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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Zügle deine Sucht

©Maria Datzreiter

Wenn ich hungrig bin, fühle ich mich wie ein drogenabhängiger, der für den nächsten Schuss alles tun würde. Ich irre in der Stadt umher, um möglichst schnell ein Lokal zu finden. Alles zu, wie ferngesteuert, den vielen Lichtern folgend, schleppe ich mich durch die vielen Gassen. Endlich ein Lokal, nicht gerade das, was ich mir aussuchen würde, wenn ich nicht in dieser aussichtslosen, für mich lebensnotwendigen Situation wäre. Egal, ich fühle mich schon psychisch und physisch so schwach, vom Herumirren und den Gedanken meinen Magen zu füllen, dass ich dieses Lokal betrete. Es ist ein China Restaurant, mit dieser beruhigenden Musik, die, wenn man sie länger hört, aber in das Gegenteil umschlägt. Als ich Platz nehme, komme ich mir doch etwas einsam vor, denn außer mir, dem Kellner und einem dicken goldfarbenen Buddha, in Mitten des Raumes, ist niemand zu sehen. Ich bestelle einen Drink und studiere die Speisekarte. Diese merkwürdigen Nummern vor jeder Speise, die mir so sinnlos erscheinen, müssen doch irgendeine Bedeutung haben. Egal, mein Blick schwenkt etwas nach unten, wo ich am Tischtuch Schmutz entdecke, der von einem meiner Vorgänger sein dürfte. Doch dieser Vorgänger ist schon vor längerer Zeit hier gewesen, so wie dieser Fleck bei näherer Betrachtung aussieht. Meine Augen schlendern weiter zu den Tischen und Bänken, alles abgesessen, aber von wem, ich bin doch alleine hier. Plötzlich wird mein Hunger zur Nebensache, in meinem Magen steigt ein eigenartiges Gefühl hoch, ich habe keinen Hunger mehr, ich will nur weg. Gerade in diesem Augenblick fragt mich der Kellner ob ich schon gewählt habe. Mit meinem etwas zittrigen Finger zeige ich auf die Nummer 13, ohne gelesen zu haben, bestelle ich dieses Gericht. Jetzt wo ich bestellt habe, bleiben mir doch mindestens fünfzehn Minuten zu überlegen, was es mit diesem Lokal auf sich hat.
Es ist unheimlich und dieser Buddha, der mich ständig angrinst, fast so als würde er mich auslachen und im Hintergrund diese immer lauter werdende, aufdringliche Musik. Ich überlege, was ich bestellt habe, sollte ich das auch wirklich essen, kann das frisch sein, wo doch niemand außer mir etwas isst. Ich starre auf die Eingangstüre, in der Hoffnung doch noch andere Gäste zu erblicken, aber es bleibt stumm, kein Windzug, der mir die Bewegung der Türe spüren ließe. Im Hintergrund höre ich den Koch, er hackt irgendetwas, oder ist es nur Täuschung und mein Essen ist schon seit Tagen in einer dieser ungewaschenen Pfannen und wird nur noch erwärmt. Die Musik wird immer lauter, als würde ein Musiker hinter einer dieser kitschigen Plastikwände sitzen und spielen. Wahrscheinlich der Koch, denn mein Essen ist ja schon seit Tagen fertig und für ihn braucht man keinen Strom zu bezahlen.
Ich erschrecke, der Kellner steht vor meinem Tisch, das Essen in der Hand und ein Lächeln im Gesicht, das dem des Buddha ähnlich ist. Wie eine Katze, ganz unbemerkt, hat er sich an meinen Tisch herangeschlichen. Er wünscht mir noch guten Appetit und verschwindet hinter einer dieser Türen, wo man nicht weiß, befindet sich dahinter die Toilette oder die Küche. Gut ist mir schon lange nicht mehr und der Appetit ist mir durch meine visuellen Eindrücke restlos vergangen. Ich koste vorsichtig, der Geschmack ist nicht definierbar, doch, ich schmecke altes, ranziges Fett, das sich über meinen Gaumen langsam in Richtung Hals ausbreitet. So rutschen auch ein paar dieser gebratenen Nudeln mit, die ich noch gerne zurückziehen würde, doch es ist zu spät, sie sind weg. Weg in Richtung Magen, der nun große Mühe mit ihnen haben wird. Nach dem ersten Versuch krame ich in meiner Handtasche um irgendetwas zu finden, dieses Zeug loszuwerden. Ach hätte ich doch gestern nicht diese Plastiktüte aus meiner Handtasche entfernt. Doch da starrt mich dieser Kellner wieder an als würde er meine Gedanken lesen. Wahrscheinlich weiß er, dass die letzten Gäste nach demselben suchten und vielleicht hatten einige mehr Glück als ich. Langsam ziehe ich meine Hand wieder in Richtung Tisch, aber ich bringe die Gabel nicht zum Mund, es ekelt mich so sehr.
Wie im Gefängnis komme ich mir vor, der Kellner als Wärter und der Koch der richtet.
Ein Segen mein Handy läutet, ich komme schon, sage ich nur kurz angebunden und bitte den Kellner um die Rechnung.
Plötzlich wird diese Musik noch lauter, fast aggressiv, man möchte meinen, meine Bestrafung naht. Doch der Kellner kommt mit der Rechnung und einem kleinen Gläschen mit rotbrauner Flüssigkeit darin. Ich greife danach, es ist warm, fast heiß, aber als ich es zu den Lippen führe, kommt mir wieder dieser ranzige Geruch von altem Öl in den Sinn und ich lehne dankend ab. Schnell greife ich zu meinem Mantel und verschwinde, aus diesem seltsamen Lokal.
Nach diesem Erlebnis, fühle ich meine Sucht schwinden und mein Drang nach Essen zügelt sich.


Eingereicht am 10. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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