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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Mörderischer Tausch

© Gerd Ohnsorg


Als Karl zum Fenster hinaus schaute, konnte er nicht ahnen, in welcher Weise sich ihre Wege kreuzen würden. Sein Blick ruhte auf dem Alten Turm aus dem frühen 14. Jahrhundert. In der späten Nachmittagssonne strahlte das denkmalgeschützte Bauwerk eine besondere Ruhe aus.
Zur gleichen Zeit saß Sheryll im ICE von Köln nach Frankfurt. Seit der Fertigstellung der neuen Schnelltrasse beträgt die Fahrtzeit nur noch 77 Minuten. Aber sie achtete nicht auf die Geschwindigkeit. Ihre Gedanken kreisten um die Fertigstellung des Projekts. Auch sie konnte nicht ahnen, in welcher Weise sich ihre Wege kreuzen würden.
Es waren jetzt vier Jahre vergangen, seit sie als eine der führenden Militärpsychologen der US Army nach Fort Bragg gerufen worden war. Ihr Auftrag war, Special-Force-Soldaten nach ihren Einsätzen zu untersuchen. Das Besondere daran war, dass die zu untersuchenden Soldaten eine Gemeinsamkeit hatten. Denn alle Special Forces hatten nach ihrer Rückkehr aus geheimen Einsätzen ohne Vorwarnung oder Auffälligkeiten ihre Frauen erschossen.
Dieses Projekt stand nun kurz vor der Beendigung und sie dachte über das Ergebnis nach. Sie wusste nicht genau, wie sie mit dem Ergebnis umgehen sollte und was sie von der plötzlichen Anfrage der deutschen Militärpsychologen des Heeres halten sollte.
Karl Spitzer, deutscher Kommandosoldat, der erste in Europa, der dieselben Anzeichen zeigte, die auch bei US-Soldaten auftraten. Sie sollte ihn untersuchen, wusste aber nicht das Geringste über diesen Mann. Dies wäre auch besser so geblieben.
Solch einen Turm hatte auch die Kirche, in der er seine Frau geheiratet hatte, dachte Karl Spitzer, als sein Blick auf den Turm aus dem 14. Jahrhundert fiel. Auch wenn er die Hitze durch das Fenster aus bruchsicherem Glas nicht spüren konnte, so konnte er sich vorstellen, wie es wäre, jetzt im Schatten einer dieser Bäume zu sitzen. Stattdessen ging ihm immer wieder nur ein Satz durch den Kopf: "Erschossen soll er sie haben", langsam wurde dieser Satz zu einer Art Mantra. "Erschossen soll er sie haben" - nur diesen einen Satz konnte er hören, als ihn jemand mit verbundenen Augen in diesen Raum führte. Er konnte niemanden erschossen haben, schon gar nicht seine Frau. Seine Frau war alles, was er hatte, für diese Frau würde er töten. Ja, für sie. Doch niemals könnte er die ihm so vertraute Frau töten. "Nein, nie", dachte er, niemals seine Frau.
Als Sheryll den Raum betrat und Karl sah, wurde ihr schwindelig. Schnell setzte sich Sheryll auf den ihr angebotenen Stuhl. "Keiner hatte etwas bemerkt", dachte sie. Aber dieser Mann, der ihr gegenüber stand, hieß weder Karl Spitzer noch war er Deutscher.
Was wurde hier gespielt? War es wieder nur ein Test dieser Psychologen, die ihn nun schon ungezählte Stunden quälten, dachte Karl. Er sollte diese Frau umgebracht haben und nun stand sie vor ihm. Gerade als er auf sie zugehen wollte um sie in seine Arme zu schließen, bemerkte er an ihr etwas, das ihm klar machte, dass sie es nicht war. Nein, das war nicht Jenny. Sie sah so aus, sprach wie sie, roch sogar wie sie, trotzdem stimmte etwas nicht mit ihr.
Sheryll erholte sich schnell von ihrem Schock, schließlich war sie Profi, aber diesen Mann hasste sie so sehr, dass es ihr schwer fiel, ihm nicht an die Gurgel zu springen. Das konnte nicht sein. Dieser Mann war tot, vor vier Jahren vor ihren Augen erschossen.
Kurz nach ihrer Ankunft in Fort Bragg war er der erste Patient, den es zu untersuchen galt. Er war psychisch so labil, dass er während ihrer ersten Sitzung einen Wachmann niederschlug und mit dessen Waffe ihre Assistentin erschos, die auch ihre Schwester war. Sie selbst wurde von ihm mit zwei Schüssen in die Brust schwer verletzt. Erst danach wurde er von herbeigeeilten Sicherheitsmännern durch Schüsse ins Herz getötet. Nun stand er ihr in diesem Raum gegenüber. Andy MC Courmik Special-Force-Soldat, der eigentlich tot sein sollte.
Beide wussten nicht, was hier vor sich ging, sie dachten aber beide dasselbe "Das hier ergibt alles keinen Sinn, aber es gibt mit Sicherheit einen Grund, warum sich unser Wege kreuzen". In diesem Moment ging die Tür auf und beide starrten fassungslos zur Tür.



Eingereicht am 01. Oktober 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
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