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Kurzgeschichtenwettbewerb "Schlüsselerlebnis"

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Der perfekte Plan

©  Diana Otterbach

Verdammt noch mal, ich weiß, das ist wirklich peinlich! Aber jetzt ist es nun mal passiert und daran kann ich nichts ändern - und Sie schon zweimal nicht. Wie das passiert ist, wollen Sie wissen? Das wollen Sie wirklich wissen? Na gut. Aber geben Sie bitte rechtzeitig Bescheid, wenn Sie die Sache langweilt!
Die ganze Geschichte fing bei mir zu Hause an. Rosenheimerstraße 8, Tatort Wohnzimmer, Tatzeit 11 Uhr morgens. Der Hausherr bei der Arbeit, das Kind in der Schule und die Dame des Hauses hatte selbiges gerade zum Einkaufen verlassen. Ich wähnte mich also alleine für mindestens eine Stunde. Eine Stunde, in der ich meiner Lieblingsbeschäftigung in aller Ruhe nachgehen konnte: Auf dem hiesigen Sofa rumzulümmeln. Ich fiel schon fast in einen schönen Schlummerschlaf, als mir das neue Sofakissen ins Auge stach. Hatte ich schon fast vergessen. Ja, Sie haben Recht, Sofas (und Sofakissen insbesondere) sind für Menschen, nicht für Katzen gemacht. Aber schließlich kennen Sie ja nicht das Gefühl, eine Kralle bis ins Innerste eines Kissens reinzufahren. Es gibt nichts Schöneres! Auf jeden Fall waren bei mir plötzlich alle Regeln der Vernunft ausgeschaltet. Das änderte sich im Übrigen auch nicht, als ich grob im Kopf überschlug, wie viele Abende die Hausdame mit der Vollendung des Kunstwerkes zugebracht hatte. Häkelnadel rein, Häkelnadel raus - machte einen schon ganz nervös. Gierig legte ich also meine rechte Vorderpfote auf das Kissen und fuhr langsam aber genüsslich die Krallen aus. Selbiges wiederholte ich dann mit links - selbstverständlich ganz behutsam. Das Ganze wäre ja auch gut gegangen, wäre es nicht zu jenem fatalen Zwischenfall gekommen. Ich also gerade dabei, die linke Vorderpfote zurückzuziehen, bemerke erst spät, also besser gesagt zu spät, dass Frauchen die Haustüre öffnete und irgendwas von wegen "was man nicht im Kopf hat" murmelte. Sie stürmte also, offensichtlich nicht bei bester Laune, ins Wohnzimmer. Ich bin vielleicht was von erschrocken! In einer Art Panikattacke versuchte ich also, die Krallen wieder unauffällig rauszuziehen, was natürlich missglückte. Ein dicker langer Häkelfaden hatte sich um eine Kralle gewickelt! Bei meinem verzweifelten Befreiungsversuch fiel dazu noch das Kissen runter, wobei sich der Faden noch weiter in die Länge zog und zwischen meiner Pfote und dem Kissen schaukelte, so ungefähr wie ein benutzter Kaugummi.
"Fellini!", brüllte also das Frauchen dann noch übelgelaunter als zuvor und das sagte schon alles. (Bei guter Laune nennt sie mich "Miezi" oder, was besonders aufstößt, "mein Mäusebärchen".) Bevor also Schlimmeres passieren konnte, ergriff ich ganz von selbst die Flucht und stürzte an ihr vorbei hinaus in die Freiheit, mit dem baumelnden Kissen im Schlepptau. Ich raste also über die Straße, selbstverständlich ohne nach rechts oder links zu schauen und flüchtete in den Haselbergschen Garten hinter den Rhododendronbusch. Man, tat mir die Kralle weh! Ganz zu schweigen von dem schlechten Gewissen, das ich jetzt hatte. Aber passiert ist passiert. Ich saß also, schwer keuchend, hinter dem Rhododendron, an meiner Pfote das gehäkelte Sofakissen. Sämtliche Katzen aus der Nachbarschaft hätten sich über mich totgelacht, ganz zu schweigen von den Katern. Kurz und gut, mit einem gekonnten Biss schaffte ich es, mich von meinem Opfer zu befreien. Aber was nun? Heimgehen war erst mal ausgeschlossen.
Ich fasste einen gut durchdachten Plan. Erstmal musste ich meiner Heimat einige Tage fern bleiben. Der allgemeine Ärger würde dann nach etwa zwei bis drei Tagen verfliegen. Spätestens am vierten Tag würde man sich Sorgen machen. "Wo bleibt nur der gute Fellini?", "Dem Armen wird doch nichts zugestoßen sein", et cetera et cetera. Es dürfte nicht lange dauern, bis sie anfangen würden, nach mir zu suchen und Plakate aufzuhängen: Vermisst! Unser Kater (hört auf den Namen Fellini) ist entlaufen. Er hat schwarzes Fell mit einem kleinen weißen Fleck auf dem Rücken (und so weiter und so fort). Dann wäre mein Auftritt gekommen. Im Augenblick der größten Sorge würde ich ins Wohnzimmer schleichen, jämmerlich miauen und Frauchen (ohne Unterbrechung des Miauens) liebevoll um die Füße streichen. Ein perfekter Plan.
Aber was tun bis dahin? In der Nachbarschaft zu verkehren wäre zu riskant. Ich entschied mich daher, an die Siedlungen des Stadtrandes zu gehen. Ich hatte vor einigen Jahren die Gegend mal abgecheckt. Da gab es unglaublich viele Einfamilienhäuser und Kinder. Und sie wissen, was das heißt: Hier mal ein Häppchen, da mal ein Häppchen. Ich schlage also die Richtung ein und bin mit mir und meinem ausgereiften Plan zufrieden.
Was denn jetzt an der Geschichte so peinlich war, wollen Sie wissen? Na dann passen Sie mal auf. Ich marschiere also wie gesagt in Richtung Stadtrandsiedlungen. Es wurde langsam dunkel und ich immer hungriger. Hatte schließlich weder Mittag- noch Abendessen, und ganz ehrlich gesagt, ist mir der Geschmack an Mäusen schon vor längerem vergangen. Außerdem sind mir fast die Pfoten eingefroren. In Gedanken bei meinem warmen Katzenkörbchen und eine Portion Whiskas ist es dann wohl irgendwie passiert. Die Stadtrandsiedlung war auch bei größter Anstrengung nicht zu sehen und, was noch viel schlimmer war, es war eigentlich gar nichts mehr zu sehen. Hören Sie mir auf von wegen Katzen und Orientierungssinn! Weiß ja auch nicht wie es passieren konnte. Was hätte ich jetzt darum gegeben, daheim zu sitzen, statt wie der Idiot vom Dienst durch irgendeine unbeleuchtete Pampa zu laufen und nicht die geringste Ahnung zu haben, wo ich mich eigentlich befinde!
Erschöpft ließ ich mich schließlich unter einem Baum nieder, und verbrachte eine mehr als ungemütliche Nacht.
Kurz und gut, Sie können sich sicher vorstellen, wie froh ich war, als ich am nächsten Morgen trotz leerem Magen wenigstens wieder den Weg nach Hause fand. Eine Nacht war ich jetzt weg, von Vermisstenmeldung natürlich keine Spur. Trotzdem wagte ich mich durch die Katzenklappe zurück ins vertraute Heim.
Niemand da! Vater bei der Arbeit, das Kind in der Schule und die Mutter - wahrscheinlich beim Einkaufen. Mit Herzklopfen schlich ich mich zu meinen Körbchen. Es roch nach feuchter Erde, ich konnte es ganz deutlich riechen und was glauben Sie, was ich in meinem Körbchen gefunden habe? Das gehäkelte Sofakissen - feucht und dreckig, aber es war da.
Was für eine Familie!


Eingereicht am 18. Oktober 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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