Die Mär von Tristan und Isolde
© Bettina Buske
Tristan und Isolde - Tristans Zeugung und Jugend
Vor langer Zeit herrschte Fürst Riwalin über Lohnois.
Als er in jungen Jahren sein Amt übernahm, hatte er den Fürsten Morgan bekriegt und sein eigenes Herrschaftsgebiet so vergrößert. Nach ein paar Jahren dachte er, dass es nun an der Zeit sei, seine höfischen Tugenden zu verbessern. Deshalb reiste er in das Land Kurnewal an den Hof von König Marke in Tintajol, wo er freundlich aufgenommen wurde. König Marke hatte eine Schwester, die hieß Blanchefleur und war sehr schön. Rivalin und Blanchefleur liebten einander, seit sie sich gesehen hatten. Ihr Glück wurde
jäh unterbrochen, da Kurnewal von den Iren mit Krieg überzogen wurde und alle Ritter Kurnewals und mit ihnen auch Riwalin zum Kampfe zogen. In der letzten Schlacht erhielt Riwalin von einem Speer eine Wunde auf Leben und Tod. Man brachte ihn nach Tintajol und alle im Land sorgten sich um den Helden. Aber ganz unbeschreiblich war die Sorge, die Blanchefleur empfand. Sie vertraute sich ihrer alten Erzieherin an und mit deren Hilfe gelang es ihr, allein am Krankenlager von Riwalin die Nacht zu verbringen. Dort
küsste sie ihn wohl tausendmal und weckte seine Sinne, dass die Beiden ihre Liebe körperlich ausleben konnten. So empfing Blanchefleur ein Kind von Riwalin.
Das Schicksal war den Liebenden noch freundlich gesonnen und Riwalin gesundete nach einer Zeit. Da erhielt er die Nachricht, dass sein Feind, Fürst Morgan die Abwesenheit genutzt hatte und die Städte und Dörfer Lohnois verwüstete. Beim Abschied von Blanchefleur erfuhr Riwalin von seinem Kind und um der Prinzessin die Schande zu ersparen, nahm er sie mit auf sein Schiff. In seinem Schlosse Karnoel angelangt, wurden sie von dem Priester getraut, dann übergab er die Fürsorge für die Fürstin an den treuen Marschall
Rualt und zog in den Krieg gegen Morgan. Nach Beendigung des Krieges sollte die Hochzeit mit großem Aufwand gefeiert werden, damit alle Welt von der ehrenvollen Verbindung des Fürsten mit der Königsschwester erfahren sollte. Jedoch schon bald erhielt die Fürstin die Nachricht, dass Riwalin im Kampf mit Fürst Morgan gefallen war. Das war zuviel Schmerz für sie und drei Tagen später gebar sie Riwalins Sohn. Sie merkte, dass der Tag seiner Geburt auch ihr Todestag wird, küsste das Kind und gab ihm einen Namen
den keltische Könige tragen, der aber in ihren Ohren wie Trauer klang, den Namen Tristan.
Rualt gab Tristan in weiser Voraussicht als einen seiner Söhne aus, da dem starken Andrang der Truppen des Fürsten Morgan nicht mehr genug Männer entgegengestellt werden konnten und er in Sorge war, dass Riwalins Sohn erschlagen würde. So einigte er sich mit Morgan und blieb der Verwalter von Schloss Karnoel.
Als Tristan sieben Jahre alt war, wurde der Waffenmeister Gorneval sein Lehrer. Gorneval erzog ihn zu einem jungen Edelmann, der eine Zierde seines Standes war. Viele Sprachen sprach er, beherrschte die Künste der Musik, der Dichtung und der Jagd, auch in der Kunst der Turnierkämpfe war er gründlich unterrichtet worden. Rualt war sehr stolz und liebte Tristan wie ein Vater seinen Sohn liebt. Immer wieder betrachtete er ihn, um Züge von Riwalin und Blanchefleur in ihm zu entdecken und im Innersten verehrte er
Tristan als seinen Herren.
Eines Tages landeten handeltreibende Wikinger an der Küste von Lohnois. Sie lockten Tristan und Gorneval auf ihr Schiff und stachen in See, in der Hoffnung, später ein gutes Lösegeld für Tristan zu erhalten.
Gorneval setzten sie in ein Boot mit Rudern auf hoher See aus. Jedoch kam bald ein großer Sturm auf, der so heftig war, dass die Besatzung fürchtete, vom Zorn der Götter getroffen worden zu sein. Da setzten sie Tristan zur Besänftigung ihrer Götter an einer einsamen Küste aus. Kaum war das geschehen, legte sich der Sturm, so dass sie ihren Heimweg fortsetzen konnten. Tristan befand sich in einer kleinen Bucht, die von bewaldeten Felsen eingeschlossen war. Ein großer Hirsch sprang aus dem Wald heraus und auf
ihn zu, gefolgt von Jägern und einer Hundemeute. Bevor der Hirsch Tristan erreichte brach er in die Knie und ein Jäger gab ihm den Fang. Als Tristan sah, dass man den Kopf des Hirsches abschneiden wollte, als ob ein Schwein geschlachtet würde, ging er dazwischen. Er zeigte den Jägern, wie ein Hirsch gehäutet, entbeint und zerlegt wird, gab den Hunden ihren Anteil an der Jagdbeute und ließ die Jäger in schöner Ordnung mit dem Wildbret auf Astgabeln antreten. Er lies sich ein Jagdhorn geben und blies ein schönes
Stück darauf, das sich die anderen Jäger gleich zeigen ließen. Auch wurde er nach seiner Herkunft gefragt, denn den Jägern gefiel, was er tat. Tristan, dem das Erlebnis mit den Wikingern noch frisch war, gab sich aus als Kaufmannssohn aus Lohnois, der die Welt erkunden wollte. Als Kaufmann stand er unter Königsschutz, so dass niemand ihm willkürlich ein Leid zufügen würde, aber er war als Kaufmann nicht so gefährdet, zur Geisel genommen zu werden. Die Jagdgesellschaft wollte Tristan, den Kaufmannssohn mit
den reichen Kenntnissen der hohen Jagd dem König vorstellen. Sie erreichten das Schloss Tintajol und die Fanfarenklänge der Jäger und ihr schöner Aufzug lockten König Marke selbst an das Tor. Der Jägermeister berichtete, wie sie auf Tristan, den Kaufmannssohn aus Lohnois trafen.
Der König konnte den Blick nicht von Tristan wenden.
Er fragte sich, was an dem edlem Jungen so vertraut für ihn war, schien es doch, als würde er ihn schon immer kennen. Vermutlich war es das Land seiner Herkunft, Lohnois, das diese Empfindungen verursachte.
Schnell verdrängte er die traurigen Gedanken an Riwalin und Blanchefleur.
Bei der Abendgesellschaft zeigte sich, dass Tristan nicht nur die Jagd beherrschte, sondern auch das Harfenspiel und die Kunst des Gesanges, als hätte er die edelste Erziehung genossen. König Marke bat Tristan zu bleiben, weil mit ihm die Freude in sein Schloss gekommen ist. Tristan blieb gerne, denn er spürte eine tiefe Verehrung und Liebe für König Marke.
So lebte er an die drei Jahre in Tintajol. Am Tage nahm er an den Jagdausritten teil, nachts schlief er in den königlichen Gemächern, wie es die engsten Vertrauten des Königs taten. Er tröstete König Marke mit seinem Harfenspiel, wenn dieser traurig war und erwarb sich auf Grund seiner Talente große Beliebtheit bei den Edlen des Landes. Trotz seiner angesehenen Stellung und Wertschätzung am Hofe von Tintajol hatte Tristan große Sehnsucht nach seinem Vater Rualt und seinem Lehrmeister Gorneval.
Gorneval gelangte mit viel Mühen wieder nach Karnoel und berichtete Rualt von Tristans Entführung. Rualt machten sich mit Gorneval auf und eine jahrelange Suche führte sie über Norwegen nach Kurnewal. Dort wies er sich vor König Marke mit dem Ring, den dessen Schwester Blanchefleur trug aus und offenbarte Tristans Herkunft. König Marke umarmte den Neffen gerührt und versicherte, dass er ihn als Nachfolger einsetzen werde, da er keine eigenen Kinder hatte und nun auch nicht wünschte.
Tristan wurde von König Marke zum Ritter geschlagen und mit Waffen ausgerüstet, dann zog er auf Schiffen über das Meer, ließ sich von den Vasallen seines Vaters anerkennen und forderte Fürst Morgan zum Kampf.
Dieser höhnte Tristan, nannte ihn nicht erbberechtigt, da einer Liebelei entsprungen, seine Legitimität sei zweifelhaft, weil es keine öffentliche Hochzeit gab.
Da tötete Tristan Fürst Morgan und konnte so nach einem verlustreichen Kampf mit Morgans Männern sein Land in Besitz nehmen. Dann rief er seine Barone zusammen und verkündete ihnen, dass der Tod seines Vaters gerächt sei. Nun sei es an der Zeit, seinen beiden Ziehvätern zu vergelten, was sie ihm Gutes getan haben. Da ein Mann von Rang zweierlei besitzt, Land und Leib, will er an Rualt, der sich des verwaisten Kindes angenommen und weit mehr für ihn getan hat, als die meisten Väter für ihre Söhne tun, das Land
übergeben. Er soll es in Besitz nehmen und an seinen Sohn weitergeben. Mit seinen Leib jedoch will er dem König Marke dienen, der sich des heimatlosen Jünglings angenommen hatte. Die Edlen des Landes waren beeindruckt von Tristans Entscheidung und verabschiedeten sich unter Tränen. Der treue Gorneval jedoch begleitete Tristan in das Land Kurnewal.
HERZOG MOROLT VON IRLAND
Als Tristan wieder in Tintajol anlangte, fand er alle in bedrückter Stimmung. Irland hatte nach mehr als 15 Jahren wieder Tributforderungen an Kurnewal gestellt.
Diese Forderung wurde von einem riesigen Ritter mit unglaublichen Kräften überbracht. Er führte den Namen Morolt und war der Schwager des irischen Königs und sein Herzog. Da Herzog Morolt bisher noch nie in einem Kampf besiegt wurde, bot er dem König Marke einen Zweikampf mit einem Vertreter Kurnewals auf einer Insel vor Tintajol, um zu belegen, dass die Tributforderungen rechtmäßig wären. Herzog Morolt zu besiegen schien so aussichtslos, dass keiner der Edlen von Kurnewal es wagte, dieses Angebot anzunehmen,
auch wenn sie fürchteten, dass ihre Angehörigen als Sklaven nach Irland verschleppt werden könnten. Da reichte Tristan dem irischen Herzog seinen Handschuh als Zeichen der Herausforderung und dieser nahm ihn an. Als der Tag des vereinbarten Kampfes angebrochen war, wurde Tristan ausgerüstet mit Harnisch, Helm und Schwert vom besten, glänzenden Stahl. Tristan bestieg das Boot und fuhr zur Insel hinüber. Herzog Morolt war schon in einem schönen Boot mit purpurnen Segeln dort gelandet. Tristan stieg aus und zerschlug
sein Boot.
Erstaunt fragte Herzog Morolt, warum er das täte und Tristan antwortete, dass ein Boot reicht, denn einer von ihnen wird die Insel nicht mehr verlassen. "Ich hätte dir das Leben gelassen, wenn du denn Zins anerkennst. Es ist Schade um dein Leben mutiger Held, denn selbst eine Wunde wird für dich tödlich sein, weil mein Schwert vergiftet ist. Heilen kann die dann nur die irische Königin, meine Schwester Isolde." sagte Herzog Morolt. Da begann ein harter Kampf zwischen den beiden. In Tintajol konnte man
nichts von den Kämpfern sehen, aber mehrmals waren Zornesschreie zu hören. Diese Schreie riefen bei des Herzogs Leuten Gelächter und bei den Menschen aus Kurnewal Wehklagen hervor. Dann sahen sie die Barke mit dem roten Segel sich nähern und die Edlen von Kurnewal weinten. Doch bald erkannte man Tristan am Heck des Bootes, mit jeder Hand ein Schwert schwingend. Tristan richtete das Wort an die Iren: "Tapfer hat sich Herzog Morolt geschlagen. Seht mein Schwert ist schartig geworden.
Das Stück Stahl in seinem Kopf könnt ihr als letzten Tribut von Kurnewal heimführen." Vom Volke bejubelt schritt er ins Schloss Tintajol, dort erst brach er an seinen Wunden zusammen. Alles ärztliche Bemühen ihn zu heilen brachte keinen Erfolg. Tag für Tag verschlechterte sich Tristans Befinden. Seine Wunden wollten nicht heilen, eiterten und gaben so einen Gestank ab, dass es nur die treuesten Freunde an seinem Krankenlager aushielten, das waren König Marke, Gorneval und Dinas von Lidan.
Als allen klar war, dass es für Tristan in Kurnewal keine Rettung mehr geben wird, bat Tristan, ihn mit einem Schiff nach Irland zu fahren und ihn dort samt seiner Harfe in ein Boot ohne Segel und Ruder vor den Hafen Weisefort dem Meer anzuvertrauen. Dieser Wunsch wurde ihm erfüllt und als letzten Liebesdienst an Tristan stieß Gorneval nachts das Boot ins Meer.
Irische Fischer, die morgens ihren Hafen verlassen hatten, sahen das segellose Boot und hörten eine liebliche Melodie. Als sie das Boot erreichten, entdeckten sie den Todkranken mit seiner Harfe. Sie brachten ihn in den Hafen, denn die Königin Isolde von Irland und ihre Tochter, die goldene Isolde, waren Heilkundige, die es vielleicht vermochten, den Spielmann zu retten. Die Tochter der Königin hatte den Beinamen "die Goldene", der Farbe ihres Haares zu verdanken, das im Sommer goldgelb und im Winter
rotgold waren. Um nicht entdeckt zu werden, nannte Tristan sich Tantris, die Wahrheit verdrehen ist nicht ganz gelogen, dachte er. Krankheit und Gift hatten ihn so entstellt, dass keiner der Gefährten des Morolt ihn erkannte. Durch die Kunst der heilkundigen Königin gesundete er und die goldene Isolde besuchte auf Wunsch ihrer Mutter den Spielmann regelmäßig und ließ sich in der Kunst des Musizierens unterweisen. Binnen 40 Tagen bekam Tristan Stärke und Anmut zurück. Er begriff, dass er fliehen musste, bevor
er erkannt würde, denn hier war der Ort, an dem Herzog Morolt begraben wurde. Auf dem Krankenlager erfuhr er, dass die goldene Isolde Tristan Vergeltung für den Tod ihres Onkels geschworen hatte. Heimlich ging er auf ein Fischerboot und lies sich nach England übersetzen.
Viele Abenteuer bestand er noch, bis er wieder in Kurnewal vor König Marke stand.
DAS SCHWALBENHAAR
Als Tristan wieder in Kurnewal war, war das nicht für alle der Edlen ein Grund zur Freude. König Marke war unverheiratet und somit ohne eigene Nachkommen. Herzog Andret war wie Tristan ein Neffe des Königs und es war bekannt, dass der König ohne eigene Nachkommen bleiben wollte, um das Land in Tristans Herrschaft zu geben.
Anderen Edlen waren Tristans Talente, Erfolge und Glück einfach zu groß, um ohne Neid auf ihn leben zu können, auch stellten sie seine legitime Abstammung und somit sein Erbrecht in Frage. So fanden sich vier Barone, nämlich Andret, Ganelon, Gondoin und Denovalin, die viel Lügen über Tristan erzählten, ihn einen Zauberer nannten und so die Edlen des Landes gegen Tristan aufbrachten. Deshalb bedrängten sie den König, dass er heiraten sollte um eine Erben zu bekommen, ansonsten würden sie ihm die Gefolgschaft
verweigern. Marke weigerte sich und schwor im Innersten, solange sein Neffe Tristan lebte, er keinen eigenen Nachfolger zeugen wollte. Jedoch litt Tristan an den Unterstellungen und sagte, wenn der König sich nicht den Forderungen seiner Großen fügen würde, er das Land verlassen und Dienst bei anderen Königshäusern suchen würde.
Da erbat sich König Marke eine Bedenkfrist. Er grübelte, wo wohl eine Königstocher zu finden sei, die fern und unerreichbar genug ist, die er freien könnte, ohne heiraten zu müssen. Am letzten Tag der Frist bemerkte er das zänkische Gezwitscher zweier Schwalben, die sich über den Fenstern des Schlosses ihre Nester bauten. Es war eine goldene Spinnwebe um die sie stritten. Er betrachtete es näher, da ward es ein Frauenhaar, in der Farbe von rotem Gold und leuchtend wie die Morgensonne auf dem Wasser.
Als die Edlen und Tristan eintraten, sagte er, dass er ihnen zu Gefallen wohl eine Frau nehmen würde, nur müsse man ihm helfen, die Erwählte zu finden. Er hätte entschieden, die und keine andere zu heiraten, der das rotgoldene Haar gehört, dass ihm die Schwalben gebracht hatten. Zornig betrachteten die Barone Tristan, den sie für den Urheber der List hielten.
Tristan jedoch besah sich das Haar und erinnerte sich an die goldene Isolde. Denn gerade an diesem Morgen hatte er an seiner Harfe ein Haar von ihr entdeckt, dass sich um eine Saite schlang, hatte es vorsichtig gelöst und in den Wind geblasen. So sagte er zu König Marke, dass er nicht Recht handelte mit dieser List, die ihn in Verdacht setzte. Jedoch wird er ausziehen, um die Schöne mit dem rotgoldenen Haar zu finden und nach Kurnewal zu bringen oder zu sterben.
TRISTANS KAMPF MIT DEM DRACHEN
Tristan ließ ein schönes Schiff mit Getreide, Wein, Honig und anderen Handelswaren beladen. Ihn begleitete Gorneval und hundert der besten Ritter.
Sie alle waren in Leinen und in groben Fellmänteln, damit sie gemäß der Kleiderordnung wie Kaufleute aussahen. Jedoch waren unter Deck schon die reichen Gewänder der Adligen aus Seide und Brokat bereitgelegt, die sie als Abgesandte eines mächtigen Königs kenntlich machten. Der Steuermann fragte nach dem Reiseziel und erschrak heftig, als er hörte, dass es nach Irland gehen sollte. Denn seit Herzog Morolt erschlagen wurde, ließ der König von Irland Jagd auf die Schiffe aus Kurnewal machen und ihre Besatzungen
an den Galgen hängen. Im Hafen von Weisefort angelangt, gaben sie sich als englische Krämer aus, die Handel treiben wollten. Jedoch wunderten sich die Menschen in Weisefort über das Benehmen der Kaufleute, die den Tag mit Brettspielen verbrachten. Am Morgen hörte Tristan schreckliches, fauchendes Gebrüll. Er fragte eine Frau im Hafen, woher das Gebrüll käme und erhielt zur Antwort, dass das der Drache sei, der seit einem Monat morgens vor dem Tor der Stadt liegt und es erst frei gibt, wenn ihm eine Jungfrau
ausgeliefert wird, die er dann sofort verschlingt. Wohl an die zwanzig Ritter versuchten schon ihn zu bezwingen und hatten dabei ihr Leben gelassen. Der König von Irland hätte dem, der den Drachen besiegt, seine Tochter, die goldene Isolde, zur Frau gelobt. Sie klagte, dass der Kämpfer, der es mit dem Drachen hätte aufnehmen können, von dem verdammten Tristan in Tintajol erschlagen wurde und nun wohl alle irischen Jungfrauen gefressen werden. Tristan kehrte auf sein Schiff zurück und legte im Geheimen seine Rüstung
an. Als der Tag graute, der Hafen war noch unbelebt, verließ er auf seinem Streithengst das Schiff und ritt zu dem Tor. Das Ungeheuer kam, es hatte den Schwanz und den Kopf einer Schlange, die Krallen eines Löwen und den geschuppten Leib eines Greifens. Auf der Stirn befanden sich zwei Hörner und die Augen leuchteten wie glühende Kohlen. Mit aller Gewalt spornte Tristan seinen Hengst an, der die Furcht vor dem Ungeheuer überwand und auf den Drachen zuritt. Tristans Lanze zerbrach an dem schuppigen Panzer des
Drachens, unbeeindruckt zog er sein Schwert und schlug es auf den Kopf des Untiers, ohne auch nur seine Haut verletzt zu haben. Der Drache hob eine Pranke und zerschmetterte Tristans Schild. Von nun an musste Tristan ungedeckt gegen ihn kämpfen. Er versuchte es mit einem Hieb von der Seite, aber auch der blieb ohne Folgen, so heftig er auch war. Da riss der Drache das Maul auf und spie ein giftiges Feuer aus seinen Nüstern, dass sich Tristans Rüstung schwarz verfärbte und sein Hengst tot zu Boden ging. Tristan
stand sofort auf dem Boden und jagte das Schwert dem Untier tief in den aufgerissenen Rachen hinein, so tief, dass sich dessen Herz in zwei Hälften spaltete.
Der Drache starb mit schrecklichem Geheule. Tristan schnitt ihm die Zunge heraus, steckte sie in seine Tasche und säuberte sein Schwert vom Drachenblut. Noch geschwächt vom Kampf und Drachengift sank er betäubt in das hohe Gras am Rande des Moores.
Nun gab es am Hofe des Königs von Irland einen Seneschall, dem es zwar an Tapferkeit fehlte, der aber großes Begehren nach der goldenen Isolde verspürte.
Dieser zog jeden Morgen aus, um das Untier anzugreifen, aber wenn er es brüllen hörte, verließ ihn der Mut und er flüchtete, so schnell es nur ging.
An diesem Morgen hatte er mitbekommen, dass sich ein Ritter dem Drachenkampf gestellt hatte und wagte es, umzukehren. Da fand er den zerbrochenen Schild, das tote Pferd und schließlich auch den toten Drachen. Nur den Ritter fand er nicht, war sich aber sicher, dass dieser todeswund daniederlag. So schnitt er dem Untier den Kopf ab, verschmutzte Schwert und Rüstung mit Drachenblut, gab sich vor dem König als Drachenbezwinger aus und forderte den ausgeschriebenen Lohn. Die goldene Isolde konnte sich nicht vorstellen,
dass der feige Seneschall diese Heldentat vollbracht haben sollte und in der Nacht träumte Königin Isolde, dass ein fremder Ritter den Drachen getötet hatte und nun in Not war. Am nächsten Morgen zog sie mit ihrem Knappen Perinis, mit der Zofe Brangäne und ihrer Tochter Isolde aus, um sich die Sache zu besehen. Sie fanden ein totes Pferd, das nicht auf irische Weise gesattelt war, sahen im Leib des Drachens eine Lanze, die nicht irisch war und so suchten sie im weiten Umfeld das Moor ab, bis sie den Ritter
entdeckten.
Weil noch ein Hauch Leben in ihm war, legten sie ihn auf Perinis Pferd und brachten ihn heimlich in die Gemächer der Königin. Bei der Pflege des Verwundeten fanden sie auch die giftige Drachenzunge. Die goldene Isolde kümmerte sich um Tristans Rüstung. Als sie sein Schwert herauszog, entdeckte sie, dass ein Stück in der Klinge fehlte, in einer Form, die ihr bekannt erschien.
Sie lief in ihre Gemächer und holte das Stück Metall, das Herzog Morolt im Schädel hatte. Mit zittrigen Händen hielt sie den Splitter in die Scharte, da war der Bruch kaum zu sehen. Voller Zorn lief sie zum Krankenlager und wollte Tristan mit seinem Schwert erschlagen. Die Königin hielt ihre Tochter von dieser unbedachten Handlung ab und sagte, dass ihr Bruder, Herzog Morolt, in einem ehrlichen Kampf gefallen sei und die goldene Isolde dann wohl den Seneschall heiraten müsse, wenn sie Tristan tötet.
Die goldene Isolde vermutete nun, dass Tristan sich nur dem Drachenkampf gestellt hätte, um Irland zu demütigen und sie als Sklavin nach Kurnewal zu führen.
Da erzählte Tristan von den Schwalben und dem goldenem Haar und das er als Friedensbote nach Irland gekommen sei und die Isolden waren versöhnt und statteten ihn mit reicher Kleidung aus.
Am Versammlungstag der Barone sandte Tristan den Pagen der Königin zum Schiff und lies seinen Gefährten ausrichten, sie möchten in der Ausstattung der Abgesandten eines Königs sich zum Hofe begeben. Da waren seine Begleiter sehr froh von ihm zu hören, vier Tage waren sie ohne Nachricht über Tristans Verbleib. Prächtig aufgeputzt betraten sie den Versammlungssaal und setzen sich schweigend auf die Bänke. Die Edlen Irlands waren sehr verwundert über die ihnen unbekannten, unbeschreiblich prächtig gekleideten Ritter.
So sehr sie auch in sie drangen, nach dem Woher und Wohin, die Antwort war Schweigen.
Als sich der König von Irland auf seinen Thron setzte, erhob der Seneschall seinen Anspruch auf die goldene Isolde und erklärte, auch durch einen Zweikampf seinen Anspruch zu erhärten. Zum Beweis wies er auf den abgetrennten Kopf des Drachens und zeigte sein mit Blut besudeltes Schwert. Isolde beugte sich zu ihrem Vater und sagte, dass der Seneschall seine Waffe nicht schätzt, wenn er sie bis jetzt noch nicht gesäubert hätte. Dem Kopf fehlte es an der Zunge und ein Ritter sei hier, der beweisen würde, dass der
Seneschall lügt. Dieser Ritter hatte sein Leben für Irland gewagt und der König solle versprechen, ihm alle Missetaten, so groß sie auch seinen zu verzeihen und Friede und Dank zu vergewissern. Der König überlegte noch, aber seine Edlen forderten ihn auf, wer immer es wäre, ihn zu begnadigen und zu danken, zu groß sei die Tat um Groll zu hegen. Der König beugte sich und versicherte Friede und Dank dem Drachenbezwinger mit einem Kuss auf Isoldes Mund. Isolde führte Tristan hinein. Da ging ein Raunen durch den
Saal und vereinzelt wurden die Schwerter gezogen, denn die Gefährten des Morolt erkannten Tristan. Der König jedoch gab auch Tristan den Friedenskuss auf den Mund. Tristan zog aus seiner Tasche die Drachenzunge hervor und bot dem Seneschall den Zweikampf an. Der gestand seine Lüge und schlich sich davon. Tristan sagte, dass der Hass zwischen den Ländern Kurnewal und Irland beendet werden soll durch eine Eheschließung zwischen König Marke und der goldenen Isolde, Prinzessin von Irland und dass Isolde hoch geehrt
würde von allen Edlen des Landes Kurnewal. Die hundert Ritter aus Kurnewal beschworen die Wahrheit von Tristans Worten. Der König von Irland nahm die Werbung an, aber die goldene Isolde war bleich vor Schmerz und Schande.
Tristan hatte sie gewonnen und verschmähte sie. Die schöne Geschichte vom Schwalbenhaar, das ihn an sie erinnerte, nur Lug und Trug.
Der König von Irland legte Isoldes rechte Hand in Tristans rechte Hand, zum Zeichen, dass er sie für König Marke in Besitz nahm.
DER LIEBESTRANK
Königin Isolde hatte Sorge um das Glück ihrer Tochter, die zum Friedenspfand durch diese Brautwerbung wurde.
Sie liebte die goldene Isolde und hätte ihr Mitsprache bei der Wahl des Bräutigams von Herzen gegönnt. Nun sollte sie einem Gatten angehören, der älter als ihr Vater war. Um ihr das Los leichter zu machen, nutzte sie ihre zauberischen Fähigkeiten. Sie setzte Blumen, Wurzeln und Kräuter auf Wein zu einem Trank, den sie in eine Flasche goss und versiegelte. Diese Flasche gab sie Brangäne und forderte sie auf, sehr auf den Trunk acht zu geben. Den Kräuterwein solle sie der goldenen Isolde und König Marke in der
Hochzeitsnacht servieren, damit sie ihn zusammen leeren. Sie solle aber darauf achten, dass niemand sonst von diesem Weine tränke, weil es ein machtvoller Liebestrank sei, wer gemeinsam davon trinkt ist mit allen Sinnen und Gedanken dem anderen verfallen.
Tristans Schiff fuhr heim nach Kurnewal, an Bord die Braut für König Marke und ihr Gefolge. In tiefer Trauer saß Isolde auf dem Deck, nicht wissend, was das Schicksal ihr bringen wird. Da wollte Tristan sie aufmuntern, aber in Isoldes Herzen stieg Hass auf gegen den Mann, der sie um Heimat und Familie brachte und als Braut nicht gewürdigt hatte. Eine große Flaute kam auf, so dass Tristan eine Insel anlaufen ließ.
Alle verließen das Schiff, nur Isolde, Tristan und eine junge Dienerin blieben zurück. Tristan versuchte, die goldene Isolde zu besänftigen und weil es sehr heiß war, verlangten sie nach einem Trank. Das Mädchen fand bei seiner Suche nach einem Getränk die Flasche, die Brangäne anvertraut worden war, goss den Inhalt der Flasche in einen Becher und reichte ihn ihrer Herrin. Isolde trank einen langen Zug und reichte den Becher Tristan, der ihn leerte.
Als Brangäne zurück war, bemerkte sie eine eigenartige Stimmung im Raum. Tristan und Isolde saßen schweigend und betrachteten sich mit verschämten Blicken. Da entdeckte sie zu ihrem großen Schrecken, die beinah leere Flasche und den Becher. Entsetzt griff sie die Flasche und schleuderte sie ins Meer. Sie berichtete den beiden, was sie da getrunken hatten und verfluchte sich selbst, weil sie die Flasche nicht besser verwart hatte.
Endlich kam ein Wind auf und die Fahrt nach Tintajol konnte fortgesetzt werden. Zwei Tage wurden Tristan und Isolde von Wünschen und Zweifeln gequält, sie verweigerten jede Nahrung und schmachteten nacheinander. Am dritten Tag erlauschte die verzweifelte Brangäne, dass die Verzauberten die Freuden der Liebe miteinander teilten.
ISOLDE WID KÖNIGIN VON KURNEWAL UND BRANGÄNE IN DEN WALD GEFÜHRT
Als das Schiff im Hafen von Tintajol anlegte, wurde die goldene Isolde schon von König Marke und den Großen des Landes erwartet.
König Marke war berührt von ihrer Anmut und Schönheit.
Er lobte den Tag, an dem er das Schwalbenhaar fand und dankte Tristan und den hundert Rittern für ihren Einsatz. Mit großen Ehren wurde Isolde zum Schloss geleitet. Achtzehn Tage nach der Ankunft in Tintajol wurde eine prachtvolle Hochzeit gefeiert.
Seit Isolde in Tintajol war, fürchtete sie die Hochzeitsnacht, in der alle Welt von ihrer Unkeuschheit erfahren würde und die vielleicht ihr Todesurteil bedeutete. Brangäne, die schwer an dem Gefühl von Verantwortung für die Situation trug, erbot sich, im Dunkel der Nacht an Isoldes Statt das Hochzeitsbett mit König Marke zu teilen. Zum Trunk auf das Ende der Jungfräulichkeit, wo der Liebeswein der irischen Königin hätte getrunken werden sollen, würden die Frauen wieder den Platz tauschen. So hielten die beiden
Frauen es auch und am Morgen nach der Hochzeitsnacht zupfte Isolde drei dunkle Frauenhaare vom Kopfkissen.
König Marke in seiner groben Gier hatte nicht bemerkt, dass es zwei Frauen waren, denen er in dieser Nacht beischlief.
Nun trug Isolde den goldenen Reif der Königin von
Kurnewal auf ihrem Haar, wurde von König Marke zärtlich behandelt, von seinen Edlen geehrt und vom Volke vergöttert, hatte Tristan stets in ihrer Nähe und konnte trotzdem keinen Frieden finden. Die Angst trieb sie um, bei Tag und bei Nacht. Diese Angst hatte ein Ziel und einen Namen, Brangäne. Brangäne, die alles weiß. Ihr ist sie ausgeliefert auf Leben und Tod. Was, wenn sie nicht mehr dienen möchte, wo sie mit dem König das Brautlager teilte. Was wenn sie redete? Da nutzte Isolde den Tag, als der König und
Tristan fern vom Schloss auf der Jagd waren und rief zwei Leibeigene herbei. Sie stellte ihnen Freiheit und Geld in Aussicht und befahl, dass Brangäne in den Wald an einen unzugänglichen Ort geführt und dort getötet werden solle. Als Beweis sollten sie ihre Zunge mitbringen, auch sollten sie sich die letzten Worte merken und ihr mitteilen. Dann rief sie Brangäne und sagte zu ihr, dass sie mit den Männern in den Wald gehen solle um bestimmte Kräuter für sie zu sammeln. Das Leben der Königin und ihre Ruhe würden
davon abhängen. Im Walde entdeckte Brangäne die gewünschten Kräuter, aber die Begleiter zogen sie weiter fort, es sei noch nicht der rechte Ort. Der Wald wurde dicht, kein Weg mehr zu sehen, nur noch Unterholz und Dornen. Da zog der Mann, der voran ging sein Schwert gegen Brangäne und als die sich an den anderen um Hilfe wendete, hatte der auch sein Schwert gezogen. Sie sagten, dass es ihnen Leid täte, sie zu töten, aber Brangäne müsse ein schweres Unrecht gegen die Königin begangen haben. Brangäne antwortete,
sie kann sich nur an ein Vergehen erinnern, dass beide, Isolde und Brangäne ein feines weißes Hemd mit aus Irland nahmen, das für ihre Hochzeitsnacht gedacht war. Jedoch zerriss durch Brangänes Unachtsamkeit auf hoher See das Brauthemd der Isolde und so musste Isolde Brangänes Hemd zur Brautnacht nehmen. Das war ihr Unrecht und wenn sie deshalb sterben müsse, dann sollten die Henker noch ein Lebewohl als letzten Liebesgruß an Isolde mitnehmen. Da hatten die Männer Mitleid mit Brangäne und besprachen sich, dass
solches Vergehen mit dem Tode strafen zu hart sei, auch wenn das Ersatzhemd schmucklos gewesen sein mag. Sie fesselten Brangäne auf einen Baum, damit nicht wilde Tiere sie fänden, töteten den jungen Hund, der sie freudig begleitet hatte und schnitten ihm die Zunge heraus. Bald standen die Männer wieder vor Isolde. Die erwartete sie schon zitternd am Fenster und fragte, was Brangäne gesprochen hätte. Die Leibeigenen erzählten ihr die Hemdengeschichte und das Lebewohl, dann überreichten sie die Zunge. Nun begann
Isolde um Brangäne zu weinen und schreien, ob die Männer nicht gewusst hätten, dass sie ihre einzige Freundin gewesen wäre, sie sollten ihr ihre Brangäne zurückgeben. Die Männer antworteten, sie hätten getan was die Königin befohlen hatte. Da schrie Isolde, nie hätte sie befohlen dass ihre sanfte, liebliche, treue Freundin ermordet wird. In den Wald Kräuter sammeln hätte sie sie geschickt, von Wächtern begleitet, zum Schutz vor wilden Tieren. Auf feurigen Rosten würde ihnen der schlechte Dienst gedankt werden.
Da endlich sagten ihr die Männer, dass Brangäne noch lebt, jedoch konnte das Isolde nicht beruhigen. Ihr Wahnsinn hatte erst ein Ende, als Brangäne vor ihr auf die Knie fiel, da sank auch die Königin auf die Knie und umklammerte Brangäne.
Eingereicht am 09. Januar 2006.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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