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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Eine Perle für Lisa

©Doris Ramler

Lisa war gerade vier Jahre alt. Heute sollte sie in den Kindergarten.
Mama sagte immer wieder: "Du bist ja schon viel größer als die anderen Kinder, die das erste Mal in Kindergarten gehen. Es wird Zeit, dass auch du hingehst."
Aber Lisa wollte nicht. Sie hatte Angst davor.
Also versuchte sie, erst mal krank zu spielen. Doch das zog bei Mama nicht.
Ängstlich trabte das Kind hinter der Mutter her.
Bei einer Sitzbank machte Mama Halt und erzählte der Kleinen eine kurze Geschichte:
"Es war einmal ein Feenkind, das wohnte weit weg im Feenreich. Und als es Zeit war, den Feenkindergarten zu besuchen, wollte es nicht hingehen. Alles Bitten und Betteln half nichts. Da sagte seine Mutter: "Wenn du brav bist und auch mal etwas machst, was du nicht so gerne tust, dann bekommst du eine unsichtbare Perle geschenkt. Die gibt dir dann Kraft und alles geht dir viel leichter von der Hand." Als das Feenkind fragte, wie es diese Perle denn bemerken würde, sagte die Mutter: "Das wirst du dann selbst wissen, wenn es so weit ist." Und wirklich, als es so weit war, fühlte sich das Feenkind viel wohler, einfach so."
Das erzählte die Mutter der Kleinen, dann gingen sie weiter zum Kindergarten und Lisa hatte das Gefühl, plötzlich wäre alles einfacher. Aber sie blieb skeptisch.
Im Kindergarten sah sie sich überall um. Aber so sehr sie auch suchte, sie konnte keine Perle entdecken. "Also wirklich", dachte das Kind, "diese Erwachsenen, erzählen was von unsichtbaren Perlen. Aber es gibt gar keine."
Schüchtern stand sie am Rand, beobachtete die anderen Kinder und fühlte sich ausgeschlossen.
Die Zeit verging. Mittagessen. Lisa hatte einen mächtigen Hunger und aß eine große Portion. Insgeheim murrte sie aber: "Immer noch keine Perle. Es gibt gar keine."
Am Nachmittag waren sie zu einem Fluss unterwegs. Sie rasteten am Ufer, ganz nahe bei einem Wasserfall.
Dort schien die Sonne hin und strahlte aus wie eine Wunderkerze. Lisa war es, als stünde dort ein kleines Feenkind und würde sie anlächeln. Sie lächelte zurück und dann schien es ihr, als ob das Feenkind in ihre Richtung zeigen würde.
Da sah das kleine Mädchen plötzlich vor seinen Füßen ein kleines, schneeweißes Ding liegen: Eine Perle. Die unsichtbare Glücksperle! Sie hat sie gefunden! Lisa bückte sich, hob sie auf und steckte sie lachend ein.
Sie erzählte es sofort den anderen Kindern. Die waren begeistert und sie spielten das erste Mal richtig miteinander. So fand Lisa Freunde. Die Perle hatte das Eis gebrochen, nun fühlte sich Lisa wohl.
Dass die Perle eigentlich nur ein kleiner, weißer Stein war, störte sie nicht. Nein, für sie war es eine Perle, die Perle des Feenkindes.


Eingereicht am 27. Dezember 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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