Voller Verwunderung registrierte sie diese Aufmerksamkeit. Rote Rosen, er schenkte ihr rote Rosen!
Ach, so viele, viele Jahre hatte sie vergeblich um seine Aufmerksamkeit gebuhlt. Hatte gewimmert und gefleht, um Zärtlichkeit und Liebe gebettelt. Nur wütend hatte sie ihn damit gemacht. In völligem Unverständnis waren ihr heiße, hitzige Worte entgegen geschmettert worden. Sie hatte sich geschämt, voller Verzweiflung weinend ins Bett gelegt und sich selbst verflucht, für ihre gezeigte Demut.
Das ganze Leben, das Sonnensystem, das Universum, drehte sich ausschließlich nur um ihn. Sie spielte in seinem Leben nur die Rolle der lästigen Schmeißfliege, wenn sie ihn mit eigenen Ansprüchen nervte.
Die meiste Zeit war sie sein Schatten, eifrig bemüht ihm zu Gefallen zu sein. Ihre seltenen Ausbrüche nahm er als unerquickliche Begleiterscheinung mit genervt, gerunzelter Stirn entgegen.
Dabei wäre das Leben ohne sie für ihn sehr viel mühseliger. Wer kümmert sich, in seiner Position, auch schon um solche Nichtigkeiten wie sauberer Wäsche oder bezahlter Rechnungen? Außerdem lauschte sie so willig seinen geistigen Ergüssen, seinen Ideen, die er natürlich selten in die Tat umsetzte.
Rote Rosen, er schenkte ihr rote Rosen.
Sie war wie immer, freundlich und aufmerksam gewesen an diesem Tag. Wie immer, hatte sie seine Launen und Meckereien still ertragen oder sogar noch versucht ihn zu beruhigen, ja sogar Schuld auf sich zu nehmen, die sie nicht trug.
Am Nachmittag kam er mit dem Strauß dunkelroter Rosen ins Haus. Plagte ihn etwa das schlechte Gewissen, zum ersten Mal nach so vielen Jahren?
Ihn anlächelnd nahm sie den prachtvollen Strauß entgegen. Und dann riss sie ganz langsam, Blüte für Blüte von den dunkelgrünen Stängeln. Der Teppich zu ihren Füßen wandelte sich in ein prachtvoll leuchtendes Blütenmeer. Ihr war, als riesele mit diesen roten Blütenblättern ihr Herzblut, ihre geweinten und ungeweinten Tränen auf den Boden.
Erstaunt und sprachlos sah er ihr zu. Sie sah ihn nicht einmal mehr an, als sie den Raum verließ.
Rote Rosen, er schenkte ihr rote Rosen
Ganz aufrecht stand sie auf der Straße, den kleinen Koffer fest in der rechten Hand. Es war ihr nicht mehr wichtig, ob er sie beachtete oder nicht. Er musste ihr nun keine Liebe mehr schenken und auch keine roten Rosen. Sie hatte ihn losgelassen. Sie war frei.