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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Markus, 27Jahre. Liest gerne.

©Thomas Meyer

Hallo! Mein Name ist Markus. Ich bin 27 Jahre alt und ich lese gerne.
Ist das alles? Bin ich nicht mehr? Einfach ein Markus, der gerne liest?
Er lässt seine Finger von der Tastatur gleiten und wirft den Kopf nachdenklich weit hinter seine Schultern zurück.
Sie müssen wissen: Ich bin Single und das schon seit über sieben Jahre. Ich könnte sagen ich sei Single aus Passion, aber ich würde lügen. Die Frauen verstehen mich einfach nicht; nein, niemand versteht mich. Jeder stempelt mich als Spinner oder Freak ab.
Er steht auf und geht ins benachbarte Zimmer. Es ist ein, für einen so jungen Menschen spärlich ausgestatteter Raum. Ein Bett in der Mitte; viele Bücher über den mit viel Staub bedeckten Fußboden verstreut. Auffallend war, dass alle Wände mit Texten Zeichnungen von jungen Frauen übersäht waren.
Primär geht es mir ja nicht so sehr um das Finden der großen Liebe - Halt! Lasse Sie mich überlege…Doch! Genau darum geht es mir. Ich will die perfekte Frau für mich. Schon oft, was sage ich, unzählige Nächte verbrachte ich mein Leben in die Fantasie zu verlegen und es gedanklich zu optimieren. Ich spielte schon so viele Rollen und trug unzählige Masken. Ja; ich bin stark unzufrieden mit der Gesamtsituation. Ich bin 27 Jahre alt, studiere schon sechs Jahre ein Studium, das mich nicht im Geringsten interessiert und habe kleine Fettpölsterchen um meinen Bauch herum. Sie sind der Meinung, dass dies alles nicht so schlimm sei? Gestatten Sie es mir Ihnen verständlich zu machen.
Er setzt sich auf sein Bett und kramt in einer kleinen Schachtel. Hervor holt er ein Stück schwarze Kreide. Dieses in Händen, steht er von seinem zerrütteten Bett auf und geht in Richtung der dem Fenster gegenüberliegenden Wand. Er beginnt zu schreiben.
Wissen Sie; ich genoss, vielleicht wider Ihrer Erwartungen eine sehr schöne, nahezu perfekte Kindheit. Mein Vater hatte im Laufe seiner Karriere ein großes Wirtschaftsimperium aufgebaut.Er hatte trotzdem viel Zeit für mich, doch schon damals kristallisierte sich der Gedanke meines Vater über eine Weiterführung seiner Firma meinerseits heraus. Das kann ich natürlich erst heute verstehen. Schließlich war es mir damals egal als einziges Kind aus meiner Klasse statt mit Robotern oder einer Eisenbahn täglich die Bank bei Monopoly zu spielen. Schon mit fünf konnte ich von eins bis zehntausend zählen. Jedoch kostete es meiner Volksschullehrerin viel Zeit, das Wort Dollar nach jeder von mir genannten Zahl zu entfernen. Meine Mutter war der Ruhepol der Familie. Sie hielt uns zusammen. Das war jedenfalls die Meinung die ich von ihr hatte bevor ich vor zirka zwei Jahren erfuhr, dass sie mit unserem Gärtner vögelte. Mein Vater stellte ihn ein, da er ein "sehr fürsorglicher und zuverlässiger junger Mann" sei. Wenn er gewusst hätte, dass er mit der gleichen Fürsorge die er für unsere Rosen aufbrachte seine Frau befriediget hätte er ihn vermutlich sein Grab selber schaufeln lassen. Als die Wahrheit ans Tageslicht kam, ließen sie sich auf der Stelle scheiden. Mein Vater erzählte mir viel später, dass meine Mutter an jenem Tage, als sie gemeinsam die notwendigen Papiere unterschrieben, mit dem Scheidungsrichter flirtete und ihm ihre Nummer anbot; und das neben meinem Vater. Seit der Trennung meiner Eltern wurde der Bezug zu ihnen immer weniger. Mein Vater überweist mir jedes Monat ausreichend Geld und meine Mutter wohnt mit ihrem neuen Lebensabschnittsparter irgendwo in Deutschland. Ich hab sie seit sechs Monaten nicht mehr gesehen; manchmal telefonieren wir. Reden über dies und das; nichts Wichtiges. Und genau diese letzten zwei Wörter fassen mein Dasein zusammen: Nichts Wichtiges. Sie stempeln mich nun wahrscheinlich als depressiven Schwächling ab, aber dem ist nicht so; glaube ich jedenfalls. Ich bin es einfach leid, immer in der Scheiße zu waten und keinen Sinn in meinem Leben zu sehen.
Er hört auf zu schreiben und versucht mit einer aus der kleinen Schachtel hervorgeholten Rasierklinge das Stück Kreide zu spitzen.
Sie bricht bei dem Versuch ab und er beginnt zu heulen; schlägt sich hysterisch gegen den Kopf.
Er setzt sich auf den Boden und öffnet ein Buch, das er unter dem Bett hervorholte. Seit Weinen schlug plötzlich in ein Grinsen um bevor er anfing zu lachen; ein beängstigendes Lachen.
Meine Schulzeit war die schlimmste Zeit meines Lebens. Ich war ein Außenseiter. Erstens hatte ich viel Geld und zweitens war ich einfach anders. Ich weiß zwar nicht warum, aber es war eben so. Jeden Tag nach der Schule schloss ich mich in mein Zimmer ein und dachte über meine Zukunft nach. Es gingen schreckliche Gedanken durch meinen Kopf. Ich wusste nichts mit mir anzufangen. In der Folgezeit begann ich zu schreiben und zu malen. Meine Fantasie wurde zum Hilfesuchend flehte ich meine Mutter an; sie solle mich doch von dieser, von über nichts nachdenkenden Schönheitsmonstern verseuchten Schule nehmen. Ich hasste sie- die Beliebten. Sie trampelten auf mir herum. Ja; ich hatte Pickel im Gesicht, und war schon mit vierzehn ein kleiner Wollepropen, doch sie hatten nicht das Recht mich niederzumachen; nein! Zuerst hasste ich sie, dann hasste ich mich. Ich versuchte mich jemanden anzuvertrauen, doch es fand sich niemand, der mich wirklich verstand beziehungsweise verstehen wollte. Oh Gott! Ich will einfach nicht mehr.
Markus steht auf. Er nimmt einen Mantel und geht aus der Tür. Hinaus; hinaus in die kalte und regnerische Realität.
Er geht in schnellen Schritten vorwärts, der Straße immer folgend. Er regnet. Der Himmel trägt ein graues Kleid.
Es ist ein ganz besonderer Tag in Markus Leben. Heute Abend wird er sich entscheiden müssen.
Plötzlich verlässt er die Hauptstraße und biegt rechts in eine Seitengasse ein. Er bleibt nach einer Weile stehen; blickt auf die Uhr.
Er scheint nervös zu sein; schaut sich unkontrolliert in der Gegend um. Plötzlich erscheint ein Mann. Er geht auf Markus zu und schüttelt ihm kurz angebunden die Hand. Sie sprechen kurz miteinander, als der Mann unvermittelt etwas aus seiner Manteltasche hervorholt. Irgendein Gegenstand; eingehüllt in ein weißes Tuch.
Vielleicht sollte ich doch nicht aufgeben. Ich werde weitermachen; auf den Moment warten, ab dem alles besser wird. Ja!
Wieder zuhause angekommen, legt er seinen Mantel ab und nimmt wieder das kleine Stück Kreide zur Hand.
Er geht auf die Wand zu, und zieht die Zeilen, die er zuvor schrieb dick nach. Sichtlich geschwächt geht er in die Knie, und lässt sich nach hinten fallen. Er beginnt erneut zu weinen.
Doch wann kommt dieser Moment endlich? Ich warte schon so lange.
Markus steht auf, nimmt das kleine Päckchen und geht ins Badezimmer.
Bitte lest die Zeichen und hört zu; hört gut zu.
Ein lauter Knall. Markus fällt zu Boden und bleibt regungslos liegen.

Zwei uniformierte Polizisten sitzen auf Markus Bett. Sie lauschen dem Kassettenrekorder.
"Ein armer Irrer", lässt einer der beiden nach dem Ende des Tapes von sich hören.
"Ja, solche armen Schweine gibt's immer wieder. Da kann man nichts machen!", antwortet der zweite.
Sie stehen auf und machen sich daran, das Zimmer zu verlassen. Kurz bevor sie die Tür erreichen, bleibt einer der beiden stehen und liest die dick umrandeten Zeilen auf der Wand laut vor: "Da steh ich nun ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor."
"Freak!"


Eingereicht am 22. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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