Als Karl zum Fenster rausschaute
Eine Kurzgeschichte von Chris Jaksch
Als Karl zum Fenster hinaus schaute, konnte er nicht ahnen, in welcher Weise
sich ihre Wege kreuzen würden. Sein Blick ruhte auf dem Alten Turm
aus dem frühen 14. Jahrhundert. In der späten Nachmittagssonne
strahlte das denkmalgeschützte Bauwerk eine besondere Ruhe aus.
Zur gleichen Zeit saß Sheryll im ICE von Köln nach Frankfurt. Seit der
Fertigstellung der neuen Schnelltrasse beträgt die Fahrtzeit nur
noch 77 Minuten. Aber sie achtete nicht auf die Geschwindigkeit.
Ihre Gedanken kreisten um die Fertigstellung des Projekts.
Auch sie konnte nicht ahnen, in welcher Weise sich ihre Wege
kreuzen würden.
Karl war richtig aufgeregt, es war sein erster bedeutender Auftrag als Fotomodel, er fuhr die mit bunten Blättern belegte Landstrasse in seinem neuen Fiat Cabriolet entlang, der frische Wind, welcher um die Ohren wehte, erzeugte ein angenehmes Gefühl. Lange Zeit hatte er von diesem Auto geträumt, und seit dem er immer mehr Aufträge bekam, erfüllte er sich eines Tages seinen Traum.
Wieder stieg er ein bisschen weiter auf das Gaspedal und der Wagen glitt mit einer majestätischen Anmut über den Asphalt, wie eine Prinzessin auf einem Ball dachte er und genoss weiterhin die Frische die ihm entgegen kam.
Zur gleichen Zeit klappte Sheryll ihre Aufzeichnungen zu. Sie war sich sicher, dass sie alles richtig gemacht hatte, und glaubte an den Erfolg des Projektes, viele Millionen Euro standen auf dem Spiel und die Anspannung stand ihr richtig ins Gesicht geschrieben. Sie schloss die Augen um einfach mal der Leere zutritt zu ihrem Gehirn zu geben
An ihr flogen verschiedenartige Landschaften vorbei, aber sie kannte die Strecke und die Landschaften und deshalb hatte sie kein besonderes Bedürfnis die Bauten und die Natur näher zu betrachten.
Als Sheryll die Augen zu machte, knallte es unmittelbar vor Frankfurt, ein schöner Sportwagen kam leicht ins Schleudern, bis er in der verkehrten Fahrrichtung zum Stehen kam. Schweiß tropfte aus Karl's dichtem schwarzem Haar, der Motor dampfte.
Mit stark schlagendem Herz verließ er seinen Wagen, noch immer verflog der Dampf oberhalb der Motorhaube wild in alle Himmelsrichtungen. Er machte die Motorhaube auf, aber bei den ganzen Schläuchen und Kanistern war er hilflos verloren.
Kein Fluchen nur Trauer spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder, dann holte er sein Handy heraus und rief den ADAC an. Vorne im Führerhaus des LKWs der Gelben Engel, erzählte er dem Mann was passiert war und dass er eigentlich keine Zeit hatte. Der Mann versuchte ihn mit einer beispiellosen Ruhe immer wieder zu beruhigen.
Zum gleichen Zeitpunkt wurde der ICE auf der Trasse zwischen Köln und Frankfurt immer langsamer, dann ein Rauschen in den Boxen, die Frankfurt angaben und alle noch verbliebenen Fahrgäste zum Ausstieg baten.
Sheryll stieg entspannt aus dem Zug aus, der Komfort war sehr gut im ICE.
Sie nahm ihre kleine Tasche unter den Arm und verließ den Bahnsteig, dann ging sie geradewegs auf das Café Coupé zu um dort noch ein Wasser zu trinken, wie sie es jedes Mal machte, wenn sie in Frankfurt ankam. Sie setzte sich auf eine Bank, die bis auf den jungen Mann mit längerem schwarzem Haar total leer war.
Die Bedienung kam und nahm ihre Bestellung auf. Langsam, mit sehr viel Genuss trank sie ihr Wasser, es gab ihr wieder Vitalität.
Sie schaute auf die Menschen, die wild in der Bahnhofshalle von einem Punkt zum nächsten liefen, und versuchte weiterhin ihre innere Ruhe bei zu behalten.
So saß sie eine ganze Weile in dem Cafe, bis plötzlich der Mann neben ihr eine Zigarette anzündete, der Qualm zog sofort in ihr Gesicht; wie wenn sie aus einer Trance aufwachte, schaute sie auf die Uhr. Ein Schock durchfuhr ihre Glieder, in genau einer Minute kam ihre Regionalbahn, die sie auf jeden Fall erreichen musste. Hektisch sprang sie auf, lief zum Kellner.
Dieser aber, ließ sich verdammt viel Zeit. Voller Unglauben und Wut auf den langsamen Kellner, zog sie blitzschnell einen 10 € Schein aus ihrer Geldbörse und lief so schnell sie konnte zu ihrem Gleis. Der Kellner steckte den 10 € Schein ein, und vergaß die Frau mit einem Kopfschütteln. Als Sheryll den Bahnsteig verließ sah sie nur noch einen roten Wagon, wie er sich langsam aus dem Bahnhof schlängelte.
Sie ließ den Kopf sinken, das fehlte ihr gerade noch. Ihr war zum Heulen zu Mute, aber die Tränen kamen nicht. Sie war eine starke Frau und sie würde es schon irgendwie schaffen.
Mit gesenktem Kopf ging sie wieder in das Cafe, setzte sich wieder an ihren alten Platz. Der junge Mann saß noch immer mit einem Getränk vor sich auf der Bank. Der grinste sie an. "Haben Sie den Zug verpasst," die Worte bohrten sich tief in ihren Schmerz, gegen den sie immer noch ankämpfte. Mit gesenktem Kopf nickte sie nur stumm und setzt sich wieder hin. Die Bedienung kam und sie bestellte wieder ein Wasser, aber diesmal mit einem Klaren.
Dann drehte der Mann zu ihrer Rechten sich wieder um: "Hallo ich heiße Karl und Sie?" Sie schaute ihn an, Mensch lass mich doch in Ruhe du Idiot, siehst du nicht dass ich meinen Zug verpasst habe, aber aus leiser Kehle stellte sie sich vor: "Sheryll, ist mein Name." Dann nahm sie ihr Wasser mit dem Schnaps entgegen und trank ihn sofort aus. Karl runzelte die Stirn: "Mensch Lady, das ist aber nicht gut, zu dieser Tageszeit schon einen Schnaps zu kippen." Was heißt hier Mensch Lady,
wenn ich einen Schnaps haben will dann trinke ich einen Schnaps, aber wiederum bemüht nicht unfreundlich zu werden entgegnete sie nur: "Ja Sie haben wahrscheinlich recht, aber mein Projekt, ja es ist jetzt eh vorbei. In einer Stunde fängt die Präsentation an, und bis dahin werde ich nie pünktlich ankommen." Der Mann blickte sie an und fragte: "Wohin müssen Sie denn?" Sie schaute ihm in die Augen, dachte sich, als ob du mein Retter in der Not wärst, und sprach: "Ich muss nach Darmstadt!"
"Das ist ja nicht so weit", entgegnete er.
Mit einer Wut im Gesicht giftete sie ihn an: "Ja ich habe aber kein Geld für ein Taxi und der Zug ist weg. Wenn ich die Strecke laufen wollte wäre ich wahrscheinlich in 2 Wochen noch nicht da." Nach dem Satz drehte sie ihm den Rücken zu und trank weiter an ihrem Wasser.
Dann fing ein Handy an zu klingeln, Karl hob ab. Nach ein paar unverständlichen Lauten stand er auf, ging zu ihr an den Tisch.
"Was ist denn nun schon wieder" fragte Sheryll. Da stand er nun vor ihr mit einem Lächeln im Gesicht. "Dürft ich die Ehre haben Sie nach Darmstadt zu fahren?" Ein Blitz durchfuhr sie, da keimte wieder Hoffnung auf, dann fiel ihr aber ein dass sie kaum Geld bei sich trug; mit einem zerknirschten Gesicht gestand sie: "Ich habe aber leider kein Geld bei mir."
Verwundert schaute er sie an, dann gewann er aber sehr schnell wieder die Fassung: "Okay, dann versprechen Sie mir einfach, dass ich Sie nach ihrer Arbeit in Wiesbaden abholen und zum Essen einladen darf." Ein süßes Lächeln überzog Sheryll's Gesicht und sie nickte. Mit strahlenden Augen verließen beide das Cafe und gingen zur Werkstatt.