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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Im Tunnel

©Lotte Lott

Ich gucke auf die Rathausuhr die ich von meinem Bürofenster aus gut sehen kann. Es ist 16:30 Uhr. Eine gute Zeit um Feierabend zu machen. Heute Abend wollen mein Mann und ich noch mit Freunden ins Kino. Wenn ich jetzt Feierabend mache, dann bekomme ich die S-Bahn um 16:45 Uhr am Jungfernstieg und bin dann um 17:14 Uhr in Neugraben. Bei dem schönen Wetter kann ich dann von Neugraben aus zu Fuß nach Hause gehen, überlege ich. Also packe ich meine Sachen zusammen und gehe zur S-Bahnstation.
Die neu installierte Anzeigetafel zeigt mir an, dass in 2 Minuten die S-Bahn in Richtung Hamburg-Neugraben einfährt. Da habe ich gerade noch Zeit, schon mal meine Spanischunterlagen rauszufischen. In meiner Freizeit lerne ich Spanisch. Immer nur ein wenig, wie es so passt. Heute ist das Kapitel "Adonde vas?" dran, was soviel heißt wie "wohin gehst du?". Die S-Bahn fährt ein, ich suche mir schnell einen Sitzplatz und gucke mich kurz um, damit ich weiß wer so um mich herum sitzt. Mir gegenüber sitzt ein junger Mann ca. Mitte zwanzig. Neben ihm, also mir schräg gegenüber eine Schülerin und neben mir? Keine Ahnung. Ist auch egal. Wenn man sich zu auffällig umdreht ist das auch blöd. Was soll derjenige denn denken? "Kennen wir uns?". Ist ja auch egal, es wird schon kein Dieb neben mir lauern, und falls doch, dann erschlage ich den mit meinem Spanischbuch. Si. Ich fange an meine Spanischlektion zu studieren. "Voy a casa", heißt "ich gehe nach Hause". Aha.
Am Hauptbahnhof wird es unruhig. Hier steigen die meisten Menschen um. Der junge Mann mir gegenüber macht einer alten Frau mit Stock Platz. Das ist ja nett. So etwas habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Die meisten jungen Leute machen sich eher breit, so dass sie noch leere Plätze mitbesetzten, als ihren Platz anzubieten. Beeindruckt schaue ich den jungen Mann eine Weile an.
"Vas en metro o en autobus?", lerne ich weiter. "Fährst du mit der U-Bahn oder mit dem Bus?". Also, eins muss ich diesem Spanischbuch ja lassen, es ist sehr realitätsbezogen. Was heißt denn eigentlich S-Bahn auf Spanisch? Eine viertel Stunde lerne ich Spanisch und plötzlich sehe ich nichts mehr. Wir befinden uns im Tunnel zwischen den Stationen Harburg und Harburg-Rathaus, die S-Bahn ist stehen geblieben und das Licht ist aus. Mist, und ich weiß nicht was für eine Gestalt neben mir sitzt. Wie unangenehm. Während ich das denke, geht auch schon die Notbeleuchtung an. Schnell ein Blick zur Seite. Aha, es handelt sich um einen Mann mittleren Alters mit Anzug. Der ist bestimmt harmlos.
Klick. "Dieser Zug fährt nicht mehr weiter", ertönt es aus dem Lautsprecher. "Wir sind hier steckengeblieben. Nähere Informationen habe ich auch nicht. Sobald ich mehr weiß, melde ich mich wieder". Klick. Aha. Im Flugzeug erfährt man wenigstens immer noch den Namen des Kapitäns. Der S-Bahn Fahrer hat sich gar nicht vorgestellt. Na ja, ist ja auch nicht so wichtig. Ich gucke mich im Waggon weiter um. In der Viererecke auf der mir gegenüberliegenden Seite sitzen vier Schülerinnen, so um die 15 Jahre schätze ich mal. Der junge Mann, welcher der alten Frau Platz gemacht hat, der Platzmacher sozusagen, steht immer noch. Die Frau mit Stock, der Platz gemacht wurde, lächelt mir zu.
Klick. "Sehr verehrte Fahrgäste. Nun weiß ich etwas mehr. Hinter uns brennt eine S-Bahn und deswegen wurde der Strom auf den Gleisen abgestellt, damit die Feuerwehr dort löschen kann.". Klick. Keine weiteren Informationen. Mit dieser Aussage lässt der Captain uns verehrte Fahrgäste allein. Hinter uns brennt eine S-Bahn. Mein Mann wollte auch so um diese Uhrzeit nach Hause fahren. Entweder hat er eine Bahn vor mir bekommen und ist schon zu Hause, oder er sitzt in der gleichen Bahn wie ich, oder in der brennenden S-Bahn! Langsam werde ich unruhig. Ich hole meine Brille raus, mit der ich einfach besser sehen kann, und gucke mich im Waggon noch etwas genauer um. Mein Mann ist nicht zu sehen. Die Stock-Oma mir gegenüber lächelt mich immer noch an. Das scheint wohl so eine Art Dauerlächeln zu sein. Die Mädchenklicke gegenüber fängt schon an Witze zu machen "Passt auf, gleich sagt der, das wir die brennende S-Bahn sind!". "Genau, der spricht nur von der Bahn hinter uns, damit wir hier nicht in Panik verfallen". Ich denke kurz darüber nach. Wer weiß das schon alles so genau. Ich gucke auf die Uhr. Es ist 17:15 Uhr. Da wollte ich eigentlich schon an der Endstation angekommen sein. Mist.
Klick. "Wenn sie jetzt aus dem Fenster schauen, und dort Rauchwolken sehen, dann sollte sie das NOCH nicht beunruhigen". Klick. Das kann der Mann ohne Namen doch nicht ernst gemeint haben, oder? Der hat sich weder vorgestellt, noch hat er uns gesagt, dass er gerne Witze macht. Was heißt denn hier 'NOCH nicht beunruhigen'? Die Mädchenklicke macht weiter ihre Witze "seht ihr, es ist DOCH unsere Bahn die brennt!". Ich gucke aus dem Fenster und kann aber außer dem Dunkel des Tunnels nichts erkennen. Kein Rauch. Ich schaue zu der lächelnden Oma, die lächelt aber gar nicht mehr. "Das ist heute nicht mein Tag", vertraut sie mir an. "Ich habe heute nur Pech. Der Tag fing schon so komisch an". Na, das macht mir nun auch nicht gerade Mut. "Ach was", sage ich und lächele ihr tapfer zu. Mist, wenn ich doch nur meinen Mann erreichen könnte! Aber im Tunnel hilft einem selbst das beste Handy nicht weiter. Ich schaue vorsichtshalber mal nach. "Kein Empfang" sagt mir das kleine Ding. Si, ich auch nicht. Was soll's? Ich vertiefe mich wieder in meine Spanischunterlagen. Wer weiß wie lange das hier noch dauert? Ändern kann ich an der Situation jetzt auch nichts.
Klick "So, jetzt habe ich weitere Informationen für Sie. Die hinter uns brennende S-Bahn wird jetzt gelöscht. Wenn die Feuerwehr damit fertig ist, dann hat sie Zeit für uns und wir werden evakuiert. Diese Bahn kann leider nicht weiterfahren, daher müssen wir evakuiert werden. Wie das genau funktioniert werde ich Ihnen noch im Einzelnen erklären. Bitte warten Sie auf weitere Informationen" Klick.
Nun macht sich Unruhe im Waggon breit. Die Stock-Oma stupst mich an "Sehen Sie, heute habe ich nur Pech. Wie soll ich denn mit meinem Stock aus der Bahn rauskommen?". Ich bin ratlos. Der Platzmacher schaltet sich nun aber hilfreich ein "keine Sorge, wir kümmern uns um Sie!". WIR? Wer ist denn WIR? Meint der sich und mich? Aber er hat mich gar nicht angeguckt und tut dies im Übrigen auch jetzt nicht. Also war ich wohl nicht gemeint. Wahrscheinlich meint der WIR im Sinne von MAN. Da ist ja auch nie klar wer konkret gemeint ist. Trotzdem bin ich froh, dass jemand zum Reden da ist. "Was passiert denn jetzt?" frage ich ihn. "Das weiß ich auch nicht so genau, aber wir müssen wohl alle aus der S-Bahn hier raus. Mal gucken". Schwups, drückt er den roten Notfallknopf. Klick. "Hallo, hier ist der Fahrer", ertönt es aus dem kleinen Lautsprecher über dem roten Notfallknopf. "Hallo, hier ist ein Fahrgast aus dem letzten Wagen. "Was passiert denn jetzt genau?" fragt der Platzmacher. "Das kann ich Ihnen leider nicht so genau sagen. Ich habe keine genaueren Informationen. Sobald ich mehr weiß melde ich mich wieder über Lautsprecher an alle Fahrgäste". Klick. Nun sind wir auch nicht schlauer als vorher. Aber wir haben den direkten Kontakt zu unserm Captain aufgenommen. Das ist ja auch schon mal ganz tröstlich. Der Mann im Anzug neben mir fängt langsam an zu schwitzen. Kein Wunder, bei ca. 25 Grad mit Anzug in der S-Bahn im Tunnel. Da soll einem wohl warm werden, und dann kommt ja auch noch der Angstschweiß dazu. Ihhhh. Ein ganzer Waggon voller Leute die schwitzen. Das ist aber auch keine schöne Vorstellung. Hoffentlich holt die Feuerwehr uns hier bald raus, bevor die Ersten die Flüssigkeit nicht nur ausSCHWITZEN.
Nun kommt ein Paar auf meine Sitzreihe zugeschoben, beide so um die fünfzig. Der Mann hält seine Frau an der Hand und fragt den neben mir schwitzenden Anzugmann, ob er wohl seiner Frau Platz machen könnte, seiner Frau geht es nicht gut. Der Mann macht sofort den Platz frei und die Frau setzt sich. Ich gucke sie mitleidig an. Sie sieht sehr ängstlich aus. "Wissen Sie, meine Frau hat Platzangst", erklärt ihr Mann uns. Ich biete ihr hilfreich einen Pfefferminzbonbon an. Die Stock-Oma bietet ihr ebenfalls Bonbons an, nur eine andere Sorte. Die Ängstliche greift dankend zu dem Bonbon von der Oma. Das wäre eigentlich ein schöner Werbeauftritt. Welcher Bonbon ist der bessere in der Notfallsituation? Wenn ich hier heil wieder rauskomme, dann kann ich das dem Werbefernsehen vielleicht mal verkaufen. Ich stopfe mir auch erst einmal 2 Bonbons in den Mund, das gibt einem wenigstens ein wenig das Gefühl von Frische. Für so eine S-Bahn-Fahrt sollte man immer ein paar Sachen dabei haben: Taschentücher, was zu Schreiben, Bonbons, Handy (vorausgesetzt man sitzt nicht im Tunnel fest), was zu Lesen und was zum Naschen. Nein, das mit dem Naschen ist auch aus der Werbung, oder? Die Bonbons langen schon.
"Geht es Ihnen denn etwas besser?", frage ich die Ängstliche. "Ja, danke, es geht schon wieder. Eigentlich wollten mein Mann und ich noch in der Stadt eine Pizza essen gehen und ein Glas Wein trinken. Leider haben wir uns dann entschieden erst nach Hause zu fahren und abends dann zum Essen zu gehen. Sonst säßen wir jetzt schön gemütlich beim Essen statt hier in der S-Bahn festzusitzen.". Das ist aber auch immer was mit dem Timing. Wenn ich doch, und hätte ich doch, und, und, und. Das hilft einem ja auch nicht weiter. Es ist wie es ist. Basta. Aber ärgerlich ist es schon. Ich gucke auf die Uhr. Es ist schon 17:40 Uhr. Auf Kino habe ich jetzt auch keine Lust mehr. Selbst wenn ich es noch pünktlich schaffen würde. Im Dunkeln habe ich jetzt schon zu Genüge gesessen. Und ein Film geht hier auch ab. Ein paar Jugendliche sind aufgestanden und werden unruhig. Ein kleines Kind fragt seine Mami, warum es nicht weitergeht. Plötzlich geht das Licht wieder an, zusätzlich zur Notbeleuchtung und der Captain meldet sich.
Klick. "Ich habe eine gute Nachricht für Sie. Die S-Bahn wurde gelöscht. Der Strom konnte wieder angestellt werden und wir werden in Kürze weiterfahren. Wir müssen nicht evakuiert werden, ich wiederhole, wir müssen nicht evakuiert werden.". Klick. Das ist aber wirklich eine gute Nachricht. Ein paar Leute applaudieren. Wie im Flugzeug, wenn der Flieger gelandet ist. Ich habe mal gelesen (bestimmt bei einer S-Bahn-Fahrt), dass das die Anspannung ist, die dann abfällt und die Menschen dann ganz automatisch klatschen. Da scheint wohl was dran zu sein. Wieso sollte man sonst jetzt klatschen? Vorgestellt hat sich der Captain jedenfalls immer noch nicht, außerdem hört er den Applaus gar nicht in seinem Führerhaus da vorn am anderen Ende der S-Bahn.
Die Stock-Oma lächelt nun auch wieder und der Platzmacher guckt auch ganz zufrieden. Ich bin froh, dass die andere S-Bahn gelöscht ist und mein Mann dann bestimmt in Sicherheit ist. Außerdem freue ich mich, dass es sich nun definitiv nicht um unsere Bahn gehandelt hat, die gebrannt hat. Automatisch schaue ich zu der Mädchengruppe rüber. Die planen ihren heutigen Ausgeh-Abend. Der Brand ist schon gar kein Thema mehr. Das ging ja schnell.
Klick. "Ich bitte um ihre Aufmerksamkeit. Diese S-Bahn wird nicht weiterfahren. Ein paar Fahrgäste haben ein Fenster eingeschlagen und sind geflüchtet. Die Fahrgäste laufen wahrscheinlich auf den Gleisen umher, so dass diese S-Bahn nicht weiterfahren kann. Die Feuerwehr wird uns nun doch evakuieren. Wie dies im Einzelnen funktioniert werde ich Ihnen noch mitteilen. Bewahren Sie bitte Ruhe.". Klick. Automatisch schaue ich aus dem Fenster um zu gucken ob ich die Flüchtlinge entdecke. Aber Fehlanzeige. Es ist nur dunkel da im Tunnel. Da ist ein Licht am Ende des Tunnels, am Ende ist ein Licht, la, la, la, fällt mir ein Schlagertext ein. Auch schön. Im S-Bahnwaggon macht sich Unruhe breit. Die Mädchengruppe steht auf und geht zur Tür. Ein paar Jungs kommen dazu und ziehen an der S-Bahn-Tür. Diese öffnet sich ganz einfach und zwei Jungs springen aus dem Wagen heraus. Ist das die Evakuierung? Der Captain hat doch versprochen, dass er sich wieder meldet und uns alles erklärt. Ein Mädchen ist jetzt ebenfalls auf dem Weg hinaus als auf einmal die Tür automatisch wieder zugeht. Das arme Mädchen ist fast draußen, aber der Arm ist noch IN der S-Bahn und nun eingeklemmt. Mir wird jetzt doch ein wenig mulmig. Das erinnert mich so an diese Katastrophenfilme aus dem Fernsehen. Automatisch schiebe ich mir noch einen Bonbon in den Mund, es ist halt wie im Kino. Der Platzmacher und ein anderer Fahrgast bekommen die Tür aber wieder kurzzeitig geöffnet, so dass das Mädchen den Arm aus der Tür nehmen kann und sich nun außerhalb der S-Bahn bei den beiden Jungs befindet. Die Tür geht sofort wieder zu. Also, die Evakuierung war das wohl nicht. Soviel ist klar.
Klick. "Hallo, wir werden jetzt gleich evakuiert. Ich erkläre Ihnen jetzt wie das geht. Pro Waggon wird die erste Tür geöffnet werden. Ich wiederhole, nur die erste Tür. Bewahren Sie bitte die Ruhe und ordnen Sie sich in eine Schlange ein. Die Feuerwehr wird Ihnen aus dem Wagen heraushelfen. Das ist ganz wichtig, Sie dürfen nicht auf die Gleise kommen. Trotz des Stromausfalls ist dort noch eine tödliche Spannung drauf." Automatisch schaue ich zu den drei "evakuierten" Jugendlichen da draußen. Die können das ja gar nicht hören. Hoffentlich treten die nicht auf die Gleise. Ich lausche weiter den Anweisungen. "Die Feuerwehr wird Ihnen dann im Tunnel den Weg weisen. Bitte laufen Sie auch nur diesen Weg und keinen anderen." Klick.
Kaum hat sich der Captain verabschiedet stürzen die Fahrgäste auf und stellen sich in die angekündigte Schlange. Wie auf dem Flughafen. Kaum macht es Bing und die Stewardess sagt das erste Wort in das Mikrofon, schon springen die meisten Urlauber auf und bilden eine Schlange. Am besten gefällt mir dann die Variante, dass die Stewardess dann ansagt, dass bitte erst die Gäste sich einreihen sollen, die in den Reihen X-Y sitzen. Meine Nummer ist sowieso nie dabei, ich gehöre immer zu den "anderen". Na ja, seien wir mal ehrlich, kontrolliert wird das auch nicht und die wenigsten lassen sich davon abschrecken, die steigen trotzdem schon ein und greifen die ganzen Zeitschriften ab. Aber hier geht es ums Überleben und nicht um Zeitschriften. Trotzdem bleibe ich noch sitzen. Die Stockoma sitzt auch noch. Der Platzmacher kommt zu ihr und sagt, sie soll noch etwas warten, er holt sie dann. Wie nett. Die Frau mit der Platzangst und ihr Mann reihen sich nun auch schon ein. Aber es passiert noch nichts. Draußen ist nichts zu sehen. Auf einmal höre ich das Kind. "Guck mal Mama, da draußen gehen Männer mit einer Taschenlampe. Das ist coooool." Tatsächlich und auf einmal geht auch die S-Bahn-Tür auf. Hurra. Nun hält mich aber auch nichts mehr und nach dem Platzmacher und der Oma reihe ich mich auch in die Schlange ein. Der Platzmacher bekommt schon gute Laune und meint, dass es doch toll wäre, jetzt beim Ausstieg eine Fahrkartenkontrolle zu machen. Die Schwarzfahrer müssen dann halt in der S-Bahn bleiben. Ja, das wäre doch die Gelegenheit denen mal die Grenzen aufzuzeigen.
Klick. "Sehr geehrte Fahrgäste. Die Evakuierung beginnt nun. Ich weiß auch nicht ... puhhh ... " Klick. Was war das? Sehr vertrauenserweckend hörte sich das nicht gerade an. "Puhhhhhh" sagt mein kleiner Wellensittich immer, wenn er müde oder kaputt oder beides ist. Der heißt Putzi. Wenn der gut drauf ist, sagt er auch Putzi. Wenn es faul ist, dann sagt er nur Put. Und sonst halt Pu. Daraus schließe ich mal, dass der Captain auch kaputt ist. Aber er hätte sich doch noch mal verabschieden können. Was soll's, ich werde gleich evakuiert und dann höre ich eh nix mehr von dem.
Ich gucke vorsichtig durch die geöffnete S-Bahn-Tür und sehe rechts und links einen Feuerwehrmann jeweils mit einer Taschenlampe ausgerüstet. Beide reichen mir hilfreich eine Hand. Puhhh, an dieser Stelle sie auch mir dieser Ausdruck gewährt, geht das hier tief runter. Wie hat die Stockoma das denn eben geschafft? Na ja, was die kann, kann ich auch. Ich nehme die Hand des rechten Feuerwehrmannes und springe raus. Geschafft. Das war ja gar nicht so schlimm. Vor mir sehe ich schon die anderen und denen laufe ich nun einfach hinterher. Überall auf dem Weg stehen Feuerwehrleute mit Taschenlampen um den Weg zu beleuchten und den Weg anzugeben. Es geht ein paar Meter geradeaus. Immer der Meute hinterher. Hier ist ein richtiger Bürgersteig im Tunnel den wir einfach alle langlaufen. Ganz einfach. Vor mir sehe ich nun schon die ersten Evakuierten einen Linksschwenk machen. Links sehe ich eine Tür und natürlich wieder Feuerwehrleute, die den Weg weisen. Hinter der Tür verbirgt sich ein Treppenhaus und viele, viele Stufen. Auf gehts. Die Treppen scheinen kein Ende zu nehmen, aber wir sind ja auch tief unter der Erde ist ja klar. Nach über zwei Stunden im Dunkeln freue ich mich schon auf das Tageslicht und frische Luft. Etwas Licht kann ich schon erkennen. Noch mehr, noch mehr und es ist geschafft. Ich schaue mit dem Kopf aus dem Erdschacht raus und sehe nur Menschen, Feuerwehr und ein Kameramann hält mir gleich ein Mikro unter die Nase. "Wie fühlen Sie sich?". Gute Frage. Keine Ahnung, meine Hände zittern etwas. Nochmals "Puhhhhhh". Mehr sage ich auch nicht. So ein Rummel hier oben. Es wird auf die Pendelbusse hingewiesen. Nee, jetzt noch mal in so einen Bus? Nachher bleibt der irgendwo in einem Tunnel stecken. Nee, nee, ich habe genug für heute. Ich laufe schnell weg und rufe mit meinem Handy, welches nun endlich auch wieder piept und auf Empfang ist, meinen Mann an. Der freut sich über den Anruf, hat aber noch gar nicht gemerkt, dass ich so spät dran bin. Er ist schon lange zu Hause und mäht den Rasen. Na ja, wenigstens ist er heil nach Hause gekommen. Er holt mich jetzt gleich hier ab, damit ich heil nach Hause komme. Ein Glück. Ich gucke mich um und freue mich, dass es hell ist, dass ich an der frischen Luft bin, dass ich lebe!
Am nächsten Tag steht in der Zeitung leider nur ein kleiner Artikel zu dem Unglück. Ich dachte ja, bei dem Aufgebot an Kameraleuten gibt das mindestens eine Titelseite. Dort steht nur kurz und knapp was passiert ist und dass es drei leicht Verletzte gegeben hat. Der Fahrer der S-Bahn ist mit einem Schock ins Krankenhaus eingeliefert worden. Sein Name ist Stefan Puschmann. Na bitte, das wäre dann also auch geklärt.


Eingereicht am 22. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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