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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"
Wie Herbert und ich Advent feiern wollten und deshalb ins Gefängnis gesperrt wurden
Siegfried Mundt
Herbert & ich wollten so richtig in Ruhe Advent feiern - ohne Störung durch die Frauen. Wir gingen in die Bar, die wir unter uns "Zur wurmstichigen Klobürste" nennen. Es waren mal wieder nur Ausländer da, und alle laut am Palavern. Herbert & ich sahen uns an & bedeuteten einander, die können eben nicht anders. Ich suchte einen Rotwein aus und Herbert sagte dem Wirt: Bis nichts mehr reingeht. Der Wirt gab uns Knabberkram und wir pichelten munter drauf los. Gegen elf Uhr fiel Herbert vom Hocker
und wollte auf die Ausländer los, sie hätten ihn gestoßen, sagte er. Aber die Kerle guckten alle wie Unschuldslämmer und ich beruhigte ihn. Er kippte noch oft herunter, aber ich sammelte ihn wieder auf. Zweimal lagen wir beide. Es schien mir, die Türken waren am Grinsen, doch wollte ich mich von den Typen nicht provozieren lassen. Einmal schrie Herbert los: "Nicht mal Kerzen in dem Saftladen, spiel doch wenigstens vernünftige Musik, nicht immer diesen Mist, ist doch Advent."
Der Wirt hob nur die Schultern und sagte, es täte ihm Leid, er habe nichts anderes.
Herbert mag Kufsteinlieder und Oberkrainer. Wie sehr ihn der Verzicht schmerzte, merkte ich an der Art, in der er die nächsten Gläser Wein ruckartig in den Hals kippte.
Weil er so enttäuscht war, fing er an zu singen. Mit dem Sedanlied glaubte er, es den Ausländern einmal richtig zu geben. Ich hatte bei der Bundeswehr die Nazi-Version mit dem Narvik-Text gelernt. Damit fiel ich sofort ein. Herbert ist sehr unmusikalisch und singt oft halbe Tonstufen daneben. Deshalb strebte ich auch kein Belcanto an und grölte betont kameradschaftlich. Kurz vor dem Liedende wechselte Herbert zum Schneewalzer. Damit waren wir adventmäßig wieder voll dabei und konnten den Kerlen Paroli bieten.
Wir fielen ungefähr gleichzeitig, als wir mit Armschwüngen den Takt synchronisierten. Ich wollte mich nicht mehr so übertrieben um Herbert bemühen und als ich mich hochzog und meine Nase über den Thekenrand schob, tauchte drüben eine so abscheuliche Fratze auf, dass ich spontan den Aschenbecher schleuderte. Da ging der Barspiegel zu Bruch. Der Wirt fing laut zu jammern an. Ich warf ihm eine Handvoll Scheine hin. Da wurde er wieder still, gab mir sogar die Hälfte zurück.
Ich konnte das Grimassenschneiden der Nebenleute nicht länger ertragen. Dem Nächststehenden wollte ich mit einem rechten Haken Manieren beibringen. Weil der Affe feige auswich, knallte ich gegen die Barstange. Mit meiner heilen Linken griff ich die Weinflasche und holte aus. Da war der Wirt schon herumgelaufen und die Feiglinge hielten mich zu zweit fest. Herbert lag noch. Einer hatte ihm seinen Plattfuß in den Nacken gesetzt. Der Kerl hielt sich wohl für Hemingway nach der Löwenjagd. Plötzlich waren die Bullen
da. Sie hoben Herbert auf. Ich zupfte einen am Ärmel, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Ohne Warnung haute der mir eine rein.
Als ich wieder zu mir kam, war ich schon in der Zelle. Herbert hatten die dazugesperrt. War vielleicht nett gemeint, aber er hatte alles voll gekotzt. Außerdem: Eine rechte Hilfe war er nicht gewesen.
Mein Problem waren die Bullen. Das sind echt ausländerfeindliche Schweine, sagte ich zu Herbert. Bei uns in Deutschland sperrt dich doch keiner ein, wenn du mal gemütlich Advent feierst! Auch nicht, wenn es etwas lauter wird!
Aber Herbert machte sich nur Sorgen, was seine Frau sagen würde.
Eingereicht am 25. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
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