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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"
Schlampenfieber
©Nadine Hamers
"Oh Gott, wer bist du denn?", war das Erste, das ich dachte, als ich Freitagmorgen in den Spiegel sah.
Eigentlich war es auch eher Mittag als Morgen, aber da ich gerade erst aufgestanden war, sagte meine biologische Uhr mir eben dass es Morgen war. Nur schien meine biologische Uhr wohl irgendwie kaputt zu sein, da sie mir nicht nur die falsche Zeit, sondern auch ein falsches Alter angab. Ich bin 25, sah aber aus wie 50 und fühlte mich mindestens wie 75.
Es war schon erschreckend zu sehen, welche Spuren die Party gestern Nacht in meinem Gesicht hinterlassen hatte. Denn davon, dass es wirklich mein Gesicht war, das mir aus dem Spiegel entgegen blickte, hatte ich mich durch vorsichtiges Abtasten überzeugt.
Entsprechend dem beliebten Spruch "Ich kenn dich nicht, aber ich wasch dich trotzdem" sprang ich unter die Dusche. In Wirklichkeit sprang ich natürlich nicht, dafür war ich viel zu schlapp, aber es klang so besser als zu beschreiben mit welchen langsamen, schleppenden Bewegungen ich mich tatsächlich unter die Dusche begab. Ich kam mir vor wie meine eigene Oma.
Konnte es sein, dass ich langsam zu alt für durchgemachte Partynächte wurde? Ich wollte lieber nicht darüber nachdenken.
Stattdessen ließ ich das warme Wasser über meinen geschundenen Körper prasseln und versuchte damit die Müdigkeit von mir abzuspülen. Mit mäßigem Erfolg. Frisch gewaschen war ich zwar immer noch nicht die Schönste, aber ich erkannte mich wenigstens schon wieder, als ich in den Spiegel schaute.
Den Tag verbrachte ich damit, in meinen ältesten Klamotten auf der Couch zu liegen und in den Fernseher zu starren. Niemand rief an, sosehr ich auch versuchte das Telefon mittels Telepathie zum Klingeln zu bringen und niemand kam vorbei. OK, letzteres war wohl auch besser so, da ich in den Klamotten und ohne Make-Up auch niemandem unter die Augen treten wollte. Wahrscheinlich hätte man mich mit diesem nackten Gesicht nicht einmal erkannt. Trotzdem, ein wenig Gesellschaft wünschte ich mir schon, aber ich hatte
ja niemanden, mit dem ich mich treffen konnte. Ich verbrachte meine Tage immer allein. Normalerweise gefiel mir das auch ganz gut, ich hatte ein ausgefülltes Leben, verbrachte viel Zeit beim Shoppen und ließ mich regelmäßig zum Essen einladen. Es war ja auch nicht so, dass ich keine Freunde hatte, wirklich nicht. Nur hatten die Leute, die ich kannte tagsüber keine Zeit weil sie arbeiten mussten. Ich hatte keinen festen Job und das war mir ehrlich gesagt auch ziemlich egal. Was hätte ich denn schon machen sollen?
Mich interessierte nichts wirklich, außer feiern und das konnte ich so ohne Job ja auch viel intensiver. Ich musste nicht in der Woche früh aufstehen und deshalb schon um zwei von den besten Parties verschwinden, sondern konnte feiern so lange ich wollte. Ich brauchte immer erst nach Hause gehen wenn ich keine Lust mehr hatte und konnte dann schlafen so lange ich wollte. Irgendwer fand sich immer, der mir die Drinks ausgab und dafür sorgte, dass ich eine Menge Spaß hatte. Warum sollte ich es mir mit einem Job
also unnötig schwer machen?
Es war jetzt auch nicht gerade der richtige Zeitpunkt darüber nachzudenken was für einen Sinn mein Leben hatte und wie es in Zukunft mit mir weitergehen sollte, ich musste mich erholen um heute Abend wieder fit zu sein. Trotzdem, ein bisschen Gesellschaft wäre nett, manchmal fühlte ich mich tagsüber doch ein bisschen einsam und gelangweilt. Aber auch nur ein bisschen.
Umso besser war es, als es Abend wurde und ich anfangen konnte mich für die nächste Party heraus zu putzen. Ich fing wie immer zeitig an mich fertig zu machen, da es nun mal eine gewisse Zeit dauerte mich in eine Schönheit zu verwandeln. Das hieß jetzt natürlich nicht dass ich im Normalzustand hässlich war, aber es konnte ja nicht schaden meine Vorzüge etwas hervorzuheben, damit ich nicht nur hübsch sondern umwerfend aussah.
Ich wusch mir die Haare, machte eine Haarkur und ließ sie an der Luft trocknen, damit sie weicher fielen. Dann gönnte ich mir eine Gesichtsmaske und cremte den ganzen Körper mit einer verführerisch duftenden Körperlotion ein. Anschließend machte ich mich an mein Make-Up: abdecken, pudern, Lidschatten auftragen, Kajalstrich ziehen, falsche Wimpern ankleben, Rouge auf die Wangen und Lippenstift auftragen. Nach und nach verwandelte ich mich in ein kleines Kunstwerk. Als ich fertig war konnte ich wenigstens wieder
in den Spiegel schauen ohne mich zu erschrecken. Im Gegenteil, ich fand mich jetzt endlich wieder schön. Richtig schön sogar.
Kaum war mein Gesicht perfekt, ging es am Rest des Körpers weiter: Push-Up-BH, Bauch-Weg-Slip, Strümpfe, die die Beine schön formten, ein Kleid, in dem ich kaum Luft bekam, in dem ich aber sehr schlank aussah und Pumps in denen ich kaum laufen konnte, die meine Beine aber endlos lag erscheinen ließen. Irgendwer würde sich schon finden, der mich stützte, damit ich in den Schuhen nicht das Gleichgewicht verlor.
Derjenige, der gesagt hatte "Wer schön sein will, muss leiden" hatte ja so Recht. Aber ich nahm diese Quälerei gerne auf mich um aus mir von Natur aus eher grauen Maus eine Schönheit zu machen, die auf der Party genügend Aufmerksamkeit erregen würde. Auf den Parties wollte ich im Mittelpunkt stehen und jeder sollte mich bewundern. Darum ging ich schließlich auf Parties.
Als ich auf der Party ankam, stand ich auch wie erwartet direkt im Mittelpunkt und alle starrten mich an. Die Männer bewundernd, die Frauen neidisch. Ich genoss die Blicke, ich hatte ja auch lange genug gebraucht um so super aus zu sehen, da sollte mich auch jeder ansehen. Ich geb ja zu, dass ich diese lässige "Ja, guckt ihr nur"-Pose auch lange genug vor dem Spiegel einstudiert hatte um sie jetzt in Perfektion anwenden zu können.
War mir doch egal ob die Frauen mich für arrogant hielten, auf Frauen stand ich eh nicht. Ich lebte für diese Augenblicke, in denen ich mir unwiderstehlich vorkam und es bis zu einem gewissen Grad sicher auch war. Als strahlender Mittelpunkt der Party hatte mein Leben wenigstens für kurze Zeit einen Sinn.
Ich klammerte mich an den ersten relativ attraktiven Mann, der mir über den Weg lief um mehr Halt in diesen mörderischen Schuhen zu haben. Außerdem fühlte es sich ausgesprochen gut an von diesen starken Armen gehalten zu werden - wer auch immer er war. Wen interessierte schon sein Name oder was er so machte, solange er charmant genug war meine Stütze zu sein und mir zusätzlich noch etwas zu trinken holte. Sobald jemand anderes nettes auf mich zukam, wechselte ich elegant den Männerarm und je mehr Männern ich
auf diese Weise näher kam, desto besser lief der Abend.
Die Party war für mich ein voller Erfolg. Ich trank zuviel, ich flirtete mit allem was männlich war und tanzte auf den Tischen. Die anderen Frauen hassten mich und die Männer lagen mir zu Füßen. So umschwärmt verging die Nacht wie im Flug und ehe ich mich versah ließ ich mich von einer meiner Partybekanntschaften dazu überreden noch mit zu ihm nach Hause zu gehen, um dort noch ein bisschen weiter zu feiern. Was wir auch lange und ausgiebig taten.
Als ich am nächsten Morgen neben diesem Typen erwachte, an dessen Vornamen ich mich nicht mal erinnern konnte, geschweige denn dass ich sonst irgendetwas über ihn wusste, fühlte ich mich nicht mehr ganz so toll. Ich kam mir irgendwie billig vor, weil ich schon wieder im Bett von einem Typen lag, den ich weder kannte noch sonderlich mochte und wünschte mir ich könnte die vergangene Nacht ungeschehen machen.
Da ich das aber leider nicht konnte, beschloss ich zu verschwinden, bevor der Typ wach wurde und es zu einem peinlichem Morgen-nach-den-one-night-stand-Erlebnis kam. Es gibt doch nichts Schlimmeres als dieses verkrampfte "Sehen wir uns mal wieder?" obwohl man definitiv weiß, dass man den anderen nicht wieder sehen will. Jedenfalls wollte ich die Männer nie wieder sehen, wie es sich umgekehrt verhielt weiß ich nicht, weil ich mich immer schon davon schlich während die noch schliefen und ihnen auch nie
meine Telefonnummer oder meinen vollständigen Namen sagte damit sie keinen unerwünschten Kontakt zu mir aufnehmen konnten. Doch ich glaube den meisten war das auch ganz recht so. Keine Verpflichtungen, keine hysterische Tussi, die sich am nächsten Morgen heulend an sie klammerte und etwas von der großen Liebe stammelte. Nur ein bisschen Spaß.
Vorsichtig, um den Typen nicht zu wecken, schlüpfte ich aus dem Bett und sammelte meine Klamotten ein. Auf Zehenspitzen schlich ich aus seinem Schlafzimmer und zog mich im Flur schnell an. In Situationen wie diesen konnte ich mich innerhalb von Sekunden anziehen, aber da kam es ja auch nicht mehr darauf an wie ich danach aussah. Die mörderischen Pumps in der Hand zog ich die Haustür so leise wie möglich hinter mir zu und trat auf die Straße.
Wo zum Henker war ich hier? Als wir gestern von der Party hierher gefahren waren, war ich schon zu betrunken gewesen um auf den Weg zu achten, außerdem hatte ich da ganz andere Dinge im Kopf.
Geld für ein Taxi hatte ich auch keines also musste ich wohl oder über loslaufen und nach einer S-Bahn-Station Ausschau halten. Seufzend ging ich los, tappte mit den nylonbestrumpften Füßen über den kalten Boden und beobachtete die Laufmaschen, die sich an meiner Strumpfhose bildeten. Verdammt, das Ding war sauteuer gewesen und nun ruinierte ich sie. Aber meine Füße schmerzten einfach zu sehr um sie in die teuflischen Schuhe zu quetschen, mal ganz abgesehen davon dass ich ohne sie schneller vorankam.
Es war noch früh am Morgen und außer mir war kaum jemand unterwegs, was auch ganz gut so war, weil die Leute, dir mir begegneten mich so seltsam von oben bis unten ansahen. Einige runzelten die Stirn, andere verkniffen sich ein Lachen, aber alle widmeten mir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Normalerweise fand ich das toll, aber nicht, wenn es sich um negative Aufmerksamkeit handelte. Ich wollte, dass alle mich schön fanden und mich nicht für einen Freak hielten. Als ich in einem Schaufenster mein Spiegelbild sah,
bestätigte sich mein schlimmster Verdacht: ich sah wirklich ziemlich scheiße aus. Mein Make-Up war verschmiert und ließ mein Gesicht so komisch fleckig aussehen, die Maskara betonte nicht mehr meine Augen sondern machte mir Augenringe als hätte ich seit Tagen nicht mehr geschlafen, meine Haare waren zerzaust und glichen eher einem Vogelnest als einer Frisur, ich trug am frühen Morgen ein Partykleid und hatte meine Schuhe in der Hand.
Ich bot ein Bild zum weinen und ehrlich gesagt hätte ich das auch am liebsten getan.
Warum musste ich mich auch immer wieder in so eine Situation bringen? Es war ja nicht das erste Mal, dass ich in so einem Aufzug durch die Straßen lief um nach Hause zu kommen oder halbnackt in der S-Bahn vor mich hindöste weil ich in der Nacht nicht zum Schlafen gekommen war. Und so wie ich mich kannte, war es wohl auch nicht das letzte Mal.
Mein Kopf brummte, der Geschmack in meinem Mund war einfach unbeschreiblich widerlich, meine wunden Füße wurden langsam aber sicher zu Eisklumpen und ich hatte den postkoitalen Moralischen.
Warum musste ich mich auch immer aufführen wie die letzte Schlampe wenn ich doch genau wusste, dass ich mich hinterher beschissen fühlen würde?
Es war ja nicht so, dass ich keine feste Beziehung wollte, auch wenn ich bisher vielleicht den Eindruck erweckt hatte. Nein, ich wollte nur keine feste Beziehung zu den Typen mit denen ich regelmäßig im Bett landete. Das versteht keiner? Kann ich gut nachvollziehen, ich versteh es ja selber auch nicht.
Zum Glück hatte wenigstens das orientierungslose Herumrennen endlich ein Ende und ich entdeckte eine S-Bahn-Station, sogar mit der richtigen Linie. Die Linie, die mich nach Hause bringen würde.
Alles was ich wollte war nach Hause fahren, ausgiebig duschen und damit die Erinnerungen an die letzte Nacht abwaschen und dann ab in mein Bett. Tief und fest schlafen ... und von dem Prinzen träumen, der mein Herz im Sturm erobert und meinem Leben endlich einen Sinn gibt.
Was für ein Schwachsinn!
Ausgeschlafen, frisch geduscht und nach zwei Aspirin sah die Welt schon wieder ganz anders aus. War doch ganz geil gewesen, letzte Nacht. Warum jammerte ich eigentlich die ganze Zeit bloß rum?
Mein Leben war doch schön so wie es war. Ich liebte es doch auf Parties zu gehen und die Nächte durch zu feiern ohne mich um ein Morgen kümmern zu müssen. Ich genoss es zu flirten und mich richtig auszutoben, sei es auf der Tanzfläche oder im Bett. Was sollte ich also ändern und warum?
Ich weiß auch nicht warum ich zwischendurch immer wieder diese moralischen Anfälle bekam in denen ich mir wünschte eine feste Beziehung und einen regelmäßigen Job zu haben. Im Grunde war ich für keines von beidem bereit.
Dann hätte ich ja nicht mehr jeden Abend feiern können bis zum Abwinken und womit sollte man seine Jugend denn sonst verbringen? Ein gesittetes Leben führen konnte ich auch noch wenn ich alt und hässlich war - oder gar nicht.
Ich hatte jetzt auch keine Zeit mehr um länger darüber nach zu denken, ich musste mich für den Brunch mit meiner Freundin Coco fertig machen. Auch wenn ich mich nur mit einer Freundin traf brauchte ich mein Schönheitsprogramm bestehend aus einer Modenschau vor dem Spiegel und diversen Make-Up Versionen bis ich mich für die passende entschieden hatte. Sich zu schminken, wieder abzuschminken und von vorne anzufangen brauchte Zeit, doch die nahm ich mir gerne um perfekt auszusehen. Mit einem schlechten Make Up konnte
ich mich doch nicht mit meiner Freundin Coco treffen. Schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Ehrlich gesagt würde ich noch nicht einmal den Müll runter bringen ohne mich vorher geschminkt und vernünftig angezogen zu haben.
Und gerade wenn ich mich mit Coco traf musste ich mindestens so gut aussehen wie wenn ich auf eine Party ging, da Coco selber auch immer wie aus dem Ei gepellt aussah und ich neben ihr nicht zu einem Mauerblümchen verblassen wollte. Freundschaft hin oder her, ich musste mindestens genauso gut aussehen wie sie. Wenn nicht sogar besser. Und alle, die mich jetzt für eine egoistische, eingebildete Kuh halten, denen kann ich versichern, dass meine Freundin Coco zur gleichen Zeit ebenfalls vor dem Spiegel stand und
sich für diesen Brunch heraus putzte. So war es jeden Samstag.
Und wie jeden Samstag wartete Coco schon in unserem Stammbistro auf mich und sonnte sich in der Aufmerksamkeit der anwesenden männlichen Gäste. Sie hatte sich aber auch einmal wieder selbst übertroffen, wie ich neidisch zugeben musste, als ich ihre frisch erblondete Frisur begutachtete - ob ich mir die Haare auch mal blond färben sollte? Ein neues Leben als Blondine beginnen? Aber nur eine neue Haarfarbe würde auch nichts ändern und eigentlich gefällt mir meine Haarfarbe ganz gut. Ich wollte ja auch nicht unbedingt
als Cocos Zwilling rumlaufen, also lass ich das mit der neuen Haarfarbe besser sein - und anerkennend aber neidisch das hautenge Minikleid musterte, das Cocos perfekte Figur umschmeichelte und ihre neuen Brüste besonders gut zur Geltung brachte. - So eine Oberweite hätte ich auch gern gehabt. Was das wohl gekostet hatte? Wie lange müsste ich sparen um mir auch solche Brüste leisten zu können? Witzig, wovon sollte ich denn sparen, das würde ja bedeuten nicht mehr ausgehen zu können. Keine neuen Kleider mehr, kein
neues Make-Up, keine der verdammt teuren Pflegeutensilien, die ich alle unbedingt zum Leben brauchte... Ich werde wohl ohne neue Brüste auskommen müssen.
"Schätzchen, da bist du ja endlich", flötete Coco, als sie mich sah und ignorierte die stirnrunzelnden Blicke der anderen Gäste. Coco interessierte sich einen Dreck dafür ob sie zu laut war oder andere sich von ihrer schrillen Art gestört fühlten. Wer sich gestört fühlte, konnte ja gehen, das war ihre Meinung - und meine eigentlich auch.
"Tut mir Leid, es ist etwas später geworden", sagte ich und küsste zur Begrüßung die Luft neben ihrer linken Wange, dann das gleiche Schauspiel auf der anderen Seite. Wir hätten uns niemals tatsächlich geküsst, schon gar nicht auf die Wange, das hätte ja unser ganzes Make Up ruiniert, für das wir ewig gebraucht hatten um es so perfekt hinzukriegen. Doch zum Glück waren diese Schickimicki Luftküsschen heutzutage ja die ultimative Begrüßung.
"Ich weiß, Schätzchen, du kommst ja immer zu spät. Ich möchte nicht wissen, wo du dich letzte Nacht wieder rumgetrieben hast. Das heißt, natürlich möchte ich das sehr wohl wissen, mit allen schmutzigen Details. Ich hab das Essen übrigens schon bestellt, ich lade dich ein, muss ja meine neue Kreditkarte einweihen. Wusstest du schon dass ich nächste Woche nach Rom fliege?", quasselte sie direkt drauflos und ich hörte ihr mehr oder weniger aufmerksam zu während ich die Leute um mich herum abcheckte. War
aber niemand interessantes dabei.
Coco war von Beruf Tochter, sie war dazu geboren ein Luxuspüppchen zu sein und bekam von ihrem Daddy die nötige finanzielle Unterstützung um sich ein Leben im Überfluss zu leisten. Ihr Daddy bezahlte ihr ein schickes Loft, kaufte ihre teuren Designerklamotten und schickte sie auf Reisen um ihren Horizont zu erweitern. Dass Coco ihre Urlaube größtenteils in der Horizontalen verbrachte um die Besonderheiten der Einheimischen kennen zu lernen, wie sie es nannte, wusste ihr Daddy natürlich nicht.
Ja, ich gebe zu ich bin extrem neidisch auf Cocos Vermögen. Wir verbrachten beide unsere Zeit damit nichts zu tun außer schön aus zu sehen und auf Parties zu gehen, aber Coco brauchte sich nie Sorgen darüber zu machen wie sie ihre Miete bezahlen und wovon sie sich was zu essen kaufen sollte. Ich weiß, dass ich selber schuld bin, ich könnte mir einen vernünftigen Job suchen und hätte dann ein geregeltes Einkommen, blabla. Doch darum geht es nicht: warum bin ich nicht auch reich geboren worden? Warum habe ich nicht
so einen Daddy wie Coco, der mich mit Geld überschüttete? Das Leben war schon hart und ungerecht.
So verbrachte ich den Nachmittag damit mir Cocos Geschnatter anzuhören und erzählte, als sie fertig war, von der Party gestern Nacht und dem was danach noch so passiert war.
Was Frauen halt zu miteinander besprechen, wenn sie unter sich und schon leicht angeschickert sind. Oder auch ein bisschen mehr angeschickert, das ist Definitionssache.
Coco und ich waren auf eine sehr merkwürdige Art Freundinnen oder vielleicht ist es die einzige Art in der Menschen wie wir befreundet sein können. Wir teilten zwar die schlüpfrigsten Details miteinander, wussten aber im Grunde nichts voneinander. Es fiel mir nicht zum ersten Mal auf, dass ich kaum etwas Wichtiges von Coco wusste. Ich kannte zwar ihre BH Größe und ihre bevorzugten Stellungen, aber ich wusste nicht was ihr im Leben wichtig war, wofür sie sich interessierte und wie sie sich ihre Zukunft vorstellte.
Anders rum war es genau so. Doch vielleicht lag es ja auch daran, dass uns einfach nichts wichtig war, wir uns für nichts außer Parties, schönen Klamotten und Männern interessierten und wir keine konkrete Vorstellung von einer Zukunft hatten. Es konnte doch noch ewig so weitergehen, oder?
So verging der Nachmittag wie im Flug und es wurde Zeit für mich nach Hause zu gehen und mich für den Abend zurecht zu machen.
Das gleiche Schön-mach-Programm von heute Vormittag musste wiederholt werden, was in Anbetracht der Tatsache dass mein Kopf irgendwie in Watte gepackt war, nicht gerade einfacher wurde. Es erforderte schon ein großes Maß an Erfahrung sich noch schminken - und damit meine ich das volle Programm, nach dem frau auch absolut perfekt aussieht und nicht wie ein Clown oder ein kleines Mädchen, das zum ersten Mal in Muttis Schminktasche gewühlt hat - wenn man nicht mehr ganz so klar sah und die Bewegungen, die meine
Hand ausführte nicht wirklich mit den Befehlen übereinstimmte, die mein Gehirn ihr sendete. Vielleicht sendete mein Gehirn ja auch die falschen Befehle, das wäre möglich, jedenfalls hatte ich schon ein wenig damit zu kämpfen meine Bewegungen zu koordinieren.
Am besten machte ich mir erst mal einen starken Kaffee bevor ich mich für ein passendes Outfit entschied. Es war sicher nicht so gut wenn ich bei der Anprobe verschiedener Outfits ständig umfiel. Nachher machte ich mir noch meine schönen Kleider schmutzig oder gar kaputt. Also erst mal ein Kaffeepäuschen machen, nach einer Tasse starken Kaffee käme ich sicher besser zurecht. Oder sagen wir besser nach zwei.
Sicher wäre es nach den Ausschweifungen am Nachmittag sinnvoller gewesen am Abend zu Hause zu bleiben um wieder zu mir zu kommen. Aber ich konnte doch unmöglich an einem Samstagabend alleine zu Hause sitzen! Wie erbärmlich wäre das denn? Nein, das war keine sinnvolle Alternative für mich. Wenn ich alt war würde ich noch viele Samstagabende zu Hause vor dem Fernseher verbringen müssen, da würde ich jetzt bestimmt nicht schon mal mit anfangen. So eine Zeitverschwendung kam gar nicht in Frage! Ich konnte nicht auch
nur einen Samstag verpassen, das ging einfach nicht!
Der Kaffee leistete aber recht gut erste Hilfe und ich konnte damit weitermachen mich aufzubrezeln. Ich war zwar immer noch nicht die Schnellste und musste alle fünf Minuten aufs Klo, aber gute Arbeit brauchte nun mal ihre Zeit, so oder so.
Als es Abend wurde war die Meisterleistung verbracht, ich hatte große Lust mich für die Miss Germany Wahl anzumelden, so toll fand ich mich und ich denke, dass ich mit meiner Selbsteinschätzung auch Recht hatte.
Warum gilt man immer gleich als arrogant und eingebildet nur weil man feststellt dass man gut aussieht? Wenn es doch die Wahrheit ist. Ich finde es viel schlimmer wenn die superschönen Frauen einen auf Mauerblümchen machen und der ganzen Welt erzählen wie hässlich sie sich doch fühlen. So was regt mich wirklich auf. Ich jedenfalls sah klasse aus und hatte auch kein Problem damit das zuzugeben.
In der Disko war schon ganz gut was los, ich hatte aber keine Lust zu tanzen oder meine obligatorische Runde zu machen um zu gucken wer so alles da war, also setzte ich mich nur an die Bar und ließ mir von dem Barkeeper einen Drink ausgeben. Es zahlte sich schon aus, wenn man die Leute kannte und sich gut mit ihnen stellte. Die Getränke selber zu bezahlen hätte ich mir nämlich gar nicht leisten können, mal ganz abgesehen davon, dass ich nicht mal Geld dabei hatte. Wozu auch, irgendwer lud mich immer ein und ich
schenkte ihnen im Austausch dafür etwas von meiner Aufmerksamkeit.
Mein Platz an der Bar war optimal, ich hatte alles im Blick, alle hatten mich im Blick und ich konnte von dort aus herrlich Hof halten. Alle meine "Freunde" kamen vorbei, begrüßten mich mit Luftküsschen und erzählten mir was in ihrem Leben seit letzten Samstag so alles passiert war. In der Regel war das nicht viel und oft genug ertappte ich mich dabei, dass ich ihnen gar nicht richtig zuhörte. Klar, ich hab sie meine Freunde genannt, aber das änderte ja nichts an der Tatsache dass das, was sie sagten,
größtenteils heiße Luft war. Höflich ausgedrückt. Trotzdem lächelte ich jeden an, bezauberte sie mit meinem sonnigen Gemüt und ich bezweifle, dass einer von den Hohlköpfen merkte, dass ich sie für Hohlköpfe hielt.
Aber besser solche Freunde, die großzügig und teilweise sogar recht amüsant waren, als gar keine. Und Spaß haben konnte man mit ihnen immer eine Menge, ich war halt nur noch nicht richtig in Stimmung um mich auf ihre Wellenlänge einzustellen. Doch das würde schon noch kommen, früher oder später. So war es doch jeden Samstag.
Nach einigen Drinks, zu denen meine Freunde mich netterweise eingeladen hatten, gelang es mir auch endlich in richtige Samstag-Abend-Partylaune zu kommen. Ich schaltete mein Gehirn auf Sparflamme und dachte nicht mehr über unnötiges Zeug nach, sondern fand auf einmal jede Bemerkung meiner Begleiter unglaublich witzig und wollte nur noch eins: tanzen bis zum umfallen.
Mit diesem guten Vorsatz stolzierte ich so elegant es noch ging auf die Tanzfläche und hielt nach einem potentiellen Tanzpartner für mich Ausschau. Ich gehörte nicht zu den Leuten, die gerne alleine tanzten, auch wenn das bei der Musik in dieser Disko durchaus möglich war. Ich hatte gern ein Gegenüber, das ich antanzen konnte, sonst fühlte ich mich irgendwie einsam. Da war es egal, dass haufenweise andere Leute auch auf der Tanzfläche waren, ohne festen Tanzpartner fühlte ich mich unwohl. In dieser Beziehung
war ich wohl doch altmodischer als es mir lieb war. Sicher hätte ich auch mit einem meiner männlichen Freunde tanzen können, doch das war mir wiederum zu langweilig. Ich wollte jemand neues, Frischfleisch sozusagen, den ich auf der Tanzfläche von mir begeistern konnte.
Denn dass ich eine fantastische Tänzerin bin, versteht sich ja wohl von selbst. Nach ein paar Drinks bin ich sogar noch besser und es gab Abende, an denen ich mich selbst damit überraschte wie gut ich werden konnte. Aber genug der Prahlerei.
Mit Scannerblick sah ich mich um und da mein Auge in solchen Situationen sehr geübt war, fand ich auch schnell was ich suchte: männlich, gut aussehend, ohne weibliches Anhängsel. Das Zielobjekt war gefunden, jetzt konnte ich zum Angriff übergehen, was bedeutete ein strahlendes Lächeln aufsetzen, mit elegantem Hüftschwung zu ihm rüber gehen und ihn mit einem koketten Augenaufschlag zum Tanzen auffordern. Bei schwierigen Fällen kann es auch nicht schaden, schon mal leichten Körperkontakt herzustellen und eine Hand
auf seinen Arm zu legen mit der man dann leicht zupacken und ihn auf die Tanzfläche ziehen kann. Doch das war in diesem Fall nicht nötig, ist es selten.
Kaum auf der Tanzfläche, gab ich mich völlig dem Rhythmus hin und zeigte ihm wo der Tanzhammer so hängt. Ich hatte mich schon lange nicht mehr so in meinem Element gefühlt. OK, wenn ich ehrlich bin muss ich zugeben, dass ich erst letzten Dienstag ein ganz ähnliches Erlebnis hatte, als ich die Nacht auf einer Party durchtanzte, aber andererseits war das ja auch schon fast eine Woche her, das zählte nicht mehr.
Wie auch immer, Tatsache war jedenfalls, dass ich mich prächtig amüsierte und mein Gegenüber von mir auch ziemlich angetan war. Wer wird es ihm verübeln? Ich war auch ziemlich von mir angetan - von ihm aber auch, da hatte ich mir wirklich ein Prachtexemplar angelacht. Er war ein fantastischer Tänzer und, wie sich später bei einem Drink an der Bar rausstellte, auch sehr charmant, witzig und einfach unwiderstehlich. In diesen Mann hätte ich mich verlieben können und ich ertappte mich schon dabei wie ich ihn mit
großen Augen anhimmelte und an jedem Wort hing, das über seine Lippen kam.
Komisch, so verhielt ich mich sonst nie. Die anderen Männer, die ich sonst so kennen lernte waren auch nett, auf die eine oder andere Art, sonst wäre ich ja nie mit ihnen nach Hause gegangen. Aber die waren eben auch nur nett. Der hier war der reinste Wahnsinn und ich glaube, ich war schon ein bisschen verknallt.
Oder auch ein bisschen mehr, denn im Laufe des Abends sah ich schon unsere gemeinsame Zukunft vor mir: ein nettes kleines Häuschen mit Garten, zwei nette Kinder, einen Hund ...
Was zum Teufel war eigentlich mit mir los?! Seit wann träumte ich von einer Kleinstadtidylle und oder gar von Kindern? Und dann gleich zwei! Und was war mit dem Hund? Ich hatte nicht viel übrig für Haustiere, bei mir gingen doch sogar die Blumen ein.
Mich hatte es wohl ziemlich erwischt, wenn ich mich solchen, für mich völlig untypischen, Träumereien hin gab - und noch dazu am ersten Abend.
Es passte gar nicht zu mir mich Hals über Kopf zu verknallen, aber es fühlte sich unglaublich gut an. Und so ein Traumtyp lief einem ja auch nicht jeden Tag über den Weg. Oder besser: nicht jede Nacht, denn wann lernte man tagsüber schon Menschen kennen?
Heute musste mein Glücksabend sein, ich hatte meinen Traummann gefunden und mit Schmetterlingen im Bauch nahm ich ihn mit zu mir nach Hause.
Auch etwas, das ich bisher noch nie gemacht hatte. Immer war ich mit zu den Männern gegangen, nie hatte ich einen mit in meine Wohnung genommen. Doch der hier war etwas ganz besonderes. Ich wollte nicht nur einen one-night-stand, ich wollte ihn behalten.
Am besten für immer.
Als ich am nächsten Morgen wach wurde, fühlte ich mich so gut wie schon lange nicht mehr, hatte ich doch in der Nacht den Sex meines Lebens gehabt.
Ich hätte nichts gegen eine Wiederholung gehabt, um den Tag auf die angenehmste Art überhaupt zu beginnen, doch als ich mich umdrehte, war das Bett leer.
Irritiert sah ich auf die leere Betthälfte neben mir, in der heute Nacht doch noch mein Traummann gelegen hatte. Doch jetzt war die Bettdecke zurückgeworfen, das Laken zerknüllt - und kalt. Hier hatte schon einige Zeit niemand mehr gelegen.
Immer noch etwas durch den Wind und keinen klaren Gedanken fassend, schlüpfte ich in ein T-Shirt und ging ins Bad. Vielleicht wollte er ja duschen. Doch im Bad war er nicht und die Handtücher waren unbenutzt.
Vielleicht war er ja auch in der Küche und hatte Frühstück gemacht, mit dem er mich wecken wollte. Doch in der Küche war er nicht und alles stand an seinem Platz.
In Wohnzimmer war er auch nicht und so sehr ich auch suchte, ich konnte nirgendwo einen Zettel entdecken auf dem stand wo er war und wann er wiederkommen wollte.
Vielleicht war er ja auch nur schnell zum Bäcker gegangen um frische Brötchen zu holen.
Ja, das musste es sein. Was für eine nette Idee.
In der Zwischenzeit würde ich duschen und mich anziehen, damit er keinen Schock bekam wenn er mich so zerknautscht und ohne Make-Up sah. Schließlich wollte ich ihn nicht direkt am ersten Morgen erschrecken, mein nacktes Morgengesicht war wirklich nicht das schönste, das konnte ich ihm zeigen, wenn wir uns länger kannten.
Jetzt musste ich mich aber beeilen damit ich fertig war wenn er mit den Brötchen zurückkam! Ich trödelte schon viel zu lange hier herum. In Rekordgeschwindigkeit war ich geduscht, geschminkt und angezogen, ich war selber überrascht wie ich das in der kurzen Zeit hin bekommen hatte.
Mit meiner äußeren Erscheinung äußerst zufrieden, machte ich Kaffe und deckte schon mal den Frühstückstisch, er musste ja jede Minute hier sein.
Als der Kaffe fertig war, saß ich immer noch alleine am Küchentisch, stützte meinen Kopf in die Hände und starrte zur Tür. Warum dauerte das denn so lange? Warum kam er nicht endlich? Es war doch nicht weit bis zum Bäcker.
Nach einer Stunde warten schmierte mir halbherzig ein Butterbrot und biss hinein, aber ich bekam nichts herunter. Es hätte so ein schönes Sonntagsfrühstück werden können! Und nun saß ich wieder alleine hier und fragte mich warum mein Traummann im Morgengrauen verschwunden war ohne ein Wort zu sagen oder eine Nachricht zu hinterlassen.
Das war ganz schön fies von ihm!
Ich weiß, dass ich mich oft genauso verhalten hab, aber das war etwas ganz anderes. Da war es immer nur um ein bisschen Spaß gegangen, aber mit dem Mann von letzter Nacht wollte ich meine nähere Zukunft verbringen. Ich hatte schon in Erwägung gezogen seine Kinder zur Welt zu bringen, verdammt noch mal! Da konnte der doch nicht einfach verschwinden ohne "Tschüß" zu sagen!
Den ganzen Tag saß ich neben dem Telefon und versuchte es mit hypnotischen Blicken dazu zu bringen zu klingeln, doch das blöde Ding blieb stumm. Am Abend fiel mir ein, dass er mich ja gar nicht anrufen konnte, weil er meine Telefonnummer nicht hatte. Wie dumm von mir! Dann würde ich ihn eben anrufen, Stolz konnte ich mir in meiner Situation nicht leisten. Aber während ich in meiner Handtasche nach meinem Handy kramte, wurde mir klar, dass die ganze Aktion völlig sinnlos war: ich hatte seine Telefonnummer nämlich
auch nicht. Wir waren gestern Nacht einfach zu sehr mit uns beschäftigt gewesen, da hatte keiner daran gedacht dem anderen seine Telefonnummer zu geben. Was natürlich keine Entschuldigung war, dass er nicht einen Zettel mit seiner Telefonnummer hätte hinterlassen können, wenn er schon verduftete während ich noch schlief.
Zum Glück kam ich auf die glorreiche Idee die Auskunft anzurufen, doch als mich die nette Frau am anderen Ende fragte wessen Nummer ich denn wissen wollte, legte ich ohne ein Wort zu sagen auf. Ich konnte die Auskunft nicht nach seiner Telefonnummer fragen, weil ich seinen Nachnamen nicht wusste. Den hatte er mir nicht gesagt.
Genau so wenig wie seine Adresse, was er so machte oder sonst irgendetwas wirklich Persönliches. Wir hatten aufs heftigste miteinander geflirtet, klar, aber welche wichtigen persönlichen Informationen tauscht man bei so einem Geplänkel schon miteinander aus? Keine die mir jetzt helfen würden ihn zu finden.
Eine kleine fiese Stimmte in meinem Kopf flüsterte mir zu, dass ich es doch immer genauso gehalten hatte: keine persönlichen Details erzählen, anhand derer man mich hätte aufspüren können, keine Telefonnummer oder Adresse raus geben und nur meinen Vornamen sagen. Alles schön anonym halten, damit keiner meiner one-night-stands mich wieder finden konnte.
Scheiße, das half mir jetzt gerade absolut nicht!
Und vor allem, was hatte das mit meiner Situation zu tun? Es war nicht nur ein one-night-stand gewesen, ich war ernsthaft an einer Beziehung mit ihm interessiert und ihm ging es ja wohl genau so, oder? Oder?
Es durfte doch nicht wahr sein, warum passierte mir so was? Da traf ich einmal einen Mann, in den ich mich wirklich verknallte und der machte sich einfach vom Acker. Das war nicht fair!
Enttäuscht und wütend über meine eigene Blödheit heulte ich vor mich hin und es war mir total egal, dass mein Make-Up dabei verschmierte und Flecken auf meinen Klamotten hinterließ. Zum ersten Mal interessierte es mich einen Dreck wie ich aussah, es zählte nur wie schlecht ich mich fühlte.
Und ich hatte niemanden, den ich anrufen und bei dem ich mich ausheulen konnte. Niemand würde mich trösten, weil meine so genannten Freunde um diese Uhrzeit alle unterwegs waren und Party machten. Die hatten keine Zeit für einen Trauerkloß und würden nur zu glücklich sein, dass ich in diesem Zustand nicht in ihre Nähe kam. Unglück und Trauer konnten ja abfärben und ihnen den Abend verderben.
Für einen kurzen Moment verlor ich mich in der wunderbaren Vorstellung, dass mein Traummann morgen mit einem großen Strauß roter Rosen vorbei kommen und sich dafür entschuldigen würde dass er einfach abgehauen war. Er würde mir seine Liebe gestehen und wir lebten glücklich und zufrieden...
Doch das war Quatsch und ich wusste es.
Er würde nicht vorbeikommen weil er mich nicht wieder sehen wollte.
Damit würde ich wohl oder übel leben müssen, so weh das auch tat.
Aber vielleicht war es an der Zeit, endlich mal etwas in meinem Leben zu ändern.
Eingereicht am 15. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.