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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"
Rückkehr eines Soldaten
© Christine Haas
Es tut gut wieder Boden unter den Füßen zu spüren. Es ist ein herrliches Gefühl von Sicherheit. Man stampft auf und hat etwas Festes unter den Sohlen. Und dann stampft man noch mal und noch mal und der Boden bleibt hart, gibt nicht nach. Und um ganz sicher zu gehen springt man anschließend noch, hüpft hin und her bis die Füße schmerzen. Dann hat man es endlich begriffen: Man ist wieder unten. Man ist wieder da. Das Leben holt jeden irgendwann ein. Selbst wenn man nicht in der Luft war, selbst wenn man nie ein
Schiff betreten hat, so hat es doch etwas beinahe tröstliches, wenn man auf der Erde steht. Die Welt um einen herum dreht sich, die Sonne scheint einem ins Gesicht, die Bäume verdecken den Horizont und man spürt den Wind im Gesicht. Und wenn man dann an all die anderen denkt, die dieses Gefühl nie erleben werden, nie erleben werden weil sie tot sind, dann kann man traurig werden und die Sonne wärmt nicht mehr genug, so dass einen ein leichtes Frösteln überkommen mag. Und wenn einem nach und nach die ganzen gefallenen
Kameraden einfallen und man daran denkt, wie man beinahe selber gestorben wäre, dann möchte man auf den Boden fallen und die Fäuste gegen die Schläfen drücken um den Schmerz zu vergessen. Aber stattdessen bleibt man stehen und versucht sich die alten Witze in Erinnerung zu rufen, die man an ruhigen Abenden gemeinsam mit den Kameraden gerissen hat um die entfernten Schüsse nicht hören zu müssen. Um nicht daran denken zu müssen, dass man am nächsten Morgen wieder raus musste. Raus in den Krieg, der schon lange
kein Spiel mehr war, sondern der sich sogar nachts in ihre Träume einschlich. Wenn man Glück hatte musste man so lange Wache schieben bis man einschlief und dann kamen die Träume nicht, denn dann war man zu müde um zu träumen. Erst am nächsten Morgen ging der Albtraum weiter. Wenn wieder geschossen wurde, auf jeden und alles was sich bewegte. Wenn man daran denkt, wie dicht die Kugeln an den Köpfen der Kameraden und am eigenen vorbei geflogen sind, dann wird der Wind unheimlich und sein Pfeifen jagt einem Todesangst
ein. Und die Bäume, die einem die Sicht auf den Horizont nehmen verwandeln sich plötzlich in feindliche Truppen, die nur noch auf den Sonnenuntergang warten um dann in der Nacht zuzuschlagen. Und wenn einem das alles durch den Kopf gegangen ist, dann freut man sich trotzdem noch, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Sicheren Boden. Und man kann es nicht glauben und man breitet die Arme aus und ruft: Erschießt mich doch, hier bin ich. Und weil einem keine Kugel die Lunge durchbohrt dämmert es schließlich,
dass man wieder daheim ist, auf sicherem Boden, in einem Land in dem kein Krieg ist. Und man wird dankbar. Unendlich dankbar, dass man überlebt hat.
Eingereicht am 16. November 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
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