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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"
Feuervogel
©Bigi Schulz
An einem wunderschönen Ort lebt ein bildschöner Vogel, der seinesgleichen sucht. Inmitten friedlicher Natur dreht er elegant seine Kreise am Himmel.
Er erfreut die Menschen mit seinem Aussehen, dem Gefieder, das in der Sonne glänzt wie der Regenbogen im Goldschimmer und mit seinem Gesang. Immer schon war dieser Vogel da. Er ist fester Bestandteil des Lebens und niemand kann sich ein Leben ohne diesen Vogel vorstellen. Und das obwohl jeder weiß, dass dieser Vogel immer wieder Vernichtung und Verletzung bringt.
Der Feuervogel ist schlank und muskulös gebaut. Am Himmel zeigt er sein vollkommenes Aussehen und erinnert an den edlen majestätischen Flug des Adlers. Sein Schnabel ist spitz und gewaltig, die Augen funkeln wie ein kanadischer Wald im Indian Summer.
Sein Gefieder ist imposant. Es glänzt und leuchtet in allen Farben des Regenbogens. Es scheint, als sei es mit einer hauchdünnen Goldschicht überzogen, die die Farben nicht schmälert, eher unterstreicht. Befragt man die Menschen nach dem Aussehen, ist niemand in der Lage die Pracht des Feuervogels in Worte zu fassen. Denn seine Schönheit liegt im Auge eines jeden Betrachters.
Doch in einem sind sich alle einig. Zieht der Feuervogel kraftvoll am Himmel seine Kreise, hat es den Anschein als würde ein Diamant durch das Blau schweben. Er schimmert in den funkelndsten Farben und seine Schönheit berührt einen Jeden, der ihn betrachtet.
Elegant und gelassen zieht der Feuervogel seine Bahnen. Intelligent nutzt er die Winde, die ihn tragen und schlägt er doch mal mit seinen Flügeln ist ein goldglänzend buntes Schimmern zu sehen. Hat er das Gefühl, dass er zu wenig beachtet wird, seinem wunderschönen Flug nicht genug Beifall gezollt wird, macht er sich laut bemerkbar.
Ein langgezogener Ruf, der laut aber dennoch melodisch über weite Strecken reicht, verkündet die Anwesenheit des Feuervogels. Dieser Ruf ist kraftvoll und doch von unglaublicher Harmonie. Jeder Mensch kennt diesen Ruf, den Ton, der auf nachdrückliche Weise das Herz berührt, mitten ins Herz trifft.
Elegant fliegt der Feuervogel über die prachtvollen Wälder, zieht seine Kreise über Wiesen und Weiden. Er spiegelt sich in den Wasserflächen von Teichen und Flüssen. Fliegt er durch die Sonne sieht man keinen grauen Schatten, sondern einen bunten Schimmer, der über das Land gleitet.
Betrachtet man seinen Flug hält man automatisch inne. Gespannt und fasziniert blickt man in den Himmel, bestaunt die Schönheit, die Kraft und die Farben und spürt tief in sich drin ein wohliges Gefühl, eine Wärme, eine Art von tiefer Zuneigung und Liebe. Ein warmer wohliger Hauch zieht sich durch den Körper, verbindet auf magische Weise Geist und Gefühl und man verliert sich in Träumen.
Es ist selten, dass der Feuervogel die Nähe eines Menschen sucht. Doch eines Tages setzt er sich auf einen Gartenzaun und beobachtet mit seinen strahlenden Augen eine Frau, die dort im Garten sitzt. Die Frau wagt es kaum sich zu rühren. Viel zu schön ist der Anblick der majestätischen Schönheit und sie fürchtet er könne sich erschrecken und das Weite suchen. Jede einzelne Feder des Feuervogels schillert in den Farben eines Regenbogens.
Niemand wäre in der Lage dieses Bild in angemessene Worte zu fassen oder zu zeichnen. Vor der Frau sitzt ein lebendiges Bild aus Licht, Farben, Freude und Wärme. Und dieses Bild trifft sie mitten ins Herz.
Doch soviel Gefühl, Liebe und Wärme der Feuervogel auch ausstrahlt, so sehr die Frau diesen Anblick auch genießt, so einfältig ist sie auch um die wahre Macht und Gewalt, die diesen Vogel ausmacht. Niemand vermag daran zu denken, niemand kann glauben, dass dieser wunderschöne Feuervogel Verletzung und Vernichtung bringen kann.
Von einer Sekunde auf die andere, spannt der Feuervogel seine Flügel, sein klares Schimmern der Augen verwandelt sich in rotes bedrohliches Flackern.
Sein Blick wird durchdringend und schmerzend und er setzt zu einem Ruf an, der die Frau erstarren lässt. Der melodische Ruf des Feuervogels wird zum durchbohrenden Schrei, der die Menschen erschauern und fürchten lässt. Immer stärker verändert sich der Vogel. Der Blick durchbohrt, die Farben des Gefieders scheinen ineinander zu verlaufen, bis aus den herrlich schimmernden Regenbogenfarben nur ein bedrohlich flackerndes Rot übrig bleibt.
Wie gebannt blickt die Frau auf den Vogel im blendenden roten Federkleid.
Dann, kaum bemerkbar und urplötzlich verwandelt sich das strahlende Rot des Gefieders in Feuer.
Der Vogel erhebt sich zum Himmel. Mit starken Flügelschlägen sucht er die Nähe des Blaus und Flammen schlagen aus seinen Federn. Sein kreischender Schrei erfüllt die Luft und die Frau mit Angst. Die eben noch empfundene Wärme und Liebe stirbt. Angst und Schrecken nehmen Platz im Herzen der Frau.
Der Flug des Feuervogels ist nicht mehr gleichmäßig und ruhig. Gewaltig und gehetzt flattert er umher, fliegt auf und ab, zieht große Kreise, die immer kleiner werden. Immer wieder scheint er landen zu wollen und hebt dann doch wieder ab, geradeso als scheine er etwas zu suchen. Immer tiefer fliegt er, über Büsche und Hecken, Zäune und kleine Sträucher, die sofort in Flammen aufgehen. Der rote Feuervogel hinterlässt eine Spur der Verletzungen und des Entsetzens.
Langsam steigt der Feuervogel wieder auf. Wie ein Feuerball, der in Richtung Himmel geschossen wird, schwingt er sich in die Lüfte. Die Frau fragt sich, wohin seine Reise nun gehen wird. Wo der Flug den Feuervogel wohl hinführen wird. Doch schon bald, nach einer sehr kurzen Zeit erschreckender Stille, stößt der Feuervogel wieder vom Himmel herab in Richtung Erde. Wie ein zerstörerischer Komet setzt er Bäume, Alleen, Straßen und Häuser in Brand bis es den Anschein hat, dass die ganze Welt in Flammen steht. Und
aus dem Prasseln des Feuers, dem Knistern und Knacken des ächzenden Holzes ist immer wieder der markerschütternde Ruf des Feuervogels zu hören. Dieser Schrei übertönt alles und bohrt sich laut und mit aller Gewalt in das Herz und den Geist der Frau.
Aus einem brennenden Haus schießt der Vogel heraus. Seine mächtigen Schwingen lodern hellrot, während er Kurs auf das Haus der Frau nimmt. Die Nachbarn flüchten panisch auf die Straße und laufen um ihr Leben. Sie laufen fort vor dem Vogel, dessen Farben sie vor wenigen Augenblicken noch aufs Tiefste berührt und fasziniert haben.
Der Flug des Feuervogels verlangsamt sich. Das Feuer seiner Federn scheint zu ersticken und er fliegt nun immer höher, kreist müde über den Ort, wo einst Häuser standen, kreist schwach über den Flammen, dessen Hitze und Aufwinde ihn langsam nach oben tragen.
Ebenso schnell, wie sich aus dem Regenbogengefieder ein Feuerball bildete, so schnell brechen die Flammen in sich zusammen. Das bedrohliche Flackern und Leuchten wird schwächer und übrig bleibt ein sanft schillerndes Rot.
Unter ihm auf der Erde frisst sich das Feuer seinen Weg durch Holz, Gras und Büsche. Während unter ihm Verletzung und Vernichtung tobt, verwandelt sich das Gefieder des Feuervogels wieder in die herrlichsten Regenbogenfarben.
Immer weiter steigt er auf, spürt er doch, dass die Hitze seinem Gefieder schadet. Er selbst flieht vor dem Feuer, das er entfacht hat.
In weiter Ferne ist ein leichtes Grollen zu hören. Verstört blickt die Frau zum Himmel, der sich sichtbar verdunkelt und Regen verspricht. Regen, der das Feuer löschen wird. Niederschlag, der die Flammen ersticken und nur noch Asche und Vernichtung zurücklassen wird. Die Frau kann nicht ahnen, wie viel Vernichtung das Feuer brachte, wie lange es dauern wird, bis die Spuren des Feuervogels beseitigt sind. Nur in ihrem Herzen spürt sie, wie groß ihre Vernichtung und Verletzungen sind.
An einem wunderschönen Ort, lebt ein bildschöner Vogel, der seinesgleichen sucht. Inmitten friedlicher Natur dreht er elegant seine Kreise am Himmel.
Er erfreut die Menschen mit seinem Aussehen, dem Gefieder, das in der Sonne glänzt wie der Regenbogen im Goldschimmer und mit seinem Gesang. Immer schon war dieser Vogel da.
Er ist fester Bestandteil meines Lebens und ich kann mir ein Leben ohne diesen Vogel nicht vorstellen. Und das obwohl ich weiß, dass dieser Vogel mir immer wieder Vernichtung und Verletzung bringt.
Eingereicht am 23. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.