Meine Sorgen sind besser als deine Nächte
© Niko Dorn
Es gibt Sorgen, über die kann man nur den Kopf schütteln.
Das jedenfalls, nämlich Kopf schütteln, tut so mancher, der von meiner neusten Super-Sorge erfährt. Obwohl sie, die Sorge, eigentlich gar nicht neu ist, also jedenfalls für mich nicht.
Aber dazu später. Wenn man heute sagt, dass jemand mit dem Kopf geschüttelt hat, oder seinen Kopf geschüttelt hat, oder kopfschüttelnd irgendeiner Tätigkeit nachgeht, dann weiß der Zuhörer natürlich gleichsam instinktiv was gemeint ist, nämlich das durch wechselseitige Anspannung der Hals- und Schultermuskulatur hervorgerufene sich Hin- und Herbewegen des Kopfes desjenigen, der schüttelt. Wenn also den Kopf schütteln eine völlig harmlose und Verneinung signalisierende bzw. gestisch ein gesagtes "Nein"
unterstützende Körperbewegung beschreibt, wie nun soll etwa ein Schriftsteller z.B. eines Schauerromans bloß klarmachen, dass er mit Kopf schütteln etwas ganz anderes meint als die beschriebene harmlose Geste?
In dem Roman des Schriftstellers nämlich schüttelt der geistig und psychisch offenbar restlos deformierte Massenmörder nicht etwa seinen eigenen Kopf, sondern vielmehr den von Else Meier-Überrhein, und zwar so lange, bis auch noch der letzte Rest Hirnschmalz aus diesem mit einem deutlich vernehmbaren "Klatsch" auf den Boden prallt. Gelbwurst machen nennt das der Mörder und lässt sich von uns, die wir ihn kurz als Beispiel verwenden, nicht von der Arbeit abhalten.
Er hat nämlich der Frau Überrhein zuvor den Kopf abgenommen, abgeschraubt wie er sagen würde - auf Details wollen wir hier getrost verzichten - und jetzt will er den Schädel ausleeren, um damit irgendetwas tun zu können: das ist nicht wichtig.
Was mit diesem kleinen Beispiel ja nur gezeigt werden sollte, ist die Tatsache, dass man, wenn man den Kopf schüttelt, nicht unbedingt Ablehnung oder Verneinung zeigt oder über etwas Unglaubliches schmunzelt und dazu den Kopf schüttelt: es kann durchaus auch bedeuten, dass man gerade Frau Else Meier-Überrheins Kopf in der Hand hält und diesen schüttelt, um möglichst Frau Überrheins Gehirnmasse restlos zu entfernen.
Die Leute jedoch, die ich kenne, zumal die, denen ich von meinen Sorgen erzähle, diese Leute pflegen nicht die Köpfe Fremder zu schütteln, geschweige denn diese abzuschrauben. Sie sind mit ihren eigenen gut beschäftigt. Außerdem würden die meisten von ihnen sagen, das sei ja wohl auch eine ziemliche Sauerei. In jeder Hinsicht.
Die Sorge, über die nun also meine Bekannten mit ihren eigenen Köpfen schütteln, besteht darin, dass ich vollends und schlechterdings nicht in der Lage bin, mir die Fingernägel der rechten Hand zu schneiden. Dazu nämlich ist tätlicher Einsatz der linken Hand notwendig, mit der jedoch koordinierte Bewegungen zumal Präzision erfordernde wie Fingernägel schneiden mir einfach nicht gelingen wollen.
Nun könnte man auf eine Erfindung warten, die solches Problem zu lösen vermag. Nur scheinen mir insbesondere deutsche Naturwissenschaftler mit grandiosen anderen Sachen beschäftigt zu sein, so dass also auf eine universell einsetzbare Nagelschere noch einige Zeit zu warten sein wird.
Man könnte natürlich auch seine Lebenspartnerin bitten, sich der Nagelsache anzunehmen, wozu sind andere Menschen denn sonst da?! Diese aber winkt ab und schüttelt den Kopf, Igitt ruft sie und Nein, deine Nägel schneid ich nicht, wie ich auch sonst nicht an dir noch an anderen Menschen in irgendeiner Form rumzuschnippeln gedenke und außerdem bin ich nicht deine Mutter.
Man ist in dieser Angelegenheit also ganz offensichtlich auf sich selbst angewiesen und so schreite ich in regelmäßigen Abständen zur Tat, schneide meine Fingernägel rechts und bemühe mich dabei, nicht das Fleisch zu erwischen, denn rohes Fleisch erweckt in psychisch deformierten Schizophrenen leicht gewisse Triebe, na sie wissen schon. Und man weiß nie, wo der nächste Irre lauert; oder ob man vielleicht selbst einer ist und nur deshalb bisher nie in Situationen geraten ist, in denen man plötzlich mit einem wildfremden,
bluttriefenden Kopf in der Hand in irgendeinem Wohnzimmer steht, weil man eben bisher weder sich noch anderen ins Fleisch geschnitten hat. Na, und am Ende leidet nur Frau Meier-Überrhein und ihr Kopf.
Also: Vorsicht beim Nägelschneiden! Besonders mit links...!
Eingereicht am 09. Oktober 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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