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Ein paar Tage England.

Eine Kurzgeschichte von Manuela Jäkel


Ich war damals sechzehn, hatte eine 'Zwei' in Englisch, eine Vorliebe für 'Agatha Christie-Krimis' und eine Fahrkarte nach London, wo meine Kusine wohnte.
Malerisch eingerahmt zwischen zwei roten Doppeldeckern stand Conny in Paddington. Nach der Begrüßung schaute sie mich etwas unsicher an. "Du, der Kröger wollte mir in der Hochsaison keinen Urlaub geben!" Sie drückte meinen Arm: "Aber ich habe für dich schon ein Programm aufgestellt! Und abends machen wir beide es uns richtig gemütlich!"
So kam es, dass ich drei Tage später, ausgestattet mit Reiseführer, Regenschirm und jeder Menge guter Ratschläge in einen dieser grünen Überlandbusse stieg. Das Wetter war so englisch, wie es nur sein konnte.
"Hunderennen", hatte Conny mir erklärt, "elektrisieren Engländer! Neulich hat eine Frau direkt vor dem Wettschalter ihren Hut vom Kopf gerissen und ist voller Wut darauf herumgetrampelt!" Das klang wirklich viel versprechend!
In den grünen Bussen zahlte man beim Fahrer. Ob ich ihn fragen sollte, wo ich aussteigen musste? Mit Schaudern dachte ich an den Vermieter meiner Kusine und seinen unverfälschten Londoner Dialekt. Nach ein paar Minuten war es mir zu dumm geworden, jeden seiner Sätze mit "Pardon?" zu beantworten. Für den Rest der Unterhaltung hatte ich mich auf unverbindliches Lächeln beschränkt. Connys Grinsen sah ich noch jetzt vor mir.
Am besten hielt ich erst mal selbst Ausschau. Ein Stadion war ja kein Mauseloch.
Nach zehn Minuten Fahrt wurden die Abstände zwischen den Haltestellen größer. Ich wischte über die beschlagene Scheibe. Undeutlich erkannte ich einen Fußweg, der im Nebel endete. Ein Holzschild vermoderte im nassen Gras. Hier stoppte der Bus.
"Schönes Wetter heute, nicht wahr?", grüßte eine alte Dame beim Einsteigen und schüttelte so energisch den Schirm aus, dass ihr kleiner Terrier empört beiseite sprang. Der Fahrer bestätigte enthusiastisch, w i e schön es sei. Dann blickte er lange in den Rückspiegel. Etwas war augenscheinlich nicht in Ordnung. Schließlich zog er die Handbremse an und stand auf. "Oh, what's going wrong right now?", wandte sich die Terrierdame ihrer Sitznachbarin zu. Die Antwort muss wohl lustig gewesen sein, denn beide Damen lachten vergnügt. Auch andere Fahrgäste beobachteten, teils "amused", teils mit britischer Gelassenheit, wie der Fahrer langsam durch den Mittelgang schritt. Dabei sah er prüfend in die Gesichter links und rechts auf den Plätzen.
"Oh sorry, young Lady!" Beinahe wäre er über den prall gefüllten Rucksack gestolpert, den ich in den Gang gestellt hatte. Ich wurde rot, murmelte meinerseits ein "Sorry!" und nahm das Gepäckstück schnell auf den Schoß. Die feuchte Wärme, die sich daraufhin über meine Hose ausbreitete, ließ vermuten, dass Connys Thermoskanne doch nicht so dicht hielt, wie die Kusine behauptete.
Zu allem Überfluss strahlte mich der Mann jetzt auch noch an. Als hätte er etwas lange Gesuchtes endlich wiedergefunden!
"Wollten Sie nicht zum Hunderennen?" Ich war so verblüfft, dass ich nur nicken konnte. "Sie müssen hier aussteigen und dort drüben den Fußweg nehmen!"
Da stand ich nun im strömenden Regen, und anstatt zu bibbern und zu schlottern, fühlte ich so eine richtig wohlige Wärme in mir aufsteigen!
Ich lief den kleinen, matschigen Weg zum Stadion entlang, irgendwo sang ein Rotkehlchen, und an den Schirm in meiner Tasche verschwendete ich keinen einzigen Gedanken.
Ein paar Tage England brauche ich seitdem jedes Jahr.



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