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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Urlaubs-Orakel

© Clara Bruning

Sonne, Strand und Meer! Begriffe, die Wohlgefühl, Spaß und Freude suggerieren. Meine Freundin Lisa und ich, zwei lebensfrohe Singles, blättern interessiert in Reiseprospekten, wir suchen etwas Passendes für uns. Beruflich geht es uns gut, nur die Liebe, die kam bisher in unserem Leben nicht vor. Keine Zeit, keine Gelegenheit, was auch immer. Das wollen wir ab sofort ändern! Wir suchen Sonne und das optimale Urlaubsvergnügen. Aber wo? Italien? Ibiza? Mallorca?
Mallorca ist in aller Munde, eine angesagte Insel, nur uns beiden noch unbekannt.
Sollten wir es nicht mal hier versuchen?
Wir lassen uns im Reisebüro beraten und buchen kurz entschlossen einen Flug nach Palma, Hotel und Leihwagen eingeschlossen. Ein ruhiges Hotel ist natürlich wichtig, zum Ausschlafen und Erholen nach aufregenden Unternehmungen.
Unsere nette Buchhändlerin versorgt uns mit Reiseführern, der ADAC mit einer perfekt ausgearbeiteten Reiseroute quer über die Insel und die Dame im Reisebüro gibt Tipps aus erster Hand. Bestens ausgerüstet starten wir also mit dem Flieger zur Lieblingsferieninsel der Deutschen. Nach der Landung geht es mit dem Leihwagen direkt nach Port d'Andratx. Ein Hafenstädtchen mit romantischem Yachthafen und internationalem Publikum - eine Empfehlung unserer Reisebüro-Dame.
Es geht gleich ins Hotel, Koffer auspacken und ausschlafen ist angesagt.
Spät am nächsten Morgen genießen wir entspannt das ausgiebige Frühstücksbuffet, danach stürzen wir uns in die geplanten Abenteuer.
Gut gelaunt und unternehmungslustig schlendern wir durch Port d'Andratx.
Südliche Atmosphäre, hübsche Sträßchen. Das Hafengebiet übt sich leider noch in vornehmer Zurückhaltung. Allein auf den Yachten ist reger Betrieb, es wird "klar Schiff" gemacht für die nächste Reise. Die wenigen Seeleute in den Hafen-Cafés wirken gelangweilt und uninteressiert. Es ist absolut nichts los! Wir sind hier mit Sicherheit um die Mittagszeit am falschen Ort und steigen schnell in unseren Seat. Der bringt uns ohne Zögern zum Mittelpunkt feuchtfröhlicher Geselligkeit, nach Arenal. Auch hier ist nicht die richtige Zeit. Es ist früher Nachmittag, denkbar schlecht für Feste und Fêten. Der berüchtigte Ballermann liegt friedlich und hochanständig in der Nachmittagssonne. Niemand lässt sich sehen. Über uns der Himmel in strahlendem Blau, der feine Sandstrand lockt und lädt zum Barfußgang ein.
Das Angebot nehmen wir gerne an, ziehen unsere Schuhe aus und laufen durch den Silbersand, der wie Sternenstaub glitzert. Wir gehen ohne Unterbrechung und genießen ohne Ende! Die Sonne meint es gut. Von der Strandpromenade her grüßen in regelmäßigen Abständen die bunten Kioske. Sie wirken verschlafen. Siesta!
Ein kurzes Aufatmen vor dem abendlichen Ansturm.
Urlaubsstimmung! Es könnte nicht schöner sein - nur leider nicht die richtige Tageszeit für Paella und Sangria aus Riesenstrohhalmen. Die lärmenden Touristen fehlen, sie stärken sich in den Betten der Hotelburgen für ein anstrengendes und ausschweifendes Nachtleben.
Wir zwei warten nicht die Nacht ab, wir fahren weiter und suchen das pulsierende Leben in Palma, der Hauptstadt der Insel. Altstadt, Hafen, Cafes, das alles genießen wir in vollen Zügen, erobern mit den Touristenströmen die Kathedrale.
Diese Kostprobe heute war beeindruckend! Wir werden noch einmal zurückkommen, Kirche, Stadt und Hafen sind es Wert, genauer unter die Lupe genommen zu werden! Für heute war's das.
Zurück in Port d'Andratx setzen wir uns in ein Straßencafé, genießen eine Paella und den Sternenhimmel. Und langsam erwacht das Leben im Hafen.
Vom nächsten Tag an erkunden wir die Insel genauer. Wir suchen die herrlichen Strände, liegen im Sand und machen nette Bekanntschaften. Geschickt wehren wir allzu eindeutige Angebote ab, durchtanzen manche Nacht und haben jede Menge Spaß - nur der Liebe, der begegnen wir nicht. "Man kann eben nichts erzwingen", ein geflügeltes Wort meiner Freundin Lisa. Wir benehmen uns in diesen zwei Wochen wie alberne Teenager, die das Leben ausprobieren wollen, locker und offen für alles.
Unser Seat trägt uns sicher über die Höhenstraße nach Valldemossa. Ein ADAC-Tipp. Wir besichtigen das ehemalige Kartäuser-Kloster, in das sich Chopin mit George Sand zurückgezogen hatte. Die Kartause thront wie eine Festung hoch oben und überblickt majestätisch das grüne Tal. In langen Prozessionen trippeln Touristen durch die Räume, entweihen die stillen Klosterzellen mit lautem Gebrabbel. Der Führer durch das ehrwürdige Gemäuer hat Mühe, sich bei der allgemeinen Unruhe verständlich zu machen.
Im Raum des Priors steht ein sagenumwobener Abtstuhl. Über ihn lasen wir, dass derjenige, der einen Ehewunsch hat und sich darauf setzt, innerhalb eines Jahres erhört wird. Eine gängige Touristenstory, viel belächelt.
Aber weiß man, ob nicht vielleicht doch... Eigentlich sollte man ja nichts unversucht lassen!
Ich erklettere verlegen lächelnd diesen Wunschstuhl und drücke mir heimlich, von niemandem bemerkt, die Daumen. Gedanken sind ja bekanntlich frei! Und meine sind im Moment ganz intensiv nur darauf ausgerichtet: "Ich will nicht mehr alleine durchs Leben gehen!" Freundin Lisa schmunzelt und fotografiert. Sie selbst lehnt solchen Hokuspokus für sich ab!
Wir machen weiter unsere Inselrunde, sehen viel, erleben viel, nur wirklich echte Freundschaften oder die Liebe - die finden wir nicht. "Es lässt sich halt nichts erzwingen!" Vielleicht sind wir zu spröde? Oder wirken wir unnahbar?
Wie es auch sei, wir packen als Singles wieder unsere Koffer und treten die Rückreise an.
Im Flughafen stolpere ich über eine blöd abgestellte Tasche und falle der Länge nach hin. Sofort hilft mir ein Gentleman behutsam auf die Beine und entschuldigt sich verlegen für seine Schusseligkeit. Ein Engländer? Ein Amerikaner?
Groß, gepflegte Erscheinung. Wow! Lachende Augen, ein unwiderstehlich fröhliches Grinsen! Sympathiefunken sprühen! Er stellt sich vor. Ich verstehe nur seinen Namen "Richard" - mehr nicht! Wir reden miteinander. Mir fehlen natürlich vor Aufregung die passenden englischen Worte und so stottere ich hilflos und verlegen herum. Er reicht mir seine Visitenkarte. Schnell tauschen wir unsere E-Mail-Adressen aus, dann werden wir gnadenlos durch die Lautsprecheranlage auseinander gerissen. Letzter Aufruf: Sein Flieger nach Chicago geht in wenigen Minuten! Kurzer Händedruck, langer Blick! Good bye!! Er schnappt seine Reisetasche, winkt fröhlich und springt davon ... Ich bleibe verwirrt zurück. Puh, das ging wie ein Wirbelsturm über mich weg! Eine nette Episode!?
Lisa bekam von all dem nichts mit, sie war mit dem Einchecken beschäftigt.
Als sie zurückkommt, findet sie mich total verdattert vor. Sie sieht auf den Zettel in meiner Hand, schüttelt verwundert den Kopf und hört sich schmunzelnd meine knappe Erklärung an. Energisch nimmt sie mich an die Hand: "Dich kann man auch nicht mal ein paar Minuten alleine lassen!" Gemeinsam streben wir zur Abfertigung, denn auch für uns ertönte inzwischen der Aufruf zum Abflug. Es geht in Richtung Heimat, unser Urlaub ist unwiderruflich zu Ende!
Zu Hause angekommen hat uns der Alltag schnell eingeholt. Nur die schönen Erinnerungen an Urlaub, Sonne, Meer und Strand bleiben uns. Das war's dann aber auch.
Bis, ja, bis Tage später eine Mail ankommt! Der Amerikaner - ja, der vom Flughafen - meldet sich. Er hat mich tatsächlich nicht vergessen!
Es entwickelt sich mit Richard eine überaus interessante Verbindung, die zunehmend persönlicher und herzlicher wird. Wir finden viele Gemeinsamkeiten und stellen fest, dass wir uns ineinander verliebt haben. Orakel? Zufall? Fügung?
Nach über einem Jahr und einigen Flügen über den großen Teich bin ich, wie die Legende voraussagte, mit Richard verlobt und auf dem besten Wege, meine Zelte in Europa abzubrechen ...


Eingereicht am 03. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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