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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Hans im Glück träumt

© Doris Mitterbacher

Scheiß Alpträume, so richtig mit Schweiß und pelzigem Mund. Ich taste durch die Wohnung, bin ziemlich nachtblind und völlig daneben. Ich denke an Wasserfälle und versuche, nicht gleich in die Spüle zu pinkeln. Wasser allein hilft vielleicht nicht, ich mach mich auf die Suche nach einer Brausetablette.
Welches Vitamin hilft gegen Träume?
Im Zimmer zurück mach ich Licht und Musik. Easy Listening wär toll, der CD Player bietet mir Tango an, ich akzeptiere. Was ich geträumt hab, weiß ich nicht, aber wo der Traum herkommt, weiß ich. Eine Zeitlang hab ich es mit Schlaftabletten probiert, jetzt nehm ich die Träume in Kauf. Die Tabletten haben irgendwas mit meinem Körper gemacht, außer ihn zum Schlafen zu bringen.
Klassische Nebenwirkung: immer beim Sport hat der Schweiß am Anfang nach Chemie gestunken, unerträglich, sag ich dir. Da lieber öfter aufwachen und gelähmt nicht wissen, wie die Muskeln lockern, die sich in die Decke gekrallt haben, als müssten sie wie der alte Hüne Atlas den Himmel am Runterfallen hindern. Wie gesagt, ich weiß, wo die Träume herkommen.
Ich zünd eine Kerze an, suche nach Duftöl, irgendwie muss ich meinem Körper klar machen, dass es keinen Grund für Panik gibt. Ich bin daheim im Bett, meine Augen beweisen das, mein Tastsinn beweist das, aber mein Kopf sagt Scheiß drauf, ich weiß es besser. Wir sind noch immer, schon wieder in dieser beschissenen Wand.
In der ich eine Nacht gehangen bin mit einem schwer verstauchten Bein und keinem Proviant und kalt war es. Dann Rettungshubschrauber und alles wieder gut. Heute kletter ich sogar wieder. Nur mein Körper wacht in der Nacht auf und erinnert sich an die Angst, die so groß war, dass sie nicht mehr da war. So wie Luft nicht da ist. Weil du eh schon weißt, dass es vorbei ist. Denn du kommst nie im Leben aus eigener Kraft aus dieser Wand wieder raus und du bereust, dass du jemals auf die (ziemlich fixe) Idee gekommen bist, rein zu klettern. Schlecht vorbereitet warst du gar nicht, aber der Berg ist tückisch, auch wenn er meistens dein Freund ist. Nur ist er ein schlechter Freund, denn du bist ihm egal. Er ist einfach nur da, ob du hochkletterst oder nicht, ob du alles gibst und den Berg verfluchst, ob du glücklich am Gipfel sitzt, ob sich grad dein Leben ändert, weil du den Schweinehund Schwachheit besiegt hast, nicht den Berg, sondern dich selbst, oder ob sich grad dein Leben ändert, weil du sterbend in der Wand hängst - dem Berg ist das egal.
Und deshalb sitz ich jetzt da und erzähl mir selbst eine Geschichte.
Ort: Ötztal. Hauptdarsteller: ein einsamer Kletterer, der - sein einziger Fehler - allein in eine Wand eingestiegen ist, die größer als er war, viel zu groß. Kann man nicht wissen, Level 5 - kann der Junge normalerweise ohne Probleme. Er ist routiniert und kraftvoll und selbstsicher. Er will mehr, zerplatzt fast vor Energie, die zu viel ist, die abgebaut werden muss durch Reibungsklettern und Pendelquergang. Und das klappt auch: Im Fingerriss eine Auswärtsdrehung grade noch verhindert, dann ein Spreizkamin durch den ihn sein Adrenalin pumpt und es schüttelt ihn ein bisschen. Also sucht er sich eine Stelle zum Ausruhen und entspannt die Finger, dehnt die Beine so gut es geht.
Dann ein Stein von oben aus dem Nichts. Nicht groß, aber während dem Ausweichmanöver verliert ein Fixpunkt nach dem anderen die Kontrolle: erst der linke Fuß, dann die linke Hand und die rechte, bis der Junge sich in einem professionellen Sicherheitssystem bestehend aus Seil, Gurt und ein bisschen Glück gefangen um sich selbst dreht. Eine ganze Nacht wie ein Kreisel um ein schwarzes Loch dreht. Das Seil hält ihn fest in einer Zwischenstufe zwischen Schwindel und freiem Fall. Das schwarze Loch ist hungrig, es ist sein Ego.
Sein Bein schmerzt, weil er endlich den Berg gefunden hat, auf den er nicht gekommen sein wird. Weil die Wand ihm einen Tritt gegeben hat, der seine Bänder überdehnt und vielleicht auch seine Knochen angeknackst hat. Sein Herz ist leicht, abgelenkt von den Stahlbändern um seinen Kopf bestehend aus der Dreifaltigkeit Kälte, Müdigkeit und Hunger, die sich immer enger und fester anschrauben bis in den Knochen hinein ... Abgelenkt vom Schmerz findet seine Pumpe zu einem Satz: Es ist vorbei. Und daran ändert kein Rettungshubschrauber was, daran ändert Überleben gar nichts. Es ist vorbei das Rennen nach dem nächsten Gipfel, der immer wieder nächsten Bewährung. Er liegt bald darauf in Decken gepackt in einem Krankenhaus und sein Bein wird ruhig gestellt. Warm wird ihm erst wieder, als er aus der Universität raus geht mit einem Zettel, der seinen Abbruch des Studiums bescheinigt. Das Nichts ist ein großes Lachen.


Eingereicht am 22. Dezember 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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