heute dein erster Schultag. Und wir können ja heute Nachmittag die Hausarbeiten zusammen machen." Shane legte seinen Arm um die Schultern von Jesse und versuchte ihn aufzumuntern.
Jesse blickte auf und grinste ihn an. Er war froh so einen tollen großen Bruder wie Shane zu haben. "Jaaaaa", rief er laut und begeistert.
"Okay ich muss los." Shane schnappte sich einen Pfannkuchen und verließ das Haus.
Jesses Vater sah auf die Uhr. "Ja, ich denke wir sollten auch fahren."
Freudig sprang Jesse auf und schmiss dabei aus Versehen den Stuhl um.
"Hoppla junger Mann, die Schule läuft nicht weg", lachte seine Mutter.
"Entschuldige Mum, aber ich möchte jetzt gehen."
Da Jesses Eltern wussten, dass sie ihren Sprössling nun nicht mehr zurückhalten konnten, machten sie sich auf den Weg.
Als die drei 20 Minuten später die Schule erreicht hatten, sprang Jesse förmlich aus dem Auto.
"Hey Jess, warte auf uns", rief sein Vater hinter ihm her.
"Mum, Daddy, jetzt kommt doch. Wo ist meine Klasse, wer ist meine Lehrerin?", sprudelten die Fragen aus ihm heraus, während er an der Hand seiner Mutter zog.
"Wir müssen dort drüben hin", sagte sein Vater und deutete auf ein kleines Seitengebäude.
Abrupt blieb Jesse stehen. "Das ist aber eine kleine Schule, ich bin doch jetzt groß. Da muss ich doch in eine große Schule gehen", schmollte Jesse.
Sein Vater kniete sich zu ihm runter. "Auch wenn die Schule klein aussieht, glaub mir die Klassen sind richtig groß, genau wie du."
Jesse nickte und lachte. Und als sie den Klassenraum betraten, sah er dass sein Vater Recht hatte.
Eine Frau kam auf die Familie zu. "HI, mein Name ist Mrs. Williams, ich bin die Klassenlehrerin."
Nachdem die Frau seine Eltern begrüßt hatte, kniete sie sich zu Jesse runter. "Und wen haben wir hier?" fragte sie.
"Ich bin Jesse McLaw und gehe ab heute in die Schule, denn ich bin schon groß."
Nach dieser Aussage musste Mrs. Williams schmunzeln. "Es freut mich sehr, dich in meiner Klasse zu haben", sagte sie während sie Brian die Hand gab. "Na dann such dir mal einen Platz."
Jesse nickte und drehte sich zu seinen Eltern um. "Mum, Dad, ihr könnt jetzt gehen. Ich muss doch jetzt lesen lernen und ganz viele andere Dinge."
"Okay bis heute Nachmittag dann, mein Klei… ehm Großer", verbesserte sich seine Mutter und gab ihrem jüngsten einen Kuss auf die Wange.
"Mum", flüsterte Jesse, "wenn das die anderes sehen.
"Oh", sagte sie und trat einen Schritt zurück. "Entschuldige du großer Junge."
Jesse drehte sich um und suchte sich einen Platz an einem Tisch wo bereits ein anderer Junge saß. "HI, ich bin Jesse, wie heißt du?" fragte er neugierig nach.
"Ich bin Randy. Wollen wir Freunde sein?"
"Ja gerne", nickte Jesse.
Als seine Eltern ihn am Nachmittag wieder abholten, kam Jesse aus dem Erzählen nicht mehr heraus. "Mum, Dad, wisst ihr was unsere erste Hausaufgabe ist?" Doch bevor seine Eltern ihm antworten konnten, veriert Jesse es ihnen schon. "Wir sollen ein Bild malen von unserem ersten Schultag."
"Und was willst du malen?", fragte sein Vater.
"Natürlich mich in der Klasse und daneben meinen neuen Freund Randy. Es ist doch mein erster Schultag gewesen."
"Ja das stimmt", nickte sein Vater.
Eine Stunde später lag Jesse auf dem Boden in Shanes Zimmer und begutachtete das weiße Blatt vor ihm. Irgendwie fiel ihm nicht ein, wie er sich und seinen neuen Freund im Klassenraum malen sollte.
Shane setze sich zu ihm. "Wenn dir nichts einfällt, können wir ja tauschen. Ich male dir dein Bild und du machst meine Hausaufgaben." Shane grinste bei diesem Satz, denn es war ja nur ein Scherz.
Jesse dachte jedoch es ist sein Ernst. Er stand auf um mit seinem großen Bruder gleich groß zu sein. "Shane, das kann ich doch nicht. Ich bin zwar groß, aber so groß nicht."
Shane musste lachen und Jesse stürzte sich ebenfalls lachend auf seinen großen Bruder. "Eines Tages aber bin ich genau so groß wie du."



Eingereicht am 28. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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