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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Ein neues Betriebssystem - oder wie ich lernen musste, ohne PC zu leben

© Belinda Fuchs

Eigentlich lief mein alter PC bisher ja ganz gut mit Windows 98. Ich konnte sämtliche Dinge auf ihm machen, die mir gerade so einfielen, wie z.B. Facharbeiten schreiben, ins Internet gehen, E-Mails abholen und sogar welche bekommen. Fotos einlesen und bearbeiten, etc.
Ich habe auch einige Spiele darauf, wie AOE oder Anno 1602. Kurz und gut, mein PC und ich, wir beide kamen gut klar.
Bis ... mein Mann, ein Computergenie, der sich alles selbst beigebracht hatte, von Windows ME auf Windows XP umgestiegen ist und dieses Betriebssystem in den höchsten Tönen lobte. Was musste ich mir nicht alles anhören, als er wieder mal davon schwärmte, was bei XP alles möglich ist und er anschließend einen geringschätzigen Blick auf mich warf mit den Worten: "Ach so, du hast ja 98".
Aber ich war doch so zufrieden mit meinem Windows 98. Immerhin begleitet es mich jetzt schon seit 5 Jahren durch meine ganzen Arbeiten, hat nie gemuckt, hat immer brav alles gemacht, was ich wollte.
Natürlich habe ich mich ein wenig geärgert, als ich ein neues Spiel bekam, das auf meinem PC nicht lief, weil es einfach eine 3-D Grafikkarte mit mindestens 18 MB benötigte, na gut, ich geb´s ja zu, ich hab´ nur eine lächerliche RAGE TNT mit 4 MB … tja, einfach zu wenig. Dafür habe ich bessere Farben * g *
Mein PC hat 1300 Mhz und 256 MB SDRAM Hauptspeicher, die Festplatten wurden kürzlich von 40 auf 90 GB aufgestockt und das Motherboard (A7DXR) war Anno 2001 der Stolz auf der CeBIT.
Nun kenne ich ja eigentlich die Grundregel der PC-Anwendung, die da lautet: "never change a running system", andererseits wollte ich nicht als "Oldie" im Computerwesen dastehen und natürlich auch mitreden.
Mein Mann bot mir immer wieder an, mir das neue Betriebssystem Windows XP aufzuspielen - aber ich hatte ja immer die Grundregel im Hinterkopf (never change ...). Nachdem ich 2 Monate darüber geschlafen hatte, ist die Entscheidung nun gefallen. Ich wollte Windows XP.
Das war das Startzeichen. Zuerst haben wir meinen PC "entmüllt" (Fachausdruck eines Computerspezialisten für das Entfernen installierter Anwendungen auf einem PC, die kein Mensch braucht). Dann hat er Outlook und meine "Eigenen Dateien" gesichert, weil ja die C-Festplatte mit dem Betriebessystem gelöscht werden sollte.
Mein Einwurf: "du denkst doch dran, dass die C partitioniert ist?!" wurde mit einem lakonischen und vernichtenden Blick eines Könners auf einen Laien erwidert.
Beinahe wollte mir schon die Frage, ob er denn meine Favoriten (I-Net) gesichert hätte im Halse stecken bleiben, aber ich sprach sie dann trotzdem aus. Aber ich habe es gesehen ... ich habe gesehen, wie er in seinem Stuhl mindestens 20 cm kleiner wurde und ich höre die Worte noch jetzt in meinem Gehirn widerhallen: "oh Scheiße, tut mir Leid … das hab ich vergessen". Als kleiner Trost sollte mir die Tatsache dienen, dass er das bei sich selbst auch schon mal vergessen hatte …
Na ja, ich fand mich damit ab, dass meine Favoriten wohl unwiederbringlich verloren waren, ein Sammelsurium von 7 Jahren mühevoller Kleinarbeit …
Nachdem der Schock überwunden war, ging´s munter weiter. Das alte Betriebssystem war nun gelöscht, der Weg für das Neue und Unbekannte war geebnet. Schnell noch die CD eingelegt und XP auf meinen PC gespielt … das geht ja ratz fatz, wirst schon sehen, wie toll das dann ist.
Um die Spannung nicht ins Unerträgliche wachsen zu lassen und um meinen Mann nicht immer mit dämlichen Fragen zu nerven, versuchte ich mich abzulenken, indem ich inzwischen die Küche und das Wohnzimmer aufgeräumt habe. Nachdem ich fertig war riss ich die Tür zu meinem Arbeitszimmer auf, um nach dem Stand der Dinge zu fragen. Ich sah, dass mein Mann mit verkniffenem Gesicht vor meinem PC saß und immer wieder die Reset-Taste drückte ... hm … dachte ich so bei mir, das muss wohl so sein, und er wird schon wissen, was er da tut. Um hinter das Geheimnis der Knöpfedrückerei zu kommen, sah ich ein wenig dabei zu. Ich sah, wie mein PC "hochzählte" und wie sich das Windows XP Fenster auf meinem Monitor entfaltete und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken … aber gleich darauf gefror mir dieses Lächeln im Gesicht. Denn kurz nach dem Erscheinen des Windows XP Emblems wurde mein Monitor schwarz und das orangefarbene Lämpchen, das mir sonst immer signalisierte, dass meine Festplatten am Arbeiten sind, ging aus … Der Monitor blieb schwarz, auch nach 10 Minuten änderte sich nichts an diesem tiefen Unheil verkündenden, alles verschlingenden Schwarz.
Aber so leicht gibt sich ein Computerspezialist schließlich nicht geschlagen. Mit den Worten "dein PC ist ein Glump (= bayerisch für taugt nichts) und er braucht einfach einen größeren Prozessor und mehr Hauptspeicher" nahm er meinen PC mit in seine Computerwerkstatt, um all diese schönen Dinge in meinen PC einzubauen. Weitere Ausführungen waren … "und überhaupt verstehe ich ja schon gleich zehnmal net, warum sich XP ausgerechnet auf DEINEM PC nicht installieren lassen sollte, schließlich habe ich in den letzten 14 Tagen das XP schon auf 10 verschiedene Rechner installiert… ohne Probleme!"
Einsam blieb ich mit den vielen, nun nicht mehr angeschlossenen Kabeln, zurück. Ein leerer Fleck gähnte da, wo einst mein PC stand … Doch noch wollte ich mich nicht diesem Gefühl der Trauer und der Leere hingeben. Ich sagte mir, dass er das schon hinbekommen würde.
Wieder versuchte ich mich abzulenken. Ich fing an, die Fenster zu putzen und an dem nun leeren Platz die Staubwolken zu entfernen, damit es mein PC, wenn er wieder kommt, auch richtig schön hat.
Nach einem Blick in das Computer-Arbeitszimmer raunte mir mein Mann folgendes zu: "inzwischen hat dein PC 512 MB DD-RAM Hauptspeicher und einen 2000 Mhz Prozessor und eine G-Force 2 Grafikkarte (64 MB) ... "
Aber der Monitor zeigt nach einer Weile noch immer dieses alles verschlingende Schwarz …
In Kürze werde ich ein neues Motherboard bekommen …
Ich habe mich ins Bett gelegt, dieses Schwarz meines Monitors hat sich nun auch über mich und mein Gemüt gelegt … ich liege da, starre an die Decke und kann nicht schlafen. Ab und zu geht mein Blick an die Stelle, an der mein PC einst stand … hin und wieder streiche ich liebevoll über die Tastatur, die ganz alleine auf meinem Schreibtisch liegt. Hin und wieder mache ich auch Fingerübungen und versuche blind, also ohne Monitor (er ist ja schwarz) zu schreiben.
Ich kann nicht schlafen … ständig geistern mir die Worte "never change a running system" durchs Hirn …
Auch wage ich nicht an morgen zu denken. Wie wird er aussehen, der Tag ohne PC … wird unser Haus bald in einem wahnsinnigen Glanz erstrahlen, weil alles so sauber ist … oder wird sich diese tiefe Schwärze, die der Monitor ausstrahlt bald über das ganze Dorf legen??
Ein kleiner Trost bleibt mir … sollte mein PC jemals wieder mehr machen als das XP Symbol anzeigen, dann könnte ich mit der neuen Grafikkarte auch das neue 3-D Spiel spielen.


Eingereicht am 17. Dezember 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.

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