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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Warum?!

©SweetKnuddel

Ich war damals ein stures, freches, aufgewecktes und schadenfrohes Mädchen. Doch eines Tages passierte etwas, das mich total veränderte. Ich fange aber lieber mal am Anfang an. Ich hatte viele negative Eigenschaften. Viel zu viele. Ich weiß nicht wie es so weit kommen konnte, denn ich hatte nicht gerade auf andere Menschen geachtet, hatte kein Ratschläge von Menschen angenommen, die mich gern hatten und hatte auch sonst sehr viel falsch gemacht. Ich war nicht gerade die Beste in der Schule und hatte meine Eltern auch sonst viel Ärger gemacht, auch wenn sie sich kaum um mich gekümmert hatten, hatte ich nicht das Recht dazu. Es tut mir alles so Leid. Es war so viel was ich falsch gemacht hatte, dass ich gar nicht mehr alles aufzählen kann.
Damals hatte ich noch keine Ahnung vom Leben und hatte auch nicht verstanden, worum es im Leben überhaupt geht. Aber jetzt ist alles anders. Ich war damals erst vierzehn Jahre, als mir etwas passierte, womit ich nicht gerechnet hatte. Es war ein ganz normaler Montagmorgen. Wie immer hatte ich keine Lust auf Schule und da meine Eltern arbeiten waren, blieb ich noch im Bett liegen. Fast den ganzen Tag hatte ich zu nichts Lust. So gegen Mittag quälte ich mich aus dem Bett um mir was zum Essen zu holen und machte mich dann auf dem Weg zum Einkaufsmarkt um die Ecke. Wie schon gesagt, ich machte meinen Eltern nicht gerade viel Freunde, aber nicht weil ich sie nicht lieb hatte, sondern weil sie nie Zeit für mich hatten und ich wollte, dass sie mich mal beachteten. Sie waren kaum zu Hause, immer arbeiten, auf Geschäftsreisen oder einfach unterwegs. Jedenfalls, an dem besagten Tag war ich dann einkaufen. Na ja, nicht einkaufen, sondern eher klauen. Ich weiß nicht was mich da wieder geritten hatte, wie immer hatte ich mal wieder nicht nachgedacht. Ich hatte mir ein bisschen Süßes und noch anderes Essbares in meine Taschen gepackt. Leider bzw. so sah ich es damals, aber eigentlich war es mein Glück, denn es hatte mich ein Angestellter erwischt, der mich dann zur Polizei brachte. Es war nicht das erste Mal, dass ich geklaut hatte und erwischt wurde, deswegen sollte ich zur Strafe drei Monate Sozialstunden in einem Kinderkrankenhaus leisten. Meine Eltern hatten mich etwas später abgeholt, aber sie hatten sich gar nicht dafür interessiert was passiert war und warum, sie wollten nur wieder schnell zur Arbeit. Jeden Tag nach der Schule sollte ich dann ins Krankenhaus und den Kindern Geschichten vorlesen, spielen oder anderes tun um die Kinder zu beschäftigen und abzulenken.
Ungefähr eine Woche später ging es dann los. Zuerst setzten wir uns in einen Kreis und lernten uns kennen. Sie erzählten mir wie sie hießen, was sie gerne machten und wie alt sie waren. Ich ging dann jeden Tag hin, aber ich befand es nicht mehr als Strafe, sondern als Geschenk. Es freute mich, dass sich endlich mal jemand für mich interessierte und ich jemandem etwas Gutes tun konnte. Die Kinder freuten sich jeden Tag mich wieder zu sehen und mir ging es auch so. Zuerst las ich ihnen immer eine Geschichte vor und dann war der Ablauf anders, mal schauten wir Video, spielten, malten oder gingen spazieren.
Schon am ersten Tag fiel mir ein kleiner Junge auf, er hieß Tommy. Er war immer alleine, sprach kaum und ließ auch keinen an sich heran. Ich versuchte mit ihm zu reden, zu spielen und dass er sich öffnet, aber es war schwer. Jeden Tag versuchte ich es erneut und schließlich schaffte ich es. Nach ungefähr zwei Wochen fing Tommy langsam an, sich zu öffnen, er sprach öfters mit mir und wir spielten auch ab und zu. Dann dauerte es nicht mehr lange und wir hatten uns angefreundet. Wir unterhielten uns ziemlich oft und gut, über seine Lieblingsfilme, seinen Hobbys und Wünsche. Jeden Tag machten wir was zusammen, z.B. übten wir Lesen und Schreiben, wir gingen spazieren oder machten das wonach uns einfach war.
Eines Tages erzählte ich ihm von meinen Problemen mit meinen Eltern, von der Schule und warum ich eigentlich im Krankenhaus bin. Mit ihm konnte ich über alles reden und er gab mir Ratschläge, schon wie ein Erwachsener, obwohl er noch so klein war. Ich fragte mich, woher er so viel weiß über das Leben, denn Tommy war erwachsener als ich.
Die Hälfte meiner Strafe war schon abgelaufen. Eines Tages redeten wir wieder intensiver und er erzählte mir warum er überhaupt im Krankenhaus ist. Ich konnte es gar nicht glauben! Tommy, der kleine Junge, der erst sieben Jahre alt war, hat seit einem Jahr Krebs. Ich musste meine Tränen zurück halten, bei dem Gedanken dass er bald sterben könnte. Er war noch so klein, hat noch nicht viel erlebt und sollte schon sterben?! Ist das gerecht? Er merkte, dass es mich bedrückte und sprach ganz offen mit mir über den Tod. Er hatte keine Angst vorm Sterben, er hatte mit seinen Eltern schon oft darüber gesprochen und sagte mir, dass ich mir keine Sorgen machen sollte. Tommy hatte mehr Angst um seine Eltern, er wusste nicht wie sie es aufnehmen würden, wie sie reagierten oder was sie ohne ihn machen sollten. Da ich jetzt wusste, warum Tommy im Krankenhaus war, versuchte ich jeden Tag gut zu gestalten und das Beste draus zu machen. Ich erfüllte seinen größten Wunsch, einmal ins Kino zu gehen und wir schauten "Das Dschungelbuch". Als ich sah wie er sich freute, war ich auch überglücklich, dass ich ihm den Wunsch erfüllen konnte. Jeden Tag unternahmen wir etwas anderes. Es war die beste Zeit meines Lebens. Eines Tages kamen wir wieder auf seine Krankheit zu sprechen, was passiert wenn er nicht wieder gesund wird und was mit seinen Eltern passiert. Ich konnte ihm nicht helfen. Was sollte ich ihm denn sagen? Ich hatte doch keine Ahnung davon.
Meine Strafe war fast abgelaufen und mein letzter Tag im Krankenhaus stand an. Tommy und ich waren natürlich wieder verabredet. Ich freute mich schon, ich wollte mit ihm Autoskooter fahren gehen. Er war aber nicht in seinem Zimmer, in der Kantine und im Fernsehraum war er auch nicht. Ich suchte ihn überall und machte mir langsam Sorgen. Tommy war nie unpünktlich, er war immer mindestens fünf Minuten früher da, damit er auch nichts verpasst. Ich hatte schon ein schlechtes Gefühl, aber ich hatte mir nichts weiter dabei gedacht. Ich suchte seinen Arzt und fand ihn auch ziemlich schnell. Als er mich ansah, wusste ich schon was passiert war, aber ich konnte es nicht glauben. Ich konnte nicht anders, die Tränen liefen mir wie ein Wasserfall übers Gesicht. Warum er? Wieso Tommy? Er war doch erst sieben Jahre. Warum konnte ihm keiner helfen? Warum?
Tommys Eltern sahen mich, sie kamen gleich auf mich zu und nahmen mich in ihre Arme. Sie bedankten sich bei mir, dass ich mich in den letzten Tagen und Wochen um ihren Sohn gekümmert hatte. Ich konnte trotzdem nicht aufhören mit Weinen. Alles erschien mir so sinnlos und leer. Der Arzt hatte in der Zeit meine Eltern angerufen und ihnen alles erzählt. Sie holten mich ab und wir fuhren nach Hause. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Gestern hatten wir noch miteinander gespielt, gelacht und geredet. An mir zogen so viele Gedanken vorbei, die ich gar nicht alle beschreiben könnte. Es war der schlimmste Tag meines Lebens. Seit diesem Tag hatte sich alles verändert. Meine Eltern nahmen sich mehr Zeit bei mir zu sein, mit mir zu reden, etwas zu unternehmen oder einfach nur um zusammen zu sein. Ich gehe wieder täglich zur Schule und hatte viel gelernt. Heute bin ich zwei Jahre älter und die Beste in meiner Klasse. Tommy habe ich nie vergessen. Ich habe ein Foto von ihm auf meinem Schreibstich stehen, mindestens einmal in der Woche besuche ich sein Grab und lege ihn seine Lieblingsblumen darauf, frische Sonnenblumen. Zu seinen Eltern habe ich immer noch Kontakt und es hilft mir mit ihnen darüber zu sprechen. Ich weiß sogar schon welchen Beruf ich ausüben möchte und zwar Ärztin. Seit dem Erlebnis mit Tommy möchte ich Menschen helfen. In dem Krankenhaus bin ich auch noch jeden Nachmittag für ein paar Stunden, um den Kindern etwas Gutes zu tun, aber nicht weil ich etwas verbrochen habe, sondern feiwillig.


Eingereicht am 22. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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