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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Herr Friedrich

©Iris Schmidt

Exakt um sieben Uhr zweiundzwanzig schlug Herr Friedrich die Haustür hinter sich zu und setzte seinen ersten Schritt auf den Bürgersteig. Eins, begann er, zwei und drei, fuhr er fort, sechs und sieben und acht. Mit kleinen schnellen Schritten lief der Mann über den Asphalt in Richtung Bushaltestelle davon, neun und zehn und elf.
Der Bus war niemals pünktlich, Herr Friedrich brauchte genau einhundertundzwei Schritte bis zum Halt.
Sobald die Türen beim Heraussteigen auseinanderzischten, nahm er das Zählen wieder auf, sobald seine Schuhspitzen die Straße betraten, vierunddreißig Schritte. Er nickte dem Pförtner zu. Er lief durch das Werkstor. Er warf einen schnellen Blick auf die Uhr und vergewisserte sich der Zeit.
Abgestempelt bei siebeneinundvierzig und die Treppe hoch in den zweiten Stock, zweiunddreißig Stufen. Er drückte die Glastür auf, dahinter lag das große Büro. Herr Friedrich ging zu seinem Schreibtisch durch, rückte den Stuhl zurecht, stellte die Rechenmaschine an, legte seine Stifte bereit, rot, grün und schwarz, das Lineal, klappte das Stempelkissen auf, nahm die Rechnungen aus der Schublade, platzierte sie auf die Unterlage, und bereit. Es war sieben Uhr fünfundvierzig, Herr Friedrich atmete durch. Jetzt wurde es ihm leichter, jetzt strich er sich über die bleiche Stirn und rückte den Stuhl noch einmal nach.
Dann begann der Mann mit seiner Arbeit, begann mit der mit der Kontrolle der eingegangenen Rechnungen an, überprüfte die Zahlenkolonnen, die Posten und Daten und Liefermengen. Die Rechenmaschine schnurrte, fraß Zahlen.
Herr Friedrich linierte die Zettelendbeträge in grün, stempelte in der rechten oberen Ecke, hakte dem Stempel schwarz hinterher, umkreiste in rot die Namen der Lieferfirmen, nahm die Rechnungen und schob sie so sorgsam gegen die Vorderkante seines Schreibtisches, dass die Blätter in gerader Exaktheit mit dieser abschlossen.
In größter Konzentration ging dies vor sich und der Mann hob nur pflichtbewusst den Kopf, für einen Augenaufschlag, als der Abteilungsleiter gegen halb neun das Büro betrat. Der schritt den Gang entlang, streute hier und da ein Kopfnicken unter seine Mitarbeiter. Für Herrn Friedrich blieb nie eines übrig, so beugte er sich abermals über seine Blätter und brachte die Rechenmaschine zum Schnurren. Beträge eintippen, summieren, Ergebnis prüfen, unterstreichen, abhaken, Firmenname umkreisen, Zettel ablegen.
Um elf Uhr achtundfünfzig erhob sich der Buchhalter von seinem Stuhl und verließ das Büro. Er stempelte um zwölf, ging hinunter ins Erdgeschoß.
Duftige Bratwürste lagen in der Kantine bereit. Herr Friedrich ließ sich seinen Teller füllen, Kartoffelsalat noch dazu. Kollegen drängten nach und nach in Gruppen herein. Sie setzten sich abseits. Manchmal blickten sie zu ihm hinüber und dann lachten sie, steckten ihre Köpfe zusammen, lachten und tuschelten, dass es Herrn Friedrich ganz bitter vom Magen her aufstieg.
Als er nach der Mahlzeit die vielen Stufen ins Büro wieder hinaufstieg, war ihm oft derart traurig zumute, dass er sich am Ende sogar eine Träne aus dem Augenwinkel wischen musste, bevor ihm diese etwa über die Wange lief. Er schlich zu seinem Platz hinüber, nahm sich die erste Rechnung zur Hand und wie tröstlich klang jetzt das Schnurren der Maschine, wenn er mit den Fingern über ihre Tasten strich.
Das dauerte bis zum Feierabend. Dann räumte er die Zettel in die Schublade, stellte die Rechenmaschine aus, legte das Lineal samt der Stifte, rot, grün und schwarz, in das kleine Schälchen, schloss das Stempelkissen, hängte den Stempel in die Halterung, schob den Stuhl vor den Schreibtisch, warf einen schnellen Blick in die Weite des Büros und verließ den Raum.
Eins, zwei und drei, begann er, sechs und sieben und acht, fuhr er fort, bis in den Bus hinein, bis zur Haustür hin. An manchen Tagen bog er noch zum kleinen Laden ab, um vielleicht ein paar Sachen einzukaufen und vermehrte so seine Schritte um fünfundsiebzig.
Zuhause dann ging das Ordnen weiter, das Systematisieren. Da wischte und putzte er durch die Wohnung, schob und rückte, drehte und wendete, bis jedes Ding auf seinem Platz war, kein Stäubchen mehr sichtbar blieb, und zupfte noch immer an diesem oder jenem und wollte es nicht gut sein lassen.
Sich selber behandelte er darauf mit ebensolch außergewöhnlicher Sorgfalt, ebensolcher Akkuratesse. Das Haar kämmte er so gründlich, so andauernd, dass ihm der Scheitel blutig wurde und schrubbte sich das Zahnfleisch, wusch sich Gesicht und Hände, als sollte das niemals enden. Nachts legte er sich unter straff gezogene Decken und schlief dann so ruhig, derart bewegungslos, dass der faltenlose Zustand seines Bettzeugs bis zum Morgen anhielt, bis um halb sieben der Wecker schrillte.
So reihten sich die Tage aneinander, morgens mit dem Bus zur Arbeit, Schritte zählen, Stufen bis hoch ins Büro, Rechnungen prüfen, abhaken, stempeln, nachmittags wieder heimfahren, Ordnung schaffen, wo eigentlich immer alles in Ordnung war, ein wenig fernsehen vielleicht noch vor dem Schlafengehen.
Oft geschah es, dass er tagelang kein Wort sprach, nicht mal mit sich selber. Wenn er dann in den kleinen Laden ging ließ sich das allerdings nicht vermeiden und da erschrak er dann über seine eigene Stimme, so fremd klang sie ihm, so als würde in seinem Inneren ein Tonband ablaufen.
Irgendwann einmal hatte es angefangen, dieses Einzelleben, diese stumme Existenz, eingebunden in das Geflecht seines Systems aus Zahlen und Pedanterie, irgendwann hatte es begonnen, vielleicht an dem Tag als seine Frau starb, vielleicht später, vielleicht hatte es sich auch leise angeschlichen, immer etwas näher heran und hatte ihn schließlich überwältigt, ohne dass er es großartig gespürt hätte. Ja, eines Tages begann er sonderlich zu werden und man ging ihm aus dem Weg, die Freunde, die Kollegen auch. Seinen Schreibtisch hatten sie beiseite gerückt, der stand jetzt getrennt von den anderen Tischen und selten verirrte sich mal jemand nach dorthin. Hatten sie anfangs noch ab und zu ein Wort mit ihm gewechselt, unterließen sie dies bald vollständig, und dann begannen die Tuscheleien, das Gelächter.
Früher war das ein Leben gewesen, ein wirkliches Leben. Mit der schönen Wohnung in der Vorstadt, seiner Frau, den beiden Söhnen. Er war gesellig gewesen, der Buchhalter, er ging auf Partys, war amüsant. Herr Friedrich arbeitete als Gruppenleiter in der Kreditorenbuchhaltung, war beliebt, war nie kleinlich. Die erwachsenen Söhne gingen irgendwann ins Ausland, die Eheleute lebten in glücklicher Zweisamkeit. Sie reisten viel, besuchten auch die Söhne, wollten zusammen alt zu werden.
Da fand er dann eines Morgens seine Frau tot neben sich im Bett liegen. Der Arzt hatte einen Gehirnschlag diagnostiziert, sagte, sie hätte nicht gelitten, und er verschrieb dem schockierten Witwer Tabletten, damit er ruhig würde.
Und er wurde ruhig, auf seine Art, auf die einzige Art die ihm blieb. Kümmerte man sich zuerst noch um ihn, um ihn und seine Traurigkeit, kehren sie sich dann einer nach dem anderen von dem Witwer ab, man wusste nichts mehr mit ihm anzufangen, er verschloss sich, verstummte.
Herr Friedrich war bald nicht mehr fähig seine Arbeit zu erledigen, er brachte die nötige Flexibilität nicht mehr auf, machte Fehler. Statt ihn etwa zu entlassen, versetzte man den Buchhalter in die Rechnungsprüfungsstelle. Und das lag ihm, die Tätigkeit kam seiner Art entgegen. Es beruhigte ihn, die Zahlen beruhigten ihn, sie zwangen ihn auf eine gerade Linie, zwangen seine Gedanken in eine Form, denn das freie Denken ertrug er nicht mehr.
*
Es geschah an einem Montag, einem ganz gewöhnlichen Tag, nur dass es furchtbar heiß war. Schon das Wochenende über war es sehr heiß gewesen, und jetzt kam noch diese unerträgliche Schwüle hinzu. Die Temperaturen lagen bereits am frühen Morgen über zwanzig Grad und die Luftfeuchtigkeit war derart hoch, dass es den Menschen den Schweiß auf die Stirnen trieb und ein schlimmer Kopfschmerz dahinter entstand.
Um sieben Uhr zweiundzwanzig schlug Herr Friedrich wie üblich die Haustür hinter sich zu und begann mit dem Zählen. Nach einhundertundzwei Schritten stand er an der Bushaltestelle und blickte nervös auf seine Armbanduhr. Das Fahrzeug verspätete sich mehr als gewöhnlich, Herr Friedrich trat von einem Fuß auf den anderen, schickte seine Blicke aus. Es wurde halb acht, es wurde fünf nach halb acht, Herrn Friedrichs Blicke blieben leer. Um sieben Uhr achtunddreißig endlich kam das Fahrzeug, kam langsam heran, stoppte, die Türen zischten auf als sei nichts geschehen, träge. Herr Friedrich hielt die Luft an. Er blieb an der Hintertür stehen und starrte auf die Uhr an seinem Handgelenk, starrte auf die Zahlen, die Zeiger. Jetzt würde alles in Unordnung sein, dachte er, jetzt würde die Unordnung austreiben, in den ganzen Tag hinein.
An der Tankstelle stieg er aus, vierunddreißig Schritte noch, die Werksuhr zeigte drei Minuten vor acht. Das versetzte ihm einen derartigen Schreck, dass er ins Stolpern kam und das Zählen ganz vergaß. Er vergaß auch den Pförtner zu grüßen und hastete vorwärts zum Bürohaus hinüber. Beim Stempeln dann zitterte ihm die Hand, dass er beinahe die Karte nicht ins Gerät bekam, fasste zuletzt mit beiden zu und stach sie hart hinein.
Oben angekommen zitterten ihm jetzt auch die Knie. Er sank auf seinem Bürostuhl nieder, saß so eine Weile regungslos, bis das pochende Herz sich etwas beruhigt hatte und einen langsameren Rhythmus annahm.
Jetzt begann er seine Sachen zu ordnen, hastig, den Stempel, die Stifte, er rückte am Stuhl herum, nahm die Rechnungen aus der Schublade, setzte die Maschine in Betrieb. Doch sie war schon nicht mehr einzuholen die Verspätung, diesen Verzug, den der Bus verursacht hatte und das lag ihm schwer im Magen. Es geriet ihm alles durcheinander, seine Gedanken, die Arbeit. Mit dem Hemdsärmel stieß er an das Stempelkissen und er holte sich einen großen Fleck darauf, die Stifte rollten ihm wiederholt von der Unterlage und beim Überprüfen der ersten Rechnung zeigte sich eine Differenz im Sichtfenster der Rechenmaschine, eine Unstimmigkeit, die durch die fehlerhafte Eingabe der Zahlenkolonnen entstanden war. Bei abermaliger Kontrolle vergrößerte sich die Differenz. Erneut löschte er die Zahlen, wiederholte den Rechenvorgang und erneut stimmte das Ergebnis nicht.
Bleib ruhig, fass dich, sprach er zu sich. Ergebnis löschen, Zähler auf Null, noch mal beginnen, seine Finger eilten über die Tastatur, dann die Summe, falsch. Herr Friedrich fuhr sich mit der Hand durch die Haare, schnappte nach Luft.
Ein Geflüster erhob sich bald rings um ihn, die Kollegen schauten verstohlen von ihren Schreibtischen hoch und schüttelten die Köpfe über diesen verwirrten Mann. Der geriet jetzt vollkommen außer sich, die Zeit lief ihm davon und das Ergebnis wollte und wollte nicht stimmen.
Ich schaff es heute nicht …, murmelte er leis vor sich hin, niemals, heute nicht, schaff es nicht ... schon gleich halb zehn. Weiter hasteten seine Finger über die Tasten der Rechenmaschine, der Tippstreifen häufte sich zu Kringeln vor seinem Schreibtisch. Achtunddreißig ... acht und drei ... dann das Komma, die fünf ... zweiundachtzigdreiundvierzig ... eine zwei, eine acht, das Komma ... Ziffer drei und vier, zwölfachtzig, ... nur keinen Fehler machen ... pass auf ... langsam ... eine zwei, eine eins ... nein, nein, ach! Er löschte die Zahlen, stellte die Anzeige auf Null und begann erneut. Acht und drei ... die fünf und zwei und acht ... ...
Die Zahlen begannen bald vor seinen Augen zu tanzen, bis ihm ganz schwindlig davon wurde. Herr Friedrich lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Bleich, mit aufgerissenem Blick starrte er auf das Blatt. Was ist mit mir ... ? Was ist denn heute nur ... ? Mit dem Taschentuch tupfte er sich den Schweiß von der Stirn, bemerkte dann sein Haar, dass stand ihm wirr vom Kopf ab und er versuchte es mit der Hand zu glätten. Doch das gelang ihm schlecht. Er stand auf, mit wackligen Schritten, trat vor den Garderobenspiegel der hinter den Schubfächern hing, holte seinen Kamm aus der Gesäßtasche und begann die Frisur zu ordnen, kämmte und kämmte, strich sich die feinen braunen Strähnen glatt, strich sie glatt um seinen Kopf, holte wohl unzählige Male mit dem Arm aus.
Das beruhigte ihn, dieses Gleichmaß der Bewegung, der Rhythmus. Da kam wieder so etwas Ordnung in seine Gedanken, das Durcheinander darin ließ nach. Da steckte er den Kamm zurück in die Gesäßtasche, setzte sich an seinen Schreibtisch und nahm seine Arbeit wieder auf. Herr Friedrich wiederholte die Eingabe der Zahlenkolonnen. Und da gelang es, die Summe der Rechnungen stimmte mit dem Ergebnis im kleinen Sichtfester überein, als sei da Hexerei am Werk gewesen. Herr Friedrich atmete auf. Er nahm den Stempel, tupfte ihn auf das Stempelkissen, drückte ihn auf den Zettel. Doch zu fest, der Stempel rutschte weg, geriet schief. Bei dem Versuch diesen misslungenen Abdruck mit seinem Handballen wegzuwischen, riss der Zettel. Ein Schrei fuhr ihm aus der Kehle. Die Kollegen klopften sich mit den Zeigefingern gegen ihre Stirnen, kicherten. Herr Friedrich griff nach dem Tesafilm und klebte einen Streifen über den Riss. Mit Tippex versuchte er die über die Schrift verschmierte Stempelfarbe zu überdecken. Vorsichtig tupfte er mit dem Pinselchen darüber, blies es trocken und unternahm dann einen neuen Stempelversuch. Auch der geriet schief, auch der wurde mit Tippex überdeckt. Es fuhr ihm heiß und kalt durch die Glieder. Plötzlich erhob er sich von seinem Stuhl, stand eine Weile starr im Raum, begann schließlich ein paar Schritte zu laufen, lief bis zur Wand, kam wieder zurück, lief erneut bis zur Wand. Dabei murmelte er beständig etwas vor sich hin, das so klang wie: sei ruhig oder beruhig dich. Herr Friedrich stelzte herum mit geballten Fäusten und zählte seine Schritte. Als er auf die fünfzig traf ging er zurück auf seinen Platz, nahm einen tiefen Atemzug, streckte seine Hände über den Schreibtisch aus, um zu prüfen, ob sie noch zitterten, nahm vorsichtig den Stempel auf und mit angehaltenem Atem presste er ihn in die rechte obere Ecke des Blattes, nun völlig gerade. Ja, so ist es gut ... flüsterte er bei sich, so sieht es schon niemand ... Jetzt die Stifte ... zuerst das Rot ... nein, nein, nicht das Rot! Ohh, nicht das Rot! Grün, es muss grün sein, ja, grün ... Er malte mit dem grünen Stift über das Rot und es entstand ein furchtbarer Braunton. Abermals griff er zum Tippex, übermalte weiß den falschen Strich, versuchte es erneut in grün. Doch das Tippex war noch nicht getrocknet und so verschmierte alles, auch der Stift. Die Verwirrung kam wieder, die Gedanken wurden nicht mehr klar. Es sauste in seinem Kopf, es dröhnte und rauschte und vor seinen Augen begann ein Flimmern. Mit den Fingernägeln versuchte er das Weiß vom Stift zu kratzen. Es gelang ihm halbwegs, doch ein ordentlicher Strich ließ sich nicht mehr damit ziehen. Ich muss es schaffen ... sprach er, jetzt schon nicht mehr flüsternd, ich muss, ich muss ... Der Strich jedoch blieb fleckig.
Herr Friedrich schaute auf seine Armbanduhr. Es war kurz vor halb zwölf und diese Erkenntnis versetzte ihm einen weiteren Schreck. Ich muss es schaffen ... begann er wieder, ich muss ... der Betrag wird grün sein, grün, ich muss es schaffen ...
Als es auf zwölf Uhr zuging erhoben sich die ersten Kollegen, um zur Mittagspause zu gehen. Herr Friedrich saß tief über seinen Schreibtisch gebeugt und zog wohl zum unzähligsten Mal den grünen Strich unter dem Betrag nach und dabei sprach er unentwegt.
Sie gafften zu ihm hinüber, sie steckten die Köpfe zusammen und warteten nicht, bis sie im Treppenhaus waren, um mit dem Tratschen zu beginnen. Frau Blumig von den Debitoren trieb es besonders arg. Als sie an seinem Schreibtisch vorbeiging, konnte sie nicht an sich halten.
- Na, Herr Friedrich! Machen Sie denn heute keine Mittagspause? Und schon brach sie in ein Kichern aus, hielt sich die Hand an den Mund.
Da geschah es, dass Herr Friedrich auf einmal den Kopf hob und sie ansah, mit weit aufgerissenen Augen.
- Ja, was wollt ihr denn alle von mir ... ? rief er mit einer Stimme, die so unheimlich klang, so schaurig, dass Frau Blumig nach hinten stolperte.
Jetzt machten sie sich alle schnell davon, so gespenstisch wurde es ihnen auf einmal zumute und begannen erst wieder mit dem Flüstern, als sie schon weit im Treppenhaus standen.
Niemand hätte genau sagen können was darauf geschehen war. Doch als die ersten Mitarbeiter von der Mittagspause zurückkamen, fanden sie Herrn Friedrich neben seinem Schreibtisch auf dem Boden hocken. Einen Haufen mit Rechnungen hatte er zwischen seinen Füßen liegen, um ihn verstreut lagen zerknüllte Tippstreifen und Papiere. Herr Friedrich blickte zu ihnen hoch und er lächelte. Dann griff er nach einen der Zettel, knüllte ihn zwischen seinen Händen zusammen und warf ihn beiseite, nahm den nächsten, knüllte ihn zusammen, warf ihn hinter sich.
Man sprach ihn an, schüttelte ihn an den Schultern, jemand ohrfeigte ihn sogar. Herr Friedrich fasste sich an die Wange, verzog den Mund, so als wollte er grad mit dem Weinen beginnen, brach dann plötzlich in schallendes Gelächter aus, lachte und lachte und hielt sich die Hände an den Bauch und dabei rief er ständig; Grün, der Betrag muss grün sein, grün, grün ...
Die Kollegen lagen auf den Fensterbänken. Die Sanitäter schoben die Trage in den Krankenwagen, zurrten noch einmal die Gurte fest. Die Türen wurden zugeklappt, das Fahrzeug rollte langsam vom Werksgelände.
Man konnte es noch nicht sehen, die Gewitterfront zog von der Rückseite heran. Ein Windstoß rauschte durch die Baumreihen, fegte über den Platz, fegte den Staub zu Wirbeln auf. Dann der Regen, ganz plötzlich. Die Tropfen schlugen so hart auf den Stein, gegen die Scheiben, dass die Leute von Fenstern zurücktraten.
- Das lag ja schon heute Morgen in der Luft, sagte Frau Blumig.
- Ja, endlich wird es etwas kühler, diese Schwüle schlägt mir jedes Mal derart auf den Kreislauf, setzte Frau Klein hinzu.
Und sie gingen zu ihren Schreibtischen zurück.


Eingereicht am 10. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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