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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Erbärmlich

© Aaliyah Legov


Es ist wirklich erbärmlich. Und krank. Es ist einfach nicht normal. So zu denken. So zu handeln. Es ist wirklich erbärmlich, nach zwei Jahren immer noch an ihn zu denken. Ihn zu beobachten. In seiner Nähe sein zu wollen. Zwei Jahre sind eine lange Zeit. 730 Tage um genau zu sein. 730 Tage, in denen soviel passiert ist. Und doch kommt es mir vor, als wäre es erst gestern gewesen, als ich ihm das letzte Mal wirklich nah war.
Jetzt sind wir wie Fremde. Wir sind sogar noch mehr als Fremde. Wir ignorieren uns, verhalten uns so, als würden wir den anderen nicht wahrnehmen. Als würde er für uns gar nicht existieren. Als wäre nie etwas zwischen uns geschehen.
Doch das, was geschehen ist, kann und will ich nicht vergessen. Ich ertappe mich in ruhigen Momenten selbst dabei, wie meine Gedanken abschweifen, und sich nur um ihn drehen. All das Schlechte ist dann vergessen. Zurück bleibt nur dieses undefinierbare Gefühl der Sehnsucht. Und irgendetwas, tief in mir drin, tut immer noch weh. Das Echo dieses Schmerzes hallt immer noch nach. An manchen Tagen denke ich gar nicht an ihn. Selbst Wochen können vergehen, ohne dass ich eine Erinnerung an ihn hervorgerufen habe. Doch wenn er dann leibhaftig in meiner Nähe steht, kommen viele Gedanken wieder hoch.
Ich müsste nur meinen Arm ausstrecken, dann könnte ich ihn berühren. Und diese Berührung wäre nach all der Zeit immer noch vertraut. Ich könnte ihn auch einfach rufen, nur um den Klang seines Namens noch einmal aus meinem Mund zu vernehmen. Ich könnte so vieles tun, aber ich mache nichts. Ich stehe nur da, und verhalte mich so, als würde ich ihn einfach nicht wahrnehmen.
Und das ist es, was ich als erbärmlich bezeichne. Mich selbst. Warum denke ich noch immer an ihn? Warum ziehe ich extra Kleidung an, in der ich attraktiv aussehe, weil ich vermute, dass ich ihn heute sehen könnte? Ich stehe extra an Orten, an denen er sich aufhalten könnte. Ich tue so vieles, um von ihm beachtet zu werden, aber ignoriere ihn, wann immer ich ihn sehe. Es ist krank, erbärmlich und peinlich zugleich. Nach zwei Jahren!
Verliebt war ich in der Zwischenzeit natürlich wieder. Aber immer hat etwas gefehlt. Eine Kleinigkeit. Er hat gefehlt. Diese Männer waren einfach nicht er. Obwohl er bei weitem nicht perfekt war, oder gut für mich. Aber ich habe ihn geliebt. Und das ist es, was ihn von den anderen Männern unterscheidet. Und ein winzigkleiner Teil in mir liebt ihn irgendwie immer noch.
Ist das nicht erbärmlich?



Eingereicht am 25. September 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.



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