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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"
Selbstverständlichkeiten
©Hana Adel
Sie steht vom warmen Bett auf und wünscht sich einen guten Morgen. Sie schaut sich den Abreißkalender an und liest das Datum ... "Schwachsinn, heute ist schon Montag". Sie will die letzten beiden Daten abreißen, doch um erst sicherzugehen, dass heute wirklich Montag, nicht Samstag ist, nimmt sie die heutige Zeitung ... Oh: Also doch Samstag, der 15. März ...
Sie wischt sich die Augen in der Hoffnung falsch gelesen zu haben. Denn gerade ist ihr eine Erinnerung trüb aufgeleuchtet: Gestern war doch Sonntag! Sie war doch im Raklettabend mit ihren Freunden? Und sie ist deshalb doch so müde ... So müde. Zu müde, um klar zu denken.
Sie wäscht sich das Gesicht, fragt ihre Mutter, ob diese auch wirklich die heutige Zeitung sei ... "Ja" ... Ja: Heute ist wohl Samstag, der 15. März ...
Also ist heute Samstag ... Also muss sie heute gar nicht zur Schule und danach auch nicht zum Training! Sie hat aber nichts für heute geplant? ... denn sie dachte, heute wäre Montag. Sie ist müde. Aber da sie nun wach ist, entschließt sie sich, sich einen schönen Tag zu machen. Also zieht sie sich warm an und geht raus, geht im Park spazieren. Es ist kühl. Bald gehen an ihr auch alte Damen mit ihren Hunden vorbei. Dort am Spielplatz schaukeln ein paar Kinder ... Wie es sich eben so in einem Samstagmorgen gehört.
Bei der Erinnerung an ihrer Verwirrung am heutigen morgen, muss sie lächeln. (Doch die Verwirrung ist nicht spurlos verschwunden.)
Dann geht sie in ein kleines Lokal, bestellt sich Kaffee mit Sahne. Um ihre Unsicherheit jetzt endgültig wegzuschaffen, fragt sie noch den Kellner nach dem Datum: Samstag, der 15. März! " Danke " ... Gottseidank!
Sie macht sich einen schönen Tag. Sie hat ja nichts vor. Für heute war ja nichts geplant. Sie trifft Freunde, geht ins Kino, in die Kneipe. Den Tag will sie genießen, denn jeder andere wird von vornherein geplant. Vom Morgen bis zum Abend. Und nicht nach Lust und Laune, sondern nach Pflicht und Routine. Nur dieser nicht.
Abends kommt sie erschöpft nach Hause. Bevor sie ins Bett fällt, klingelt das Telefon: Ihre Freundin. Gerade will sie ihr über die heutige Verwirrung erzählen, stellt ihr die Freundin eine Frage: Ob ihr der Raklettabend gestern gefallen hat! ... Bevor sie denken kann, legt sie auf. "Das ist gar nicht witzig!"
Panik überkommt sie. Verwirrung. Übelkeit. Angst. Tausend Fragezeichen schießen ihr durch den Kopf. Sie läuft zum Kalender: Samstag, der 15. März ... Unter dem Kalender steht der fast leere Müllkorb. Sie erblickt darin zwei abgerissene Kalenderblätter und greift nach ihnen. Auf ihnen steht: ... Oh Gott! ... Samstag, der 15. März und Sonntag, der 16. März ...
Sie dreht durch! Schaut noch mal auf den Kalender (sie ist ja so müde, so müde und durcheinander): Samstag, der 15. März ... Sie kotzt in den Müllkorb hinein. Sie schreit und hört nicht auf zu schreien ... Sie schreit ... Sie schreit bis nichts mehr zu schreien ist und erholt sich, erholt sich langsam ... vom ewigen Nachgeschmack ... Gottseidank. Gott-sei-dank. Sie hat sich nie über einen Montag so sehr gefreut ... . Es war Montag, der 17. März ... Sie steht vom warmen Bett auf und wünscht sich einen guten
Morgen.
Eingereicht am 16. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.