Mareike und der Froschkönig
Von Anatufila
Es waren einmal ein König und eine Königin. Die waren sehr glücklich
miteinander. Sie hatten viele Kinder, die im großen Schlossgarten
herumtollten. Man bekam sie kaum zu sehen. Die jüngste Tochter aber,
Mareike, wollte nicht so frei und ungezwungen leben. Ständig hing sie in den
Sälen des Schlosses herum, fragte dies und fragte das, und war mit keiner
Antwort zufrieden. Schließlich schenkte der König ihr einen goldenen Ball.
Damit sollte sie üben, bis sie ihn hundert Meter hoch werfen und sicher
wieder auffangen konnte. Klar, das ging nicht im Schloss. Erstens, weil die
Säle keine 100 Meter hoch waren und zweitens, weil zu viele Kristallleuchten
von den Decken hingen. Das Mädchen, Sternzeichen Jungfrau, Aszendent
Jungfrau, wurde von Ehrgeiz zerfressen. Tagein, tagaus probierte sie
Hochwürfe. Diese Aufgabe musste sie lösen. Ihre Geschwister erklärten sie
für meschugge und selbst die Sonne, die so mancherlei zu sehen bekam,
wunderte sich. Um ihre Ruhe zu haben, verzog sich Mareike an den Waldrand.
Dort war auch gleich ein Brunnen, aus dem sie trinken konnte, wenn ihr zu
heiß wurde. Eines Tages war es dann so weit. Der Ball flog so hoch, dass er
nur noch als winziger Punkt am Himmel erschien. Die Prinzessin war von ihrem
Können derart überzeugt, dass sie eine Baumwurzel übersah. Sie stolperte,
erwischte die herabfallende Kugel nur noch mit den Fingerspitzen wodurch
sich die vorgesehene Flugbahn änderte. Der goldene Ball plumpste in den
Brunnen. Was nun? Prinzeschen, nicht dumm, angelte mit Stöcken,
Regenschirmen, Eimern und Netzen. Letztendlich beförderte sie aber nur einen
glibberigen Frosch herauf. Der quakte sie an und stierte mit seinen
Glubschaugen, dass sie das kalte Grausen erfasste. Und aus dem Wasser hatte
sie getrunken? Angewidert wollte sie den Kröterich gleich mit der Spitze
eines Stockes ins Wasser zurückschubsen, als er in ziemlich schnöden Worten
zu sprechen anfing:
"He, du aufgezwirbelte Zopfjule, überleg dir das gut! Ich bin der einzige,
der dir deine Goldmurmel wieder rann schafft. Im übrigen kostet dich das
eine Kleinigkeit, du hast mir nämlich das Geschirr zerdeppert."
Mareike musste sich auf die Lippen beißen, um nicht laut los zu prusten. Was
wollte so ein Geschöpf schon von ihr verlangen. Es sollte kriegen, was es
haben wollte. Aber erst sollte es ihren Ball wieder beschaffen. Der Frosch
hatte die Goldkugel schon in Reichweite gelegt. Schließlich wartete er seit
Tagen darauf, dass sie in seine Wohnung plumpst. Mit einem
"hier is'se, und nun wirst du meine Frau, teilst Tisch und Bett mit mir",
angelte er den Ball aus dem Brunnen und reichte ihn hinüber. Die Prinzessin
nahm ihn sogleich entgegen und rannte lachend davon. Sie würde den
Küchenjungen bitten, ein paar Fliegen zu fangen, die wollte sie dem
Glibberding zum Dank servieren.
Der Frosch war gewiss kein gewöhnlicher Frosch, denn die sagen höchstens mal
"quak" oder "quork". Dieser Frosch konnte ziemlich berechnend sein. Nun
denn. Beim Abendbrot ging es
"plitsch, platsch, platsch, plitsch",
die Treppe hinauf. Kein Mensch weiß, wie er es geschafft hatte an der
Klingelschnur zu ziehen. Aber er tat es. Der alte Diener machte die Tür auf,
fand keine Menschenseele vor und wunderte sich. Inzwischen war Fröschlein
längst in die Halle gewitscht, ging Nase und Geklapper nach und erreichte
das königliche Esszimmer. Da hockte es sich genau hinter Prinzeschens Stuhl
und dann ging es los:
"Kööönigstochter, jüüüngste, - weißt du nicht mehr was du mir versprochen
hast, als du am Brunnen saßest, als deine goldene Kugel ins tiefe Wasser
gefallen war?"
Dann stellte er vor der versammelten Königsfamilie noch einmal seine
Bedingungen. Währenddessen rollte Mareike mit den Augen, um ihren
Geschwistern zu zeigen, wie albern sie alles fand. Dabei hatte sie aber
nicht mit der schlechten Laune ihres Papas gerechnet. Der hatte sich schon
eine Weile über seine Jüngste geärgert. Erst waren ihr zu viel Sand im
Feldsalat, als nächstes rührte sie Schnecken suchend im Blattsalat herum.
Dann verlangte sie frisches Brot, weil sie den Mehlstaub für Schimmel hielt,
und schließlich verdächtigte sie den Küchenjungen Löcher in den Schweizer
Käse gebissen zu haben. Papa König brüllte: "Du bist eine Prinzessin und erfüllst, was du versprochen hast!", dabei machte er dem Diener ein Zeichen, den Frosch auf den Tisch zu heben.
Prinzeschen protestierte noch: "Aber das ist doch ein Frosch!"
Der König ließ ihre Einwände nicht gelten. Mareike drehte und wendete sich.
Sie ekelte sich und vor allem hatte sie Angst, die glitschige Froschhaut
könne Krankheiten übertragen. Schließlich sprang sie auf. Der Stuhl kippte
um. Sie rannte in ihr Zimmer und zurück blieb eine vergnügte Familie mit
grünem Tischgast. Der fraß sich nun mit übergroßem Appetit durch das
köstliche Abendessen. Es schmeckte ihm wie einem ausgehungerten Jungen. Die
Familie amüsierte sich, wie schon lange nicht mehr. Sie brauchten einige
Gläsern Gänse- und Bordeauxwein bis sie müde wurden und schlafen gingen. Der
König bat den Diener, dem Frosch den Weg zu weisen. Und so kam er doch in
Prinzeschens Schlafgemach.
"Ach, was wird es behaglich sein, mit dir in dem weichen Bett zu liegen",
quakte der Frosch. Der Prinzessin aber schauderte es bei dem Gedanken. Seine
kalte Glibberhaut würde das ganze Bett verseuchen. Sie würde nicht einmal
ein warmes, weiches Kaninchen mit auf ihr Zimmer nehmen. Merkte dieser
Frosch nicht, wie eingebildet er war. Hatte ihm noch niemand gesagt, dass er
die hässlichste Kreatur auf der ganzen Welt war. Da sprang er flugs auf
einen Stuhl, sah sie mit den überquellenden Augen an und streckte seine
lange Zunge in ihre Richtung aus. Wie konnte ihr Vater sie nur mit so einem
alleine lassen. In ihrer Hilflosigkeit wurde sie rasend vor Wut. Sie wollte
ihn aus dem Fenster werfen, ihn an der Kerze verbrennen, ihn mit dem
Feuerhaken zertrümmern, notfalls mit der dicken Bibel platt hauen. Das
abscheuliche Amphibion schien ihre Erregung aber völlig falsch zu
verstehen, rief begeistert, "trag mich in dein Bett und küsse mich!",
und schon landete er mit einem riesigen Satz in ihren Armen. Das war zu
viel. Ohne zu überlegen, schleuderte sie das Etwas mit Wucht von sich fort.
Es platschte gegen die Wand. Es rutschte in glibberigen Streifen herab. Die
Prinzessin sah von alledem nichts, denn sie hatte vor Ekel die Augen
geschlossen. Plötzlich hörte sie aus der Richtung, in den sie den Frosch
geworfen hatte, ein helles Kichern. Erstaunt öffnete sie die Augen. Da saß
ein Junge auf ihrem Bett und konnte sich kaum noch halten vor Lachen. Er
trommelte mit den Fäusten auf die Matratze, schließlich kullerten ihm die
Tränen übers Gesicht. Die Prinzessin, von so vielen widerstreitenden
Gefühlen verwirrt, stimmte schließlich in das Gelächter ein. Es dauerte eine
ganze Weile bis die beiden sich beruhigten. Endlich richtete sich der Junge
auf. "Das ist stark", sagte er, "das hat sich jetzt echt gelohnt", und
gluckste weiter. Mareike kam es so vor, als hätte sie diesen Jungen schon
einmal gesehen, aber sie wusste nicht wo. Weil er wieder Hungrig war,
setzten sie ihre Unterhaltung in der Küche fort. "Prinz Hardomuth aus eurer
Nachbarschaft", stellte er sich vor. "Prinzessin Mareike", piepste
Prinzeschen. Auch diesen Namen hatte sie schon gehört. Sie beäugte den
Jungen jetzt etwas vorsichtiger. Was wollte er hier? "Die haben mir
erzählt, dass du eine ganz blöde Zicke bist", platze der Junge heraus und
biss ein Stück Sellerie ab. Zum erstenmal verschlug es Mareike die Sprache.
Eine Zicke, sie? Was erlaubt der sich. "Ich find das gut, das du dir nichts
gefallen lässt", mümmelte er zwischen dem Kauen "und das mit dem Ball find
ich stark." Mareike wunderte sich, sie hatte doch nur eine Aufgabe gelöst,
oder fast, jedenfalls, denn der Ball war im Wasser gelandet. Die beiden
knabberten sich bis zum Morgen durch die Vorräte. Sie entdeckten noch einige
Gemeinsamkeiten und tauschten ihre Träume aus. "Wer am Morgen singt, den
holt abends die Katz", platzte die Küchenmagd herein. "Was macht ihr Kinder
zu dieser frühen Stunde in der Küche?" Hardomut und Mareike rannten kichernd
hinaus. Als sie zum Brunnen kamen, wollte die Prinzessin wissen, wie er das
mit dem Frosch hingekriegt hat. "Ach", sagte Hardomuth, "das ist so ein
Familiengeheimnis. Das darf ich dir aber erst sagen, wenn wir verhei...."
Zum Glück tauchte Herr Heinrich auf. Mareike kannte Herrn Heinrich als
Botschafter des benachbarten Königs. Sie wusste, dass sie dem Hardomuth
schon lange versprochen war. Sie hatte es nur vergessen, weil sie sich nicht
vorstellen konnte zu heiraten. Aber warum wurde sie rot? Sie schaute
schnell weg, damit es niemand sehen kann. - Hardomuth und Mareike
begleiteten Heinrich zum Schloss. Die Königliche Familie frühstückte
bereits, als die drei dort ankamen. Der König freute sich über Hardomuths
Besuch. Nach dem Frühstück lud der Prinz die königliche Familie zu seinem
nächsten Geburtstag ein. Gleich schrieen alle "Hurra" bis auf Mareike, die
wurde wieder rot.
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Eingereicht am 09. Juni 2004.
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