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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Seifenblasen … - eine "Entliebungs-Geschichte"

© LiLa


Nebenan spielte der CD-Player laut kubanische Musik … eigentlich sehr beschwingt, wäre sie in der Stimmung gewesen, dies aufzunehmen.
Aber das war sie eben nicht ... nach einem gefühlvollen und aufwühlenden Spielfilm mit ihrem Lieblingsstar Jack Nicholson, den sie sich heute aus der Videothek entliehen hatte, war sie auf einmal total durcheinander, die Gefühle spielten wieder verrückt, Vergangenes kam hoch und schmerzte nur noch.
Eigentlich glaubte sie ja seit einiger Zeit "darüber hinweg" gekommen zu sein - aber kann man je wirklich über eine so schmerzhafte Erfahrung "hinweg" sein?
Wenn ein Traum einfach zerplatzt wie eine Seifenblase?
Sie dachte an Norbert, der einen Flug gebucht hatte, nach Teneriffa, jetzt im Winter, um sich von der anstrengenden Zeit zu erholen, in der sie ihre Liebe begraben hatten und die Trennung in aller Konsequenz und mit allen Anstrengungen vollzogen hatten.
Ihre Liebe, ja, daran hatte sie fest geglaubt. Seit fast 5 Jahren.
Damals war es ein heftiges Zusammentreffen - sie war selbst gerade dabei, ihre Ehe zu beenden, als Norbert auf sie traf und sich spontan in sie verliebte.
Erst zögerte sie eine ganze Weile, wollte sich nicht so schnell wieder in eine Beziehung stürzen - ihre Dinge zuvor erst regeln, abarbeiten, ein neues Leben anfangen.
Aber Norbert strahlte so viel Zuversicht und Liebe aus, dass ihr Widerstand nicht lange währte. Zu glücklich war sie auch darüber, in ihrem Leben endlich einmal aufgefangen zu werden.
Einmal "sein" dürfen, nicht immer die Fäden in der Hand, die ganze Verantwortung tragen für Familie und Geschäft wie bei ihrem Mann.
So nahm sie gerne an, was er ihr zu geben hatte.
Auf und ab ging es häufig, denn mit der Verantwortung für ein Kind in einem schwierigen Alter ist ein neuer Anfang nicht gerade leicht.
5 Jahre ging es so. Bei allen Schwierigkeiten hatte ihre Liebe immer Bestand und festigte sich … jedenfalls sah es so aus.
Es gab viele Gemeinsamkeiten, Humor, Lachen, viel Schönes. Für alle anderen waren sie das ideale Paar. Ein Traumpaar. Siamesische Zwillinge, die man sich niemals ohne einander vorstellen konnte.
Bis eben vor wenigen Wochen, als Norbert - scheinbar aus heiterem Himmel - sich entschloss, wieder alleine leben zu wollen.
Als es ihm "zu eng" wurde, als es ihm zu lange dauerte, bis sie wirklich frei sein würde. Frei für ihn, der ja schon ein paar Jahre älter war und nur darauf wartete, sie endlich ganz für sich allein zu haben.
Sie hatte immer schon zwischen den Stühlen gestanden, weil Norbert einfach nicht in der Lage war, ihr Kind aus der ersten Ehe wirklich von Herzen anzunehmen - ja: es einfach auch nur zu akzeptieren wie einen Freund.
Immer in der Mitte, immer vermittelnd, immer Angst, alles falsch zu machen dabei.
Dabei gab sie sich so viel Mühe, beiden gerecht zu werden … Norbert und ihrem Kind.
Die Tochter würde ja bald schon das Haus verlassen wollen, ihr eigenes Leben führen wollen - und da wollte sie ihre Liebe behalten, nicht allein sein.
So arbeitete sie immer auf das Ziel hin, den häuslichen Frieden aufrecht zu erhalten, dem Kind dennoch alles mit zu geben, was es brauchte um erwachsen zu werden. Dem geliebten Partner auch das zu geben, was er für sich erwartete und erhoffte.
Es war irgendwie nie genug.
Oft genug saugte das Ganze sie aus und ihre Kraft schien am Ende - immer zweifelnd … immer sich bemühend ... bis zur völligen Blindheit für die Situation.
Norbert provozierte in der letzten Zeit kurz nach dem Zusammenziehen häufig kleinste Auseinandersetzungen. Um ihre Position herauszufordern? Weil er eiferte? Weil er ungeduldig war? Ja: er hatte diese Phase in seinem Leben ja auch schon lange hinter sich gelassen - sein Sohn aus erster Ehe war immerhin schon Mitte 30 und hatte nun selbst ein Kind.
Erst als er ihr im Sommer sagte, deutlich sagte, dass er sich einfach "entliebt" hatte - als sie erkennen musste, dass all ihre Bemühungen nicht das bewirkt hatten, was sie sich erhoffte - da erkannte sie, dass das Kartenhaus endgültig zusammen gebrochen war. Er ließ ihr und der Beziehung auch keine Chance mehr, zog sich einfach zurück, sinnierte Abend für Abend auf der Terrasse im Garten des kleinen Hauses, dass sie sich erst im vergangenen Jahr gemietet hatten.
Er sog den Rauch seiner dicken Zigarren ein, die er neuerdings rauchte, goss sich ein Bier nach dem anderen ein und war unnahbar, fern, entrückt. Hüllte sich in Schweigen.
"Lass ihm die Zeit ... er ist einfach älter geworden. Ja: sogar Großvater neuerdings … das spielt alles eine Rolle mit!" So trösteten die Freunde.
"Das ist typisch: Midlifecrisis" - unkten andere.
"Männer geben so was ja niemals zu - das ist aber so. Der wird sich schon wieder fangen. Hab Geduld." Und sie hatte Geduld. Viel Geduld. Das Spüren seiner Unnahbarkeit bereitete immer wieder Schmerzen.
Aber Norbert fing sich eben nicht. So sehr sie auch wartete und hoffte und Verstehen übte. Er war fest entschlossen, noch einmal "frei und unabhängig" zu sein.
Ihre Zukunftspläne über den Haufen zu werfen ... und das kurz vor seinem Sechzigsten.
Niemals hätte sie daran gedacht - niemals. Sie gab ihm doch alles, was ein Mann sich nur wünschen konnte. Sie waren doch immer so lustig und so glücklich miteinander gewesen. Zählte das auf einmal nicht mehr?
Nein. Es zählte eben nicht. Nicht in Gesprächen, nicht in den zahllosen noch folgenden Nächten, die sie nebeneinander verbrachten - oftmals noch immer in verzweifelten Gefühlen zueinander fanden ... mitten in der Nacht.
Mal zärtlich, mal heftig wie Verzweifelnde, wie Ertrinkende sich aneinander klammerten und ineinander verloren.
Der Tag spielte ein anderes Spiel. Der Tag schmerzte, ließ sie auch Dinge zueinander sagen, die sie sich doch nie sagen wollten. Sie hatten sich all die Jahre doch nie gestritten.
Nun aber war es vorbei. Norbert war in Urlaub geflogen. Sie wusste, dass er sich dort mit einer anderen traf - einfach so, eine Frau, die er kaum kannte, der er Avancen und Hoffnungen machte, die er eigentlich nur benutzen würde.
Fast empfand sie so etwas wie Mitleid mit dieser jungen Frau. Gleichzeitig ekelte es sie an, dass er sich in seinem Alter so "anbiederte". Sie mochte sich die Situation nicht vorstellen.
Obwohl sie wohl die erste war, die sich mit anderen Männern tröstete, ihre Bestätigung so oft suchte und fand - einfach wegstecken, vergessen?
Es schien doch nicht so ohne weiteres möglich zu sein.
Jedenfalls nicht jetzt, nicht heute…
Wie war noch der Abschluss-Song in diesem Film? Die beiden Zeilen gaben ihr den Rest, sie weinte so haltlos, wie die Hauptdarstellerin des Filmes es tat, nachdem sie ihre Liebe verloren glaubte.
Das erste mal in den vielen nervenaufreibenden Wochen.
"You got to learn how to fall before you learn how to fly!"
Ja. Manchmal muss man lernen zu fallen, bevor man fliegt.



Eingereicht am 05. Mai 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.



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