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Kurzgeschichten Krimi Spannung

Es war doch so perfekt

Eine Kurzgeschichte von Annika Keßler


"Töte meinen Mann!" Sie trat an das Fenster und sah nach den Sternen.
"Ich kann das nicht, er ist mein Freund", sagte er.
"Wenn du mich wirklich liebst, dann bring ihn um!", zischte sie verärgert.
In der Nacht lag Michael lange wach und überlegte. Er liebte Sophia, aber seinen alten Freund Tom umzubringen, brachte er nicht übers Herz. Er war schon fast eingeschlafen, da kam ihm eine rettende Idee.
Als Sophia am nächsten Tag seine Entscheidung hören wollte, antwortete er: "Nein, ich werde Tom nicht töten, aber trotzdem werden wir in Frieden zusammen leben können." Am Anfang verstand Sophia nicht, aber als Michael es ihr näher erklärte, fand sie den Plan einwandfrei.
Sie warteten bis es stockdunkel war. Die zwei schwarz gekleideten Gestalten liefen durch die Nacht, zu dem gemeinsamen Haus von Sophia und ihrem Mann. Doch sie gingen nicht hinein, nein, sie gingen zu einem Nachbarhaus und klopften an. Michael ging schnell hinter einer Hecke in Deckung. Die Nachbarin durfte ihn nicht sehen. Sophia stand mit klopfendem Herzen vor der Tür und wartete. Was sie nun vor hatten war einfach schrecklich. Engelore Schremser wohnte schon hier, als sie vor elf Jahren eingezogen waren. Wenn es ihr schlecht ging, fuhr Sophia sie zum Arzt, oder brachte ihr vom Einkaufen etwas mit. Es war einfach eine einwandfreie Nachbarschaft und nun wollten sie... Endlich öffnet sich die Tür und die alte Frau stand ziemlich verschlafen und im Morgenmantel in der Tür. "Oh Engelore, gut dass du da bist!" Sie tat ihr bestes, aber sie spürte, wie ihre Hände zitterten. Schnell steckte Sophia sie in die Manteltaschen. "Leider hab ich mich ausgeschlossen und komm jetzt nicht ins Haus. Ich hab dir doch auch mal für Notfälle einen Schlüssel gegeben, oder? Könnte ich den bitte mal kurz haben?" "Oh Moment, ich hol ihn....", war die freundliche Antwort. Gerade als sich Engelore umdrehte, stürzte Michael hinter der Hecke hervor und stach mit einem langen Küchenmesser zu. Die alte Frau wollte schreien, aber es war zu spät. Lautlos sackte sie auf den Boden.
Schrecklich lange Sekunden der Stille verstrichen. Sie starrten auf die Frau und konnten nicht fassen, was sie getan hatten. Michael fing sich als erster. "Den schwierigsten Teil haben wir geschafft", sagte er aufmunternd. Sophia nickte zustimmend und holte aus einer großen Tasche, die sie mitgebracht hatte, ein Hemd, Schuhe und einen kleinen Plastikbehälter mit Deckel. Fast hatte Tom sie erwischt, als sie am Vortag seine Schuhe nahm und einpackte. Zum Glück ließ er sich mit der Ausrede "ich mach sie nur sauber" ablenken. Sie nahm das Hemd und hielt es an ein paar Stellen in die kleine Blutlache vor der Leiche, die sich unaufhaltsam ausbreitete. Nun kamen die Schuhe an die Reihe. Michael nahm sie und drückte deutliche Fußabdrücke in die Erde des Vorgartens. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass etwas Dreck an den Schuhen hängen geblieben war, steckte er auch sie zurück in die Tasche. In den Plastikbehälter füllten sie noch etwas Blut. Damit wollten sie später noch ein paar deutliche Spuren hinterlassen. Leise schlossen sie die Tür und ließen die tote Frau Schremser in der Eingangshalle zurück.
Sie schlichen sich zu Sophia und Toms Haus und schlossen die Tür auf. Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, würde Tom jetzt tief und fest schlafen. Zur Sicherheit hatte Sophia ihm Schlaftabletten in seinen Whisky, den er jeden Abend trank, gemischt. Sie gingen die Treppe hinauf in das Schlafzimmer. Er lag ruhig in seinem Bett und schlief. Sophia stellte sich vor ihn und lauschte seinem Atem. Sie begann zu zweifeln. Was taten sie ihm da nur an. Eben liegt er noch friedlich in seinem Bett und morgen wird er schon festgenommen sein. War es das wirklich wert? Noch könnte sie das Hemd wegwerfen und die Fußabdrücke glatt streichen. Doch dann dachte sie an Michael. Ja, er war es wert. Mit ihm hatte sie die glücklichsten Stunden ihres Lebens verbracht. "Es tut mir leid", flüsterte sie und begann etwas Blut von dem Behälter auf den weißen Teppich zu schütten.
Es war ihnen schon klar, dass jeder Richter daran zweifeln würde, dass er es war. Es waren zu viele Beweise, aber bei diesen Beweisen dürfte ihn auch niemand freisprechen.
Michael nahm in dieser Zeit das blutige Messer und drückte es vorsichtig in die linke Hand von dem schlafenden Tom. Er würde nicht den typischen Fehler machen und die falsche Hand nehmen, denn er wusste dass Tom Linkshänder war. Er sah auf seine eigenen Hände hinab und ihm wurde bewusst, dass sowohl sein rechter, als auch sein linker Latex-Handschuh blutig war. So nahm er auch Toms rechte Hand und benetzte sie etwas mit Blut. Noch ein kleiner Spritzer auf der Stirn und Michael war zufrieden. Es konnte nichts schief gehen. Leise schlich er durch den langen, dunklen Flur zur Tür. Plötzlich zuckte er zusammen. Irgendetwas war mit einem lauten Knall zu Boden gefallen. Er sah sich um und bemerkte, dass er mit seinem Fuß an einem der vielen Kabel, die auf dem Boden verteilt waren, hängen geblieben war. Dadurch war eine Bohrmaschine von einem Stuhl auf die großen Bodenkacheln gefallen. "Mist!", knurrte Michael leise, "schläft er noch?" Ein leises "Ja" war aus Richtung des Schlafzimmers zu hören. Es war alles in Ordnung. Es gelang ihm, das Haus unauffällig wieder zu verlassen. Sophia legte sich neben Tom auf das Bett. Das viele Blut ekelte sie an und sie verspürte einen Brechreiz, unterdrückte ihn aber und schlief von der Anstrengung des Tages auch ziemlich bald ein.
Michael fuhr nach Hause. Im Gegensatz zu Sophia hatte er die ganze Nacht kaum ein Auge zu getan. Kaum war er kurz eingenickt, sah er schreckliche Bilder vor sich: Eine alte Frau... Sie schrie... Aus ihrem Rücken klaffte ein Messer... Da kam ein Polizist... Er rannte hinter Michael her... Er wollte ihn fassen... Er schoss...!
Schweiß gebadet wachte er auf. Der Mord hatte ihn doch mehr mitgenommen, als er gedacht hatte. Aber es war alles in Ordnung, kein Grund zur Panik. Es musste einfach funktionieren.
Michael öffnete von einem Geräusch geweckt die Augen. Er blickte tief in den Lauf einer Pistole. Aus Michaels Mund kam ein undefinierbarer Laut. Eine Mischung aus Schreck, Angst und Entsetzen. Wenig später stellten seine Augen den Rest des Zimmers scharf. Ein Dutzend Polizisten standen mit gezogener Waffe vor ihm. Er war wie in Trance, als ihn die Polizisten festnahmen. Er wehrte sich nicht und antwortete auch nicht auf die Fragen, die man ihm stellte. Aber sein Gehirn lief auf Hochtouren. Was war schief gegangen? Hatten sie Sophia auch? Was passiert jetzt? Tausende Fragen schossen ihm durch den Kopf, aber auf keine fand er eine Antwort. Er folgte den Polizisten brav in den Wagen. Erst spät realisierte er, dass Sophia neben ihm saß und leise schluchzte. Tränen rannen ihr über die Wangen.
Es war doch so perfekt.
Erst als sie beide in Untersuchungshaft saßen, erzählte man ihnen, warum sie gefasst worden waren: Tom hatte schon lange den Verdacht, dass Sophia ihn betrüge und deshalb hatte er am ganzen Haus Überwachungskameras angebracht, die ihre Schandtat genau gefilmt hatten. Es brachte nichts, es zu bestreiten. Sie hatten keine Chance. Beide wurden zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt.
Sophia lauschte dem leisen Klicken des Schlosses am Gefängnistor. Nun ist wirklich alles aus. Es war halt doch nicht perfekt gewesen.



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