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Eine seltsame Einladung

Von Karl-Heinz Ganser


Michael Wessler las die Einladungskarte, die gerade mit der Post gekommen war, immer wieder.
Wir laden Sie zu unserer Sylvester-Party
in den Löwenkeller nach München herzlich ein.
Ihre Firma SOLTEC
Ich freue mich auf ein Wiedersehen.
Gruß Grit
Bleib' lieber Zuhause
Welche Firma schickt einem Praktikanten im väterlichen Maschinenbaubetrieb schon eine solche Einladung? Was aber bedeuten diese ungewöhnlichen Zusätze?
Michael geriet ins Grübeln.
Den Namen "Soltec" hatte er noch nie gehört. Wer war wohl diese Grit, die sich erst auf ein Wiedersehen freute und dann doch wollte, dass er zu Hause blieb?
Auf einmal fiel ihm ein, dass eine Grit Gerharts, die schlanke Blonde mit dem holländischen Akzent, im vergangenen Sommer mit ihm zusammen Abitur gemacht hatte.
Ob die Grit dahinter steckte? Wohl kaum, denn so etwas würde sie nicht machen.
Schließlich war sie mit dem dicken Benedikt befreundet gewesen und das sicher auch noch heute.
Je mehr er darüber nachdachte, umso mehr reizte es ihn, nach München zu fahren um einfach zu sehen, was und wer hinter der Einladung steckte.
Als er den reservierten Raum im "Löwenkeller", der mit bunten Girlanden und Luftballons geschmückt war, betrat, spielte gerade eine Drei-Mann-Kapelle einen Blues.
"Herzlich willkommen!"
Michael drehte sich erschrocken um.
"Ich bin Jan Gerharts! Ich habe Ihnen die Einladung geschickt! Sie kennen meine Tochter, nicht wahr?"
Der Herr im grauen Zweireiher schmunzelte und streckte ihm seine Hand entgegen.
"Ich weiß nicht, ob ...", stotterte Michael.
Eine junge blonde Frau im kurzen schwarzen Kleid trippelte auf ihn zu.
"Grit, du ... und hier ...", stammelte Michael und wurde ganz verlegen.
"Ja, das ist aber schön, dass du gekommen bist", sagte Grit und strahlte ihn an. "Komm, wir gehen an die Bar, da können wir uns besser unterhalten!"
An der Bar tranken sie Krim-Sekt. Nachdem Michael sich wieder gefangen hatte, wollte er natürlich als Erstes wissen, was diese merkwürdige Einladung zu bedeuten habe. Grit sah sich kopfschüttelnd die Karte an. Nach einer Weile sagte sie ganz leise: "Das kann nur der Benedikt gemacht haben!"
Sie erzählte ihm dann, dass Benedikt nach dem Abitur in der Firma angefangen habe und Vater ihn sehr schätze.
"Ich mag ihn in letzter Zeit nicht mehr." Grit blickte nachdenklich in das halb volle Sektglas. "Jetzt bin ich froh, dass du hier bist." Sie drückte zärtlich seine Hand.
"Aber ich bin nicht froh, dass der Kerl hier ist!", polterte plötzlich eine scharfe Stimme von hinten.
Michael fuhr herum. Vor ihm stand aufgeplustert und drohend der dicke Benedikt.
"Ich hab' dir doch geschrieben, dass du zu Hause bleiben sollst. Hast du das nicht kapiert?", keifte er und seine speckigen Hände wollten ihn an den Hals fassen.
Michael starrte ihn fassungslos an.
"Lass die Finger von Michael! Du bist ja betrunken!", hörte er Grit rufen.
"Ach, der Maschinenbaufritze ist jetzt wohl auf einmal mehr wert als die rechte Hand vom Chef?" Benedikts Gesicht lief puterrot an. "Das wird dir noch Leid tun!" schnaubte er und torkelte laut maulend auf die Terrasse.
Inzwischen war es kurz vor zwölf geworden. Alle Gäste erhielten Kracher und Raketen, die sie auf der Terrasse zünden sollten.
"Schau mal, Michael, das hier wird eine wunderschöne Sonne, die schießen wir gemeinsam in den Himmel! Ja?" Grit lachte.
Michael bemerkte, dass Benedikt, der direkt neben ihm hockte, eine große Rakete plötzlich auf ihn richtete und zündete.
Im gleichen Augenblick krachte und zischte es und ein riesiger Feuerball tauchte für Sekunden die Terrasse in gleißendes Licht.
Michael und Grit schrieen fast gleichzeitig entsetzt auf. Michael spürte einen brennenden Schmerz an der rechten Schulter, wurde ohnmächtig und plumpste zu Boden.
"Hilfe! Hilfe! Kann mal einer helfen?", rief Grit aufgeregt. Dann beugte sie sich zu Michael herunter und streichelte ihm ganz behutsam über sein verschwitztes Haar.
"Macht mal Platz Leute, ich bin Arzt!" Ein älterer Herr mit weißem Schnurrbart stellte schnell fest, dass es sich nur um eine leichte Brandwunde handelte.
"Das ist ja noch mal gut gegangen", seufzte Grit erleichtert und half Michael beim Aufstehen.
"Komm, wir gehen jetzt zu uns nach Hause. Es ist nicht weit von hier. Ich denke, die Party ist für uns zu Ende! Oder möchtest du noch hier bleiben?" Grit sah ihn fragend an.
Michael schüttelte den Kopf. Dann nahm er Grit plötzlich in seine Arme und küsste sie so leidenschaftlich, dass einige Partygäste spontan klatschten und "Bravo" riefen.



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