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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"
Mondschein
© Shaki
Blitzgewitter, schreiende Kinder, die Luft ist erfüllt von Aufregung, Jubelschreien und Buhrufen, als Mondschein mit ihrem Reiter auf den Platz tritt. Ihre Mähne ist kunstvoll geflochten und ein Raunen der Erwartung geht durch die Tribünen. Der Reiter grüßt die Richter und wartet darauf, dass der Kampf beginnt. Die Glocke läutet und Mondschein trabt zügig auf das erste Hindernis zu, es hat den Anschein als würde sie schweben, ihr Trab ist gleichmäßig und ausgreifend. Kurz vor dem Absprung spürt Mondschein wie
schon so oft, das harte Drücken der Reitersporen. Es sind Schmerzen wie noch nie, doch würde sie nicht abspringen würde alles nur schlimmer kommen, das kannte sie schon. Mit größter Anstrengung überwindet sie das Hindernis, im Publikum ist es vor Aufregung ganz still geworden. Keiner bemerkt wie sich Mondschein mal wieder quält. Keiner sieht das wirklich wichtige in seinen Augen: die Angst ... die Angst vor dem Absprung, der Gerte, den Sporen und der Bestrafung. Alle wollen nur Leistungen sehen, für Gefühle ist
keine Zeit.
Mondschein hebt den Kopf, sie will die Runde mindestens mit Stolz hinter sich bringen, doch gleich darauf wird der Druck in ihrem empfindlichen Maul verstärkt und sie ist gezwungen wie eine Sklavin den Kopf zu senken. Das nächste Hindernis rückt wieder näher, es ist eine dreifache Kombination, die sehr hoch angelegt ist und deshalb viel Kraft fordert. Gnadenlos wird sie direkt darauf zu getrieben. Sie spürt die Hiebe schon beinah nicht mehr, es ist ihr gleichgültig, dass ihre Haut am Abend wieder rot vor Striemen
sein wird und sie vor Schmerzen wieder nicht schlafen kann. Mondschein setzt zum Sprung an, als plötzlich ein greller Blitz vor ihren Augen auftaucht. In Panik scheut Mondschein. Ihr Reiter war darauf nicht vorbereitet und landet unsanft im Sand. Mondschein spürt zwar, dass sie ihren Reiter verloren hat, doch in diesem Moment war ihr ihre harte Erziehung, bei so etwas stehen zu bleiben, egal. Sie kannte nur noch den fast schon verloren geglaubten Wildinstinkt, der ihr befahl zu laufen, einfach nur zu laufen.
Die Sicherheitsbügel schlagen mit aller Macht gegen ihren Körper, doch es ist ihr egal. Plötzlich durchfährt ein gleißender Schmerz ihre Fesseln, Holzstangen fliegen auf den Boden oder zerbrechen. Mondschein war in ein Hindernis direkt reingerannt. Sie stolpert, nun ist es nicht mehr der einst so grelle Blitz der ihr die Sicht nimmt, sondern einfach nur der Schmerz.
Sie torkelt und stolpert, bis sie schließlich zusammenbricht. Ihr Reiter liegt auf dem Boden flucht, hält sich den Arm und weint vor Wut. Mondschein liegt auf dem Boden und kann sich kaum regen, sie wiehert vor Schmerzen und Angst zur einzigen vertrauten Person, die sie kennt, ihrem Reiter, doch der ignoriert sie und lässt sich von den schnell herbeieilenden Ärzten versorgen. Auch fremde Leute eilen jetzt auf Mondschein zu, lauter fremde Personen. Mondschein kann sich nicht regen und startet so keinen instinktiven
Fluchtversuch. Ein Mann beugt sich zu ihr runter. Er schaut Mondschein direkt in die Augen, seine Augen strahlen Wärme aus und Mondschein beruhigt sich ein wenig. Sanft fährt ihr der Mann durch die schweißnasse Mähne, er redet ihr gut zu. Inzwischen knien noch andere um Mondschein, untersuchen ihre Beine, berühren die verletzten Stellen. Es schmerzt, doch Mondschein ist immer noch in dem Bann des zärtlichen Mannes. Einer der Männer beugt sich nun mit einer Spritze zu ihrem Hals. Der Mann, der Mondschein getröstet
hatte, erhebt sich wirft einen traurigen, mitleidigen Blick auf Mondschein und wendet sich ab. Sie wiehert vor Verlust und spürt schon das Stechen der Nadel. In ihrer Verzweiflung wiehert sie einmal schrill, als auch schon ihre Umgebung verschwimmt. Die Schreie werden leiser alles versinkt in angenehmer Ruhe. Langsam schließt Mondschein die Augen.
Die Überschrift der Tageszeitung am nächsten Tag lautet: "Erfolgreichstes Tunierpferd der Welt durch verbotenes Blitzlicht gestorben."
Eingereicht am 15. November 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.