Kurzgeschichtenwettbewerb Kurzgeschichten Wettbewerb Kurzgeschichte Schlüsselerlebnis   www.online-roman.de

Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

www.online-roman.de
www.ronald-henss-verlag.de

Die Waschfrau oder Ab in die Psychiatrie

©  Angelika Pauly

Es ist nicht einfach so viel Wäsche zu waschen, Maschinen helfen dabei, das ist klar ... trotzdem ist der Tag lang, die Arbeit hart, sind viele Wünsche zu erfüllen, Probleme zu lösen, die sich um verloren gegangene Kleidungsstücke und defekte Wäschetrommeln drehen, kurz gesagt: Der Tag ist ausgefüllt. Telefonate, Kunden, Rechnungen, Geld kassieren, Gespräche hier, Gespräche da und - wie ganz nebenbei - das Waschen der Wäsche, die gebracht wird.
Die eigenen Probleme dürfen nicht vergessen werden, zwischendurch den Klempner anrufen, der dann am nächsten Tag den Wasserhahn auswechselt - eine Nachbarin wird die Tür öffnen ... ach ja, sie braucht noch den Wohnungsschlüssel ... - Gedanken hier, Gedanken dort, Spickzettel überall, an der Tür, auf dem kleinen Ladentisch, in der Hosentasche.
Mittag, endlich! Kaffee und ein Stück Kuchen, nicht gesund aber lecker, wen kümmert es, kann doch machen, was ich will. Störung. Der Ladeninhaber schaut vorbei. Alles in Ordnung? Aber ja, immer doch. Keine besonderen Vorkommnisse? Bin ich beim Militär, denkt sie. Aber nein, sagt sie.
Nachmittag und früher Abend, der Feierabend. Eine letzte Kundin, nervig, fordernd, feilschend, dann auch das erledigt. Die Tür abschließen und schnell zum Metzger, eine kleines Stück Fleisch zum Schnellbraten. Kartoffelsalat? Ist der von heute? Gut, ein viertel Pfund bitte. Dann zum Kiosk, eine Zeitung, eine Illustrierte. Feierabend, schöner Feierabend.
Zuhause, die Tür ist auf, wer ist da? Komm' herein! Ja, bin schon drin. Was ist los? Warum seid ihr hier? Wie geht es dir? Gut, warum? Wir haben schon deine Sachen gepackt, möchtest du das graue Kostüm mitnehmen oder lieber ein paar Jeans?
Wieso? Ich habe nicht vor zu verreisen. Nicht verreisen, nur in die Klinik, ein paar Tage, zur Erholung. In die Klinik? Welche Klinik? Und warum? In das hiesige LKH, du kennst es doch. Ja, ich kenne es aber warum soll ich dahin? Was habe ich getan? Geh freiwillig, dann bekommst du kein PsychKG.
Ausreißen? Wie schnell kann ich laufen? Und wohin? Mein Gott, wo ist mein Geld, wo sind meine Schlüssel? Nichts wie weg ...
Der nächste Tag wieder voller Arbeit, morgens früh in den Waschsalon, aufschließen, die Post ordnen, Rechnungen und vor allen Dingen: Waschen, trocknen, zusammenlegen, verpacken. Frühstück im Stehen, Kaffee kalt werdend, ein langer Tag, ein schöner Tag, viele Begegnungen, Gespräche, Diskussionen über die politische Lage, das Wetter. Mittag wieder Kaffee und Kuchen, wieder lecker, sie genießt, unsere Waschfrau. Diesmal reicht die Pause für einen Blick in eine Zeitung. Halt, nicht festlesen! Nachmittag und der frühe Abend rauschen vorbei, ein paar Träume, unterbrochen von Kunden, hastend und eilig. Wo ist das Wechselgeld? Hier bitte. Ich habe Angst. Der Weg nach Hause, die gleiche Straße, die gleichen Menschen denen ich begegne. Guten Abend und Hallo. Die Verkäuferin in der Bäckerei. Zwei Brötchen, Mehrkorn, bitte. Wo ist mein Geld? Die Manteltaschen durchsuchen, ach, ich bezahle morgen, wenn's Recht ist. Derselbe Weg nach Hause, dieselben Menschen Zuhause. Wo warst? Warum bist du so schmutzig? Wo hast du die Nacht verbracht? Will schlafen, nur schlafen.
Morgen, Kaffeeduft, die Vögel singen lautlos. Wie spät ist es? Zeigerlose Uhr. Ich komme zu spät. Loslaufen in die Reinigung. Die Türe geht nicht auf. Kein Schloss. Oder doch? Nein, nicht festhalten. Komm mit. Wohin? Ich bin doch hier. In die Klinik.
Warum? Ich suche doch nur meinen Schlüssel. Muss arbeiten. Den ganzen Tag.
Abend. Lange geschlafen. Den ganzen Tag. Nicht gearbeitet. Wo bin ich hier? Na, wo wohl? In der Klinik. Geschlossene? Ja. Ich will raus. Nein. Lasst mich gehen. Nein. Schlafen.
Schlafen.
Schlafen.
Die Waschfrau blieb in der Klinik. Die Reinigungsfiliale übernahm ein junger Mann, flink, gewandt, freundlich, erfolgreich. Er fand ihren Schlüssel, brachte ihn ihr, als Souvenir. Jeden Tag schließt sie Türen auf. Sie hat sie gezählt. Es gibt 223 Türen in der Klinik.


Eingereicht am 23. Oktober 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


»»» Weitere Schlüsselerlebnis-Geschichten «««



»»» Kurzgeschichten: Humor, Satire, Persiflage, Glosse ... «««
»»» Kurzgeschichten: Überblick, Gesamtverzeichnis «««
»»» Kurzgeschichtenund Gedichte «««
»»» HOME PAGE «««

Blogs mit lustigen Gedichten
»»» Kurzgeschichten «««
»»» Gedichte «««
»»» Gedichte «««
»»» Gedichte «««
»»» Gedichte «««
»»» Gedichte «««
»»» Gedichte «««
»»» Gedichte «««
»»» Gedichte «««
»»» Gedichte «««
»»» Gedichte «««
»»» Gedichte «««
»»» Gedichte «««
»»» Gedichte «««
»»» Gedichte «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» HOME PAGE «««