Zwei freundliche, ältere Herren
© Manfred Schröder
Man kommt nichts ins Gefängnis, weil man gegen
das Gesetz verstossen hat. Sondern weil man sich
hat erwischen lassen.
Der Kiosk lag abseits der Hauptstrasse und nur eine Spuckweite von der Sparkasse entfernt. Eigentlich wollte man ihn abreissen, doch dann waren zwei neue Pächter gekommen und die Kids der Umgebung konnten sich weiterhin ihre Süssigkeiten und billige Bildchen von Fussballstars kaufen. An den zwei kleinen Tischen, die vor dem Kiosk standen, sassen meist ältere Männer und philosophierten über Fussball.
Die beiden Pächter waren freundliche und schon betagte Herren, die abwechselnd die Kundschaft bedienten. Des Öfteren war auch ein junger und kräftiger Mann zu sehen, der dort irgendeine, nicht genau bestimmbare Tätigkeit verrichtete.
Der Kiosk war nicht sehr gross, doch es gab einen Hinterraum, der als Vorratskammer diente, und in dem auch ein eisernes Bett stand. Am Montag war der Kiosk geschlossen. Doch einem aufmerksamen Beobachter wäre vielleicht aufgefallen, dass sich auch an diesem Tage die Männer dort aufhielten. Und hätte ebenfalls bemerkt, dass jeweils einer der beiden älteren Herren, mit dem jungen Manne dort über Nacht blieb und man jeden Morgen, grosse, vollgefüllte Säcke aus dem Kiosk in einen V-Bus verfrachtete. Doch warum sollte
jemand daran Interesse haben. Es gab ja keinen vernünftigen Grund dazu.
Die beiden freundlichen Herren hatten den Kiosk im Frühling übernommen. Sommer, Herbst und Winter waren ins Land gezogen und der nächste Frühling lag schon in den Bäumen. Alle war, wie es immer war.
Doch in einer schwülen Märznacht, es war ein Samstag, glaubten einige Anwohner einen dumpfen Knall gehört zu haben. Hatten aber dem keine grosse Bedeutung beigemessen und sich wieder ihrer nächtlichen Tätigkeit gewidmet. Geschlafen, oder was man sonst noch in der Nacht tut.
Doch als am Montagmorgen der Sparkassenleiter in das Untergeschoss der Bank hinabstieg, sah er die Bescherung. Ein fachmännischer, gesprengter Tresor und aufgebrochene Schliessfächer. Und die Herren Einbrecher hatten nur das mitgenommen, was sie für wichtig hielten. Nämlich Bargeld. Wertpapiere und sonstiges, was sich schlecht, oder nur mit grossem Risiko zu Geld machen liess, hatten sie liegengelassen.
Als die Polizei eintraf, endeckte sie schnell das Loch in der Wand, welches einen Blick in einen gegrabenen Tunnel freigab.
Hauptkommissar Wehner liess es sich nicht nehmen, als erster den Stollen zu betreten. Das heisst, hindurch zu kriechen. Es schien eine endlose Strecke zu sein, bis er an eine Leiter stiess, die in einem Schacht nach oben führte. Hinter sich hörte er das Fluchen seines Assistenten, der sich wohl den Kopf gegen die Decke gestossen hatte. Mit einiger Mühe, sein üppiger Bauch wollte da zunächst nicht mitmachen, konnte er auf den Sprossen der Leiter Fuss fassen. Nach kurzem, doch anstrengendem Klettern, befand sich
sein Kopf in einem Raum, in dem ein einfaches Eisenbett, nebst Kisten mit Bier und Limonade und sonstigem, was ein Kiosk so alles verkauft, zu sehen war. Er stieg höher und betrat den Raum. Er nickte anerkennend.
-Gute Arbeit!-
Hinter ihm kam der Kopf seines Assistenten zum Vorschein. Dann gewahrte der Kommissar Wehner das Schild an der Wand, auf dem ´Kiosk, bis auf weiteres geschlossen´, geschrieben stand.
Er blickte zu seinem Assistenten und sagte:
-Humor hatten die beiden Herren. Und Ahnung von Fussball. Ich habe nämlich oft mit ihnen darüber gesprochen.-
Er seufzte tief.
-Na, dann ran an die Arbeit.-
Eingereicht am 11. Februar 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.