Wie Karl und Sheryll sich doch nun wiederfanden
© Susanne Schuler
Als Karl zum Fenster hinaus schaute, konnte er nicht ahnen, in welcher Weise sich ihre Wege kreuzen würden. Sein Blick ruhte auf dem Alten Turm aus dem frühen 14. Jahrhundert. In der späten Nachmittagssonne strahlte das denkmalgeschützte Bauwerk eine besondere Ruhe aus.
Zur gleichen Zeit saß Sheryll im ICE von Köln nach Frankfurt. Seit der Fertigstellung der neuen Schnelltrasse beträgt die Fahrtzeit nur noch 77 Minuten. Aber sie achtete nicht auf die Geschwindigkeit. Ihre Gedanken kreisten um die Fertigstellung des Projekts. Auch sie konnte nicht ahnen, in welcher Weise sich ihre Wege kreuzen würden.
Karl wandte müde seinen Blick von diesem Gemäuer ab. Sein Kopf pochte. Die Gedanken und Erinnerungen schossen durch seinen Kopf und ließen ihm keine Ruhe. Wie oft hatte er früher hier mir seiner damaligen Freundin Sheryll gesessen und zusammen in die Stille gehorcht - Hand in Hand ... Gedankenversunken ging er hinaus und setzte sich auf die verfallene Bank, auf der sie früher ihren Kopf an seine Schulter lehnte. Und nun? Jetzt würde er sie nie wieder sehen. Sheryll hatte einen wichtigen Auftrag bei der Firma Link&Söhne an Land gezogen. Einen Auftrag, der ihr eine Beförderung und viel Geld bringen würde.
Zur gleichen Zeit, in dem ICE dachte Sheryll auch an diesen Auftrag. Wenn sie ihn gut erfüllte, würde ihr Chef sie reichlich belohnen und vielleicht würde sie befördert werden. Mit den schönsten Farben malte sie sich diese Zukunft aus. Sie lehnte ihren Kopf gegen die kalte Scheibe. Ihre Augen wanderten den Bäumen nach, die an ihr vorbei flogen. Sie schlug ihre Zeitung auf und begann sie neugierig zu durchforsten. Es war ein heißer Tag, ein sehr heißer Tag und sie würde bald in einem Büro am Frankfurter Flughafen sitzen und arbeiten müssen. "Ob die dort eine Klimaanlage haben ...?", dachte sie.
Karl fuhr in seinem schon sehr mitgenommenen Auto ohne Klimaanlage über die Landstraße. An einem Flugplatz stieg er aus und parkte dieses Autowrack am nächstgelegenen Parkplatz. Sein alter Kumpel Bill winkte im schon von der Ferne zu. Mit seiner ausgewaschenen Jeans und seinem riesigen Hut wirkte er ein wenig wie ein Cowboy im Ruhestand. Aber Bill war kein Cowboy, sondern Pilot. Karl liebte sie sehr, diese kleinen Spritztouren in Bills winzigem Flugzeug. Die Geschwindigkeit brachte ihn immer wieder zum Staunen. Und nun war wieder so ein Tag! Die beiden Freunde brausten durch die Lüfte. Die Häuser und Autos wirkten wie Spielzeuge.
In so einem Spielzeug saß nun auch Sheryll. In einem, aus Karls Sicht gesehenen Spielzeugzug. Mit einem gewaltigen Quietschen hielt der Zug nun am Frankfurter Bahnhof. Mit einem schrillen Pfiff fuhr der Zug weiter. Sheryll saß sich auf ihrem Koffer. Ihr neuer Chef wollte doch ein Taxi schicken ... oder etwa doch nicht??
Karl sah die Spieleisenbahn aus dem Bahnhof fahren. "Das war Sherylls Zug!", kreischte er Bill ins Ohr, der erschrocken zusammenfuhr. Neben dem Bahnhof auf einem riesigen Acker landeten die beiden. "Ich komme mir vor wie in einer Lovestory", grummelte Bill nicht sehr erfreut. Doch das hörte Karl schon längst nicht mehr. Der lief nämlich mit ausgebreiteten Armen seiner Freundin Sheryll entgegen, die er nun doch mit zu ihrer neuen Arbeitstelle begleiten wollte!
Eingereicht am 22. Juni 2005.
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