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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"
Danach 2
©Robert Zobel
Dampf steigt aus der Wanne und legt sich als matter Film auf den Spiegel und die Fenster. In Inseln aus Bläschen, nach Vanille duftend, sitzt Sandra mit angezogenen Knien, die sie mit ihren Armen gegen ihre Brüste umschlungen hält. Von ihren roten Wangen stürzen Tränen ins Wasser und zarte Ringe branden an ihren Leib.
Der weiche Schaum schwimmt ineinander, teilt sich, verschwindet leis knisternd und prickelt überall dort, wo die Inseln an Haut anlegen.
Sie zittert, schickt winzige Wellen durchs Nass, schwitzt und bekommt zwischen dem Schluchzen nur wenig Luft. Ihr ist kalt und gleichzeitig heiß.
Ein winziger Rest Seife schwimmt am Badewannenrand entlang. Unzählige Male hat sie das Seifenstück über ihre Haut gerieben. In wenigen Momenten wird es sich auflösen und nur einen Fleck Weiß hinterlassen.
Diese dunkle, brutale Schicht auf ihr, die sich immer weiter in ihren Körper frisst, hat es nicht beseitigt. Nur die Haut ist rot, brennt und schmerzt.
Wenn sie ihre Lider schließt, holt sie die nahe Vergangenheit ein. Dieses schwitzende Gesicht, die starren, wahnsinnigen Augen, das höhnische Grinsen und dieser widerliche Geruch. Ekel breitet sich von den Schultern zum Magen aus. Das Herz pocht wie wild, ihr wird schlecht und sie erbricht sich prustend auf die kalten Kacheln. Sie fühlt sich schwach und unsagbar leer.
Mit brachialer Gewalt hat er ihr die Bluse zerrissen. Wie in Zeitlupe sieht sie die Knöpfe durchs Zimmer springen. Alles weitere zog unwirklich an ihr vorbei. Die Angst fesselte ihre Reflexe. Mit einem raschen, harten Ruck zog er ihre Hose zu Boden und nahm ihre Seele, ihren Stolz, ihr Vertrauen, ihr Lachen und ihr Leben.
Unfähig zu schreien, rannen ihr die Tränen, sie spürte die giftige Haut des Mannes an sich schlagen, seine Hand in ihren Haaren und brach dann zusammen, als er sich in ihr injizierte.
Sie spürt ihn immer noch, hört sein Schnaufen, fühlt die Stellen, die er berührte wie faulige Flecken und sein Gestank klebt noch fest an ihrer Haut.
Steif und zitternd horcht sie in die Stille und um sich zu beruhigen schaukelt sich ihr Körper unbewusst hin und her. Das Plätschern der Wellen ist nur leis.
Sandra zuckt zusammen. Durch die Badzimmertür dringen Geräusche. Das Sonnenlicht, das vom Wohnzimmerflur bis unter die Tür scheint und den kleinen Zwischenraum und einen kleinen Teil Kacheln gelb ausfüllt, wird von Schatten unterbrochen. Eine stechende Gänsehaut springt ihr in den Nacken, ihre Augen weiten sich und in ihrer Brust hämmert ein Herz, das am liebsten aus dem benutzten Körper springen würde.
Teller werden gerade auf den Glastisch gestellt. Das Klacken kennt sie und auch die Gläser, die ein helleres Geräusch dabei machen.
Ihre Zähne schlagen aufeinander, die Lippen beben und dann hört sie die vertrauten, verhassten Schritte. Ein Schritt, sie drückt ihre Knie noch fester an ihren Körper, ein weiterer, sie schließt die Augen und betet, es möge ein Traum sein und dann Stille. Langsam atmet sie auf und versucht dabei möglichst wenig Wellen zu erzeugen.
Die Ruhe ist unheimlich. Angestrengt lauscht sie. Die Herbstblätter in der Auffahrt tanzen, der Wind reibt pfeifend am Haus, das eigene Herz pocht und pocht und dann vernimmt sie den Atem, der gegen die Tür prallt.
Alles in ihr hört auf zu arbeiten. Wie in Trance blickt sie zu dem Lichtspalt und erkennt in dem Licht die zwei dunklen Schatten.
Es klopft, sie fährt zusammen und ein einzelner Schrei fährt durch ihre Hand.
"Alles in Ordnung, Liebling?"
Ihr Magen stülpt sich nach außen, sie verliert all ihre Kraft, stirbt innerlich und spürt ein stechen in ihrer Brust.
"Ja, Papa, ich komme gleich"
Eingereicht am 27. Dezember 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.