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Kurzgeschichten Krimi Spannung

New Sherlock - Vergangenheit

© Susanne Eglmeier


Die Scheiben des Spiegels im Badezimmer waren schon ganz beschlagen, als Sherly das Handtuch, dass sie um den Körper geschlungen hatte, fallen lies und sich in das heiße Badewasser legte. Der Stress, der seit Tagen auf ihren Schultern ruhte, schien von ihr herab zu fallen und sie schloss entspannt die Augen. Hier fand sie die Ruhe, die ihr nirgends sonst gewährt wurde. Sherly hatte sich ein richtiges Paradies im Badezimmer eingerichtet: neben ihr auf dem Badewannenrand stand ein Aschenbecher, ein Feuerzeug und eine Schachtel Zigaretten bereit. Außerdem lag ein sehr altes Buch dort, dass wohl schon sehr viel durchgemacht hatte. Sie griff nach dem Feuerzeug und einer Zigarette, zündete sie an und zog daran. Sie gab ein freudiges Stöhnen von sich, dann wendete sie sich dem Buch zu. Es hatte einen roten Ledereinband, die goldene Schriftzug, "Diary" war schon verblasst, doch noch gut lesbar. Auf der ersten Seite fand sich der Name der Person, der dieses Tagebuch einst gehört hatte: Odette Warren. Sherly begann zu lesen.
25. Februar 1878
Liebes Tagebuch,
mir scheint, als hätte sich am heutigen Tag mein Schicksal verändert. Ich lernte einen Mann kennen, der vielleicht mein Leben beeinflussen wird.
Ich war gerade auf dem Weg in die Bibliothek, und wollte gerade die Treppen zum Eingang besteigen, als ich auf dem glatten Boden ausrutschte. Ich verlor das Gleichgewicht, doch als ich nach hinten zu fallen glaubte, fassten mich zwei starke Hände von hinten und ich landete sanft an der Brust eines Mannes. Ganz beschämt von meinem Missgeschick bedankte ich mich bei dem Herrn, doch dieser sagte "Sie wollen doch auch in die Bibliothek, nicht wahr? Bitte begleiten Sie mich doch." Ich nahm das Angebot des Mannes an und er verriet mir gleich seinen Namen: Sherlock Holmes. Mir war, als hätte ich diesen Namen schon in der Zeitung gelesen, doch dies schien mir in diesem Moment nicht wichtig. Während er sich Bücher über Chemie aus den Regalen holte und ich mir "Ein Sommernachtstraum" durchlas, stellte er mir leise Fragen über mein Leben. Ich wiederum erfuhr nur wenig über seine Tätigkeiten, zum Beispiel, dass er fünfzehn Jahre älter als ich ist und normalerweise in London lebt. Es schien mir unschicklich, weiter danach zu fragen, auch wenn es mich sehr interessierte. Später lud er mich in ein nobles Cafe ein, wo wir uns weiter unterhielten. Während er seinen Earl Grey Tee trank, beobachte ich sein Gesicht ganz genau. Seine grauen Augen hatten etwas Mystisches an sich, seine Stirn zeigte schon etliche Falten. Allmählich erzählte er mehr von seinem Leben, blieb aber dennoch sehr ungenau, was seinen Beruf anging. Hoffentlich finde ich mehr über ihn heraus, denn er lud mich für morgen zum Theater ein.
Sherly überging ein paar Seiten des Tagebuchs, als suche sie nach einer bestimmten Stelle. Die Niederschriften ließen genau darauf schließen, dass sich zwischen Odette und Sherlock eine zarte Liebe entwickelte.
3. März 1878
Ich schwebe wie auf Wolken. Sherlock und ich haben uns zum ersten Mal geküsst. Wir standen vor meiner Haustür, die Schneeflocken hatten schon eine weiße Schicht auf seinen schwarzen Haaren gebildet, als er sich zu mir niederbeugte und sanft meine Lippen küsste. Langsam bin ich mir sicher, dass ich mit diesem Mann mein ganzes Leben verbringen möchte. (…) Wieder ein paar Seiten weiter schien der Höhepunkt dieser Liebe erreicht.
29. März 1878
Sherlock hat um meine Hand angehalten. Auch wenn wir uns erst seit knapp einem Monat kennen, hat er mir einen silbernen Ring mit einem Amethyst an den Finger gesteckt. Vor Glück bin ich ihm um den Hals gefallen, denn ich weiß, er wird mich glücklich machen. Auf die Frage, wo wir beide dann leben sollten, antwortete er, dass er mich nach London holen wird. (…) 17. April 1878 Mein Geliebter wird nach London zurückkehren. Er hat mir endlich gestanden, dass er als Detektiv arbeitet und den Fall, weshalb er nach Paris kam, gelöst habe. Mir kamen die Tränen, als er sagte, dass er mich in ein paar Monaten nach London bringen würde. Ich weiß nicht, wie ich diese lange Zeit überstehen werde. Auf die Frage, wieso ich ihm nicht schon jetzt folgen könne sagte er nur, dass er erst sein Leben in Ordnung bringen müsse. Er klang sehr traurig, als er dies sagte. Deshalb konnte ich ihm auch nicht die freudige Botschaft mitteilen, dass ich sein Kind unter meinem Herzen trage. Ich werde es ihm gestehen, wenn die Zeit reif ist. (…) 22. Januar 1879 Ich halte nun den Sohn meines geliebten Sherlocks in den Händen, von dem er immer noch nichts weiß. Ich gab ihm den stolzen Namen Henry und hoffe, dass ich endlich eine Nachricht seines Vaters erhalte. Denn ich will ihm nicht per Brief die Nachricht seines Sohnes mitteilen. Täglich sehe ich in den Briefkasten und hoffe auf einen Brief meines Geliebten. Ich bete zu Gott, dass es ihm gut geht und dass er bald seine Familie nach London holt. (…) Ein halbes Jahr später traf ein Brief von Sherlock Holmes ein, er ist auf die letzte Seite des Tagebuches eingeklebt.
Geliebte Odette,
mit Bedauern muss ich dir mitteilen, dass ich dich nicht nach London holen kann. Es tut mir Leid, dich so lang warten lassen zu haben. Auch wenn ich dich von tiefsten Herzen liebe, im Innersten weiß ich doch, dass ich dir nie ein sicheres Leben an meiner Seite bieten könnte. Ich bitte dich, nimm den Ring ab, den ich dir einst schenkte und finde einen Mann, der dir das geben kann, dass ich nicht vermag. In ewiger Treue,
dein Sherlock Holmes.
Als dieser Brief ankam, war Odette Warren schon, wie es schien, an gebrochenem Herzen gestorben. Sherlys Urgroßvater Henry wurde bei entfernten Verwandten aufgezogen, doch dieses Tagebuch wurde ihm vermacht, damit er immer von seiner Herkunft wusste.
Sherly schlug gerade das Buch zu, als es an der Tür klopfte. "Sherly?" es war Watsons Stimme, die Sherly aus der melancholischen Stimmung holte. "Es tut mir Leid, dich stören zu müssen, aber ein gewisser Duke Blunt ist am Telefon. Er sagt, er habe einen neuen Fall für dich." "Sag ihm, dass ich gleich für ihn da bin." Etwas genervt stieg Sherly aus der Badewanne, trocknete sich sorgfältig ab und zog sich wieder an. Sie würde wohl später den Gedanken aus der Vergangenheit nachgehen müssen.





Eingereicht am 14. März 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.




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