Nur-Mann
© Gaby Schumacher
Wir, die Krone der Schöpfung...und doch lediglich Nur-Männer? Das konnte nicht sein, das durfte nicht sein, das widersprach unserem Status durch sämtliche Jahrtausende hindurch von Anfang an. Und auch dem von noch früher.
Selbstredend fußten wir auf unsere Vorrangstellung völlig zu Recht. Die hatte der Herrgott zweifelsohne schon lange vor unserer Existenz vorbestimmt. Wie ging es doch bei unseren Vorfahren, den Affen zu? Waren es etwa die Weibchen, die auf Biegen und Brechen sowie notfalls unter Einsatz des eigenen Lebens ihre ganze Meute verteidigten? Nein, das überließen jene feigen Schwächlinge nur zu gerne dem unbestreitbar klügeren und stärkeren Geschlecht. Das schützte seine Familie und bewies im Kampf all seinen Mut und
seine überragende Kraft. Und weil dem so war, hatten bereits die Affenmännchen von jeher das Recht, den Ton anzugeben. Und deren weibliche Hälfte hatte zu kuschen.
Später dann gab Gott unserem Urvater Adam noch ein ganzes End zusätzlicher grauer Zellen mit auf den Weg, auf dass sein hervorragendstes Geschöpf für dessen gewichtige zukünftigen Aufgaben gewappnet wäre. Verraten hat er ihm die aber erst später. Damit der Mann als Beherrscher der Welt es für alle Zeiten auch bliebe, schuf Gott Gefährtin Eva nicht etwa aus Adams erster, sondern aus einer x-beliebigen, höchstwahrscheinlich dessen letzten, also sozusagen der allerletzten Rippe. Mehr der Ehre erschien dem Herrn
für das Weib zu Recht als nun wirklich total übertrieben. Viel Gehirn plus überragende Fähigkeiten standen diesem Wesen nach seinem Dafürhalten ohnehin nicht zu. All das hatte er in seiner göttlichen Weisheit lieber seinem Lieblingsgeschöpf, dem Adam geschenkt. Schließlich hatte er den zum Denker und Lenker in der Welt ausersehen.
Deshalb eigentlich kaum verständlich und obendrein bodenlos gemein, reichte Evas Grips dennoch dafür aus, Adam, obwohl doch der erste Mann, fein um den Finger zu wickeln und ihn mittels eines unter die Nase gehaltenen süßen Apfels zur Ursünde zu verführen. Liebe ging schon im Paradies durch den Magen. Oh, welch Schande für unser Geschlecht! Der männliche Magen widerstand nicht und sagte trotz des strikten Verbotes seines Schöpfers jubelnd ja. Adam genoss dieses Werkzeug der Sünde ungeachtet der zu erwartenden
negativen Folgen. Des Herrgotts Strafe fiel fürchterlich aus. Erbost warf er die Beiden einfach endgültig aus dem Garten Eden raus.
Fortan plagten sich Adam plus Gefährtin auf der Erde. Urweib Eva büßte hart für seine Unverfrorenheit, der Menschheit die ewige Glückseligkeit des Paradieses vermiest zu haben, hatte seinem Manne untertan zu sein, musste von morgens bis abends erbärmlich schuften und auch noch so ganz nebenbei unter Schmerzen Kinder gebären. So was kam von so was!
Eingedenk Gottes Befehl, das Menschengeschlecht auf Erden zu verbreiten, um sie sich dann letztendlich untertan zu machen, erwiesen sich unsere Ureltern in einer ganz speziellen Hinsicht als alles andere als faul. Jene Order befolgten sie nur zu gerne, waren mit Freude bei der Sache und kriegten denn auch rasch Nachwuchs. Usw..usw...
Die Menschheit wuchs und wuchs.
In der Steinzeit war das Leben eher äußerst ungemütlich. Hinter jedem Felsbrocken lauerten Gefahren. Wilde Tiere jeder Größe überall. Aber wir tollen Kerle behaupteten uns als Keulen-, Pfeile- und Steine schwingende Helden, wurden selbst damals schon per überragender Denkleistungen unserer grauen Zellen mit allen Unflätigkeiten des Alltags prima fertig. Um dieses Image unschlagbarer Tüchtigkeit zu bewahren, jagten wir allerdings Mammuts und ähnlich reizende tierische Mitbewohner der Mutter Erde vorsichtshalber
besser im Trupp. Als Solokämpfer wären wir garantiert in den sicheren Tod gerannt. Doch das war ein sorgsam vor den Weibern gehütetes Geheimnis. Nicht, dass die noch einen seelischen Höhenflug starteten, sich bestärkt fühlten und infolge auf Grund dessen glatt ihre Verpflichtung, uns absolute Bewunderung und daraus resultierenden Gehorsam zu leisten, vergaßen. Das hätte noch gefehlt!
So aber hockten unsere schwachen Frauen derweil furchtbibbernd ums Höhlenfeuer herum und widmeten sich lieber der lächerlich leichten Hausarbeit wie den-Nachwuchs-in-den-Schlaf-wiegen und den lästigen unvermeidbaren Knochennadel-Schneiderarbeiten. Kehrten wir als triumphierende Sieger von der Jagd heim, umgarnten sie uns mit schmachtenden Blicken. Unbezweifelbar Evas Erbgut!
Ab und an stürzten wir ja doch Allround-Genies uns in kriegerische Auseinandersetzungen mit umliegend wohnhaften fremden Sippen. Eindringlinge dezimierten wir rigoros und entführten bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit Begeisterung deren Frauen. Häufig erklärten die sich mit Wonne damit einverstanden und ergriffen die Gelegenheit zu einem leidenschaftlichen Flirt hocherfreut beim Schopfe. Rache ihrer besseren Hälfte brauchten sie da nicht zu fürchten. Die lag in der heimatlichen Höhle und pflegte tapfer ihre
Wunden. Falls sie dazu überhaupt noch in der Lage war. Niemand konnte uns das Wasser reichen. Wie selbstverständlich folgte alles unserem Kommando. Den Befehlen muskelbepackter Tarzane und zudem überaus schlagfertiger Männer, uns Steinzeitkapitänen. Wir...die I-Tüpfelchen der Schöpfung!
Millionen Jahre zogen ins Land. Mann spürte es förmlich: Unser Gehirn wuchs und wuchs. Wir explodierten beinahe vor steigender Intelligenz, daraus resultierender Einsichtig- und Tüchtigkeit. Der männliche Verstand triumphierte: Ja, dies und das hatten wir doch in der Steinzeit noch nicht gewusst, noch nicht gekonnt. Einfach toll, so eine gewaltig gewichtige Hirnmasse. Diese Erkenntnis bescherte unserem stolzen männliches Ego einen Adrenalinstoß nicht unerheblichen Ausmaßes. Dessen Auswirkung war einfach famos.
Wir schlugen uns hoch erhobenen Hauptes in bester King Kong Manier mit beiden Fäusten gegen die Brust und brüllten im Bewusstsein unserer anscheinend unverletzbaren Überlegenheit den passenden Schrei über die ganze restliche Welt. Damit auch diese, aber in erster Linie unsere weiblichen Hälfte ja nie daran zu zweifeln begänne, welch tolle Kerle wir doch waren. Es funktionierte bestens. Zumindest noch für eine ganze Weile.
Jedoch, die fortschreitende Evolution arbeitete gegen uns. Unser inzwischen weit übersteigertes Selbstbewusstsein verhinderte, dass wir das rechtzeitig merkten. Doch selbst, hätten wir es beizeiten registriert, wäre die für uns mehr als unangenehme Entwicklung nicht mehr zu stoppen gewesen. Da tat sich im Geheimen etwas, was uns auf Dauer so gar nicht gefiele, uns im Laufe der Zeit vom selbst erstellten Sockel der Ich-Gefälligkeit herunter stürzen sollte.
Bis aufs Mark erschüttert hatten wir einzusehen: Die weibliche Hälfte der Menschheit war zwar nur aus einem verschwindend kleinen Teil unseres männlichen, fast überirdisch vollkommenen Körpers geformt worden. Aber zum Pech für uns Männer hatte der Schöpfer allen Lebens auch ihr die Fähigkeit geistig-seelischer Weiterentwicklung verliehen sowie noch obendrein die dann für Frauen so sehr charakteristischen Wesenszüge. Genau die bescherten uns dann durch sämtlich nachfolgende Jahrtausende hindurch echtes andauerndes
und stetig wachsendes Kopfzerbrechen.
In der Antike hatte wir noch unsere Ruhe, die Weiber absolut nichts zu melden. Wie Staubkörnchen lagen sie zu unseren Füßen. Noch schwebten wir ahnungslos über sämtlichen Wolken des später in der Zukunft tosenden Geschlechterkampfes, wähnten uns weiterhin als Spitze allen Seins, fast unbesiegbar und beinahe auch noch unfehlbar.
Weit gefehlt! Denn dann im frühen Mittelalter nahte das Unheil in Gestalt eben dieser doch nur minderwertigen weiblichen Geschöpfe. So minderwertig, wie wir die ganze Zeit zu unserer hämischen Freude geglaubt hatten, waren die leider nicht mehr. Die für Frauen typischen Eigenschaften hatten sich unmerklich für uns verstärkt, gepaart mit einer männlichen Wesen ja gänzlich fremden stetig ausgeklügelteren Raffinesse. Und mit eben dieser erzogen sie uns zu ihrem mehr als willigen Werkzeug.
Ob als Sklavin, Geliebte, Freundin oder auch Ehefrau...sie alle wurden zu Meisterinnen in der Kunst des Umgarnens, des Einspinnens. Sie verfolgten dabei jede die ihr ganz eigene Taktik. Die Spule der Schmeichelei trug sie von Erfolg zu Erfolg. Unsere männliche Eitelkeit ließ sich nur zu gerne einwickeln, wir uns gebauchpinselt um 180 Grad den Kopf verdrehen.
In all den folgenden Jahrhunderten bis in die Gegenwart trugen wir Armen dieses nicht ganz unwichtige Körperteil also genau verkehrt herum, ohne jede Chance, aus jenem ver-rückten Taumel zu fliehen. Die holde Weiblichkeit hielt uns eisern im Griff. Offiziell waren zwar wir die Kriegsherren, die Fürsten, Könige und Kaiser, doch in unserem Rücken stand Aug in Aug mit uns das nur scheinbar so hilflose schwache Geschlecht, hypnotisierte uns mit seinen weiblichen Reizen. Je nach Notwendigkeit und Lage der Dinge fielen
sie uns auch in denselbigen, dirigierten und manipulierten bzw. intrigierten sich gehässig mit spitzer Zunge skrupellos durch sämtliche Jahrtausende des Weltgeschehens.
Wehrlos ihnen ausgeliefert, wurden wir zu Wachs in ihren Händen, brannten lichterloh und verbrannten uns oftmals ihretwegen ganz gehörig die Finger. Wir Kronen der Schöpfung verloren mehr und mehr unsere Zacken bzw. den Durchblick. Derweil besiegte die ehemalige Adamsche Rippe so gar nicht mehr unterwürfig den letzten Rest ihrer Schüchternheit und danach dann uns.
Die Frauen trieben es zusehends dreister. Waren wir bisher diejenigen gewesen, die bei Nichtgefallen Geliebte, Freundin oder auch sogar Ehefrau von uns stießen, verstießen oder im Extremfall sogar zu Boden stießen, drehten diese Emanzen doch tatsächlich den Spieß um und erhoben sich in unerhörter Keckheit gegen uns, ihre Herren und Meister. Per verbalem Nudelholz fügten sie unserem Prestige gröbste Kratzer zu, setzten nicht allein die bekannten weiblichen, sondern sogar auch herkömmliche Waffen ein und erwiesen
sich, wurden dann wir ihnen als Geliebte, Freunde bzw. Ehemänner zu lästig, manchmal sogar als mordlüsterne Bestien. Das hatte zur Folge, dass wir, die doch hervorragendsten Wesen dieser Welt, oftmals fast zermatscht vor ihnen auf dem Boden lagen. Die da gar nicht mehr so charmante, holde Weiblichkeit frohlockte. Frohlockte allerdings nur relativ kurze Zeit. Denn: Unsere Ratschläge hatten sie bis dato nur zu gerne genutzt, unseren Schutz fleißigst in Anspruch genommen.
All dem gingen sie verlustig, wie sie dann entsetzt und ernüchtert feststellten. Denn unser Gehirn lag in den letzten Zuckungen. Zum Glück für die gesamte Menschheit ging den Frauen ihres frappanten Strategiefehlers wegen buchstäblich in aller letzter Sekunde ein bezüglich weiblicher Wesen erstaunlich helles Licht auf. Mittlerweile waren sie der neuen, für sie ungewohnten, teilweise alleinigen Verantwortung für alles und jedes mehr als überdrüssig.
Voller zerknirschter Reue leisteten sie hastig Erste Hilfe, kleisterten uns mit Charme - Komplimente - Kleber wieder zusammen, verbannten Maulkorb und Bei-Fuß-Leine in den Vorratsraum ihres leider sehr aktiven Gedächtnisses, kramten stattdessen zu unserem Nach-, aber ihrem Vorteil barmherzige Langlaufleinen heraus und verdrehten uns schnellstens ein zweites Mal nach allen Regeln der Kunst den Kopf. Da sie ja inzwischen immens an Klugheit zugelegt hatten, sogar in der richtigen Richtung.
Wir hatten unser Gesicht wieder und sie konnten erneut in dasselbige aufschauen. Was sie dann auch strahlend taten. Wir waren ja wieder zu etwas nutze. Fortan gaben sie uns das Gefühl, wir hätten das Sagen und sagten uns jederzeit, was zu tun bzw. vielleicht, bitte oder noch häufiger gefälligst zu unterlassen wäre. Und verdrehten uns währenddessen schon wieder gehörig den Kopf...!!
Wir gerieten ins Grübeln:
Wir Ebenbilder Gottes, wir Männer - waren wirklich wir(!) die Herrscher(?) dieser Welt...??
Eingereicht am 08. Juni 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.