Kindheitserinnerungen "Kleines Missgeschick"
© Enrico Andreas Brodbeck
In einem Zitat von Rudolf Steiner kann man folgendes zu dem Begriff "Kindheit" lesen: "Aus der Art, wie das Kind spielt, kann man erahnen, wie es als Erwachsener seine Lebensaufgabe ergreifen wird".
Ich war damals vier Jahre alt und ein verträumter kleiner Junge, der nur Flausen im Kopf hatte. Wie bei jedem Kind, war das Spielen für mich eine Beschäftigung, bei dem ich alles um mich herum vergaß und so versank ich in eine Traumwelt, in der nichts unmöglich war. Dabei nahm ich meine Umwelt fast gar nicht mehr war, so dass ich in diesem Zusammenhang auch einiges übersah oder nicht wahr haben wollte. Das sollte ich eines Tages, mit deutlicher Präsenz einer unangenehmen Tatsache, am eigenen Leib erfahren. Der
Tag, an dem mir das unliebsame Missgeschick passierte, begann mit der Gewissheit, dass die Wetterlage äußerst schlecht war. Das hatte zur Folge, dass meine Mutter mir nicht erlaubte nach draußen zu gehen, um dort zu spielen. Dass ich wegen dem schlechten Wetter im Haus spielen sollte, gefiel mir überhaupt nicht. Ich brummte und nörgelte leise vor mich hin und fügte mich letztendlich der höheren Gewalt, ohne es zu versäumen, regelmäßig aus unserem Küchenfenster zu schauen. Meine Hoffnung war, dass sich das Wetter
bessern würde und ich doch noch die Möglichkeit bekam, draußen zu spielen. Aber das Wetter änderte sich nicht. Der Wind blies kräftig über das Land und in regelmäßigen Abständen regnete es kräftig aus den Wolken. Das machte all meine Hoffnung zunichte. Mit der Zeit kam ich selber zu der Überzeugung, dass es zum Spielen im Haus viel gemütlicher war. Die Dachgeschosswohnung, in der wir wohnten, war nicht besonders groß, denn ich hatte nicht einmal ein Kinderzimmer, in dem ich ungestört spielen konnte. Vielleicht
war das der Grund, dass ich immer bestrebt war zum Spielen nach draußen zu gehen. Also akzeptierte ich den Umstand, dass ich nicht nach draußen gehen konnte und richtete meine Spielstätte in unserem Wohnungsflur ein. In der zurückliegenden Zeit hatte ich eine beachtliche Anzahl an Spielzeugautos von Verwandten und Bekannten geschenkt bekommen. Sie waren ein Garant, dass ich mich bei schlechtem Wetter sinnvoll beschäftigen konnte. Ob es nun Rennautos, Oldtimer, Baustellenfahrzeuge oder Lastwagen waren, beim Spielen
mit den Autos kannte meine Phantasie keine Grenzen und bescherte mir immer wieder aktionsreiche Abenteuer. Nun wusste ich aus der Erfahrung heraus, dass die Natur des Menschen keine Spiele oder gar Verzögerungen kennt. Die Verdauung einer Mahlzeit, so habe ich es später gelernt, dauert in der Regel vierundzwanzig Stunden. Sicher lässt sich die Endprozedur ein wenig hinauszögern, aber sie fordert ihre Beachtung. Zu einem Zeitpunkt, als ich gerade sehr intensiv in einem Spielablauf vertieft war, machte sich ein
Verdauungszeitpunkt bei mir bemerkbar. Das passte mir überhaupt nicht und störte mich zudem beim Spielen. Ich versuchte die natürliche Regung zu verdrängen und spielte unbekümmert mit meinen Spielzeugautos weiter. Da der Druck in der Darmregion schon sehr groß war, drückte es und zwickte es beachtlich im Pobereich. Durch dieses unliebsame Gefühl wurde ich natürlich unruhiger und zappeliger. Meine Mutter hatte mein verändertes Verhalten natürlich sofort bemerkt. "Musst du auf die Toilette?" Als sie das
fragte, lugte sie von der Küche in den Flur hinein und schaute mich dabei eindringlich an. Da ich mein Spiel um nichts in der Welt unterbrechen wollte, verneinte ich die Frage und machte sorglos weiter. Meine Mutter glaubte mir natürlich, denn ich war mittlerweile vier Jahre alt und ich war, wenn man das so sagen darf, "stubenrein". Aber die Natur des Menschen lässt sich natürlich nicht so einfach austricksen. Nach einer Weile stand ich vor der entscheidenden Frage, was für mich wohl wichtiger ist,
der Gang zur Toilette, um eine Notdurft zu verrichten, oder das Spiel mit den Spielzeugautos. Meine Mutter nahm mir diese Entscheidung erfahrungsgemäß ab. "Ich glaube, du gehst jetzt besser auf die Toilette", sagte sie mit einem bestimmenden Tonfall, nachdem sie mich eine Weile von der Küchentür aus beobachtet hatte. Es half nichts. Dieser Aufforderung konnte ich mich nicht widersetzen. Schweren Herzens stand ich vom Fußboden auf und ging zum Badezimmer. Ich öffnete die Badezimmertür, in die Lüftungssiebe
eingelassen waren. Das Badezimmer war ein kleiner lang gezogener Raum mit einem Heizkessel und einer Badewanne auf der rechten Seite. An der Stirnseite war die Toilette und davor auf der linken Seite war ein Waschbecken. Ich ging direkt auf die Toilette zu. Auf dem Weg, streifte ich die Hosenträger meiner Lederhose von den Schultern. Da meine Eltern aus Kostengründen die Lederhose vorsorglich etwas größer gekauft hatten, rutschte die Hose gesetzmäßig sofort zu Boden. Dann schob ich noch die Unterhose herunter
und begab mich auf die Toilette. Für das Hinaufsteigen hatten meine Eltern mir ein Fußbänkchen vor die Toilette gestellt. Den Ablauf hatte ich mit meiner Mutter schon oft geübt und konnte ihn nun alleine. Die Prozedur wäre an diesem Tag genau wie an allen anderen Tagen abgelaufen. Wenn! Ja, wenn nicht der Deckel einer Seifenschale auf dem Waschbeckenrand gelegen hätte und mein Interesse weckte. Da die Entfernung von der Toilette zum Waschbecken sehr gering war, konnte ich problemlos nach dem Deckel greifen.
Ich sah ihn mir genauer an und erkannte sofort, dass sich dieser Deckel hervorragend als Schiffchen eignen würde. Um meine Erkenntnisse zu testen, benötigte ich ein gefülltes Waschbecken. Also bemühte ich mich, mit der rechten Hand den Wasserhahn aufzudrehen. Das erwies sich aber als äußerst schwierig, so dass ich vom Toilettenrand rutschte und nun mit herabgelassener Hose vor dem Waschbecken stand. Ich stellte das Fußbänkchen um und stellte mich darauf. Natürlich hatte ich nicht vergessen, dass ich eine Notdurft
verrichten wollte. Da ich aber unmittelbar vor der Toilette stand, glaubte ich, mich notfalls schnell auf die Toilette setzen zu können. Also widmete ich meine ganze Aufmerksamkeit dem neuen Spielzeug, setzte den Gummistopfen auf den Ablauf des Waschbeckens und drehte vorsichtig den Wasserhahn auf. Ich war mir natürlich bewusst, dass meine Mutter das Plätschern des Wassers hört und der Spaß sofort ein Ende hätte. Folglich nahm ich einen Waschlappen zur Hilfe, an dem das Wasser leise in das Waschbecken hinein
laufen konnte. Langsam füllte sich das Waschbecken bis zum Überlauf. Diese Menge Wasser sollte ausreichend sein, um einige Versuchsreihen mit dem neuen Schiffchen durchführen zu können. Dann drehte ich den Wasserhahn vorsichtig zu und legte den Waschlappen beiseite. Nun konnte ich mit den Versuchsreihen anfangen. Im ersten Versuch wollte ich ausprobieren, wie viel Wasser das kleine Schiffchen zuladen konnte. Dazu nahm ich den Waschlappen, drückte ihn so lange, bis genügend Wasser im Schiffchen war. Danach gab
ich ein kleines Stück Seife dazu, das ich zuvor am Waschbeckenrand abgelegt hatte. Solche Versuche waren natürlich viel spannender, als auf der Toilette zu sitzen, um auf die Dinge zu warten die da kommen konnten. Noch spannender aber war plötzlich die Überlegung, wie viel Druck mein Popo aushalten würde. Der Druck in der Pogegend wurde nicht nur unangenehm, sondern auch lästig zugleich. "So etwa dummes aber auch", dachte ich bei mir und war ein wenig ungehalten. Das der Druck sich ausgerechnet jetzt
während des Versuchs wieder bemerkbar machte, irritierte mich zunehmend. "Sicher", so dachte ich insgeheim, "ich brauche mich nur auf die Toilette setzen und der Natur ihren freien Lauf lassen." Aber deswegen die Versuchsreihe abbrechen? Das wiederum erschien mir ein wenig übertrieben. Also versuchte ich, durch zusammenpressen der Pobacken, dem Druck am Darmausgang entgegen zu wirken. Und siehe da, die Anstrengung half. Der unangenehme Druck wurde durch diese Aktion merklich gemildert. Nun
konnte ich mich wieder in aller Ruhe meinem Schiffchen und den Versuchen widmen. Als nächstes wollte ich herausfinden, bei welchem Seegang ein beladenes Schiffchen untergehen würde. Durch leichte Bewegungen mit meinen Händen simulierte ich die raue See. Na ja, zugegeben, bei dieser Aktion war ich mit meinen Händen doch ein wenig zu heftig. Das Schiffchen sank in regelmäßigen Abständen auf den Grund des Waschbeckens. Da ich mich schon eine geraume Zeit im Badezimmer aufhielt, vernahm ich plötzlich die besorgte
Stimme meiner Mutter.
"Bist du immer noch nicht fertig?"
Ihre eindringliche Frage schallte von der Küche über den Flur ins Badezimmer. "Noch nicht", antwortete ich rasch und hielt inne. Ich wollte hören, ob meine Mutter kommen würde um sich zu vergewissern. Tat sie aber nicht! Das wiederum beruhigte mich ein wenig. Ich wusste sehr wohl, dass meine Mutter schimpft, wenn sie mich in dieser unkorrekten Situation erblicken würde. Unter diesem günstigen Umstand, da sie nicht kommen würde, konnte ich mit den Fahrversuchen fortfahren. Nun galt es herauszufinden,
wie schnell ein mit Seife beladenes Schiffchen fahren konnte. Ich steckte den Zeigefinger der rechten Hand vorsichtig in den Seifenschalendeckel und zog das Schiffchen über die Wasseroberfläche. Je schneller ich zog, desto höher wurde die Bugwelle. Das Schiffchen sank hierbei ebenso auf den Grund des Waschbeckens, nachdem es zwangsläufig mit Wasser vollgelaufen war. Pech für das Schiffchen! Pech aber auch für mich, denn der anfänglich leichte Druck am Po, ging über in einen stechenden Schmerz in der unteren Bauchgegend.
Sollte ich mich doch lieber auf die Toilette setzen, um der Qual ein Ende zu machen? "Nein, nein und nochmals nein", so redete ich innerlich auf mich ein. In dieser wichtigen Phase der Versuchsreihe, wollte ich wegen einer Nichtigkeit das respektable Ergebnis nicht aufs Spiel setzen. Außerdem, so sicher war ich mir immer noch, war ich schnell genug auf die Toilette, um dem Druck noch rechtzeitig nachzugeben. Ich überlegte kurz was ich tun könnte, um dem unsäglichen Druck entgegen zu wirken. Also kam
ich zu der Überzeugung: Was am Anfang geholfen hat, soll nun noch einmal helfen. Mit verbissenem Gesichtsausdruck presste ich die Pobacken so fest zusammen, wie ich nur konnte. Und siehe da, auch diese Anstrengung führte zum Erfolg. Es half abermals. Diese Aktion gab mir abermals einen kleinen Aufschub und die notwendige Sicherheit, um weiter spielen zu können. Da ich den Wasserstopfen des Waschbeckens nicht ausreichend fest in die Abflussöffnung gedrückt hatte, hatte sich der Wasserspiegel mittlerweile merklich
gesenkt. Also galt es den Wasserstand wieder auf das Normalmaß zu bringen. Mit einer Hand drückte ich den Wasserstopfen nieder, mit der anderen Hand drehte ich am Wasserhahn und gleichzeitig presste ich meine Pobacken kräftig zusammen. In diesem Moment hörte ich die weitaus besorgtere Stimme meiner Mutter.
"Bist du immer noch nicht fertig?"
Ich erstarrte. Würde die Mutter jetzt kommen und nachschauen? Ich unterbrach meine Tätigkeiten und entspannte mich dabei ein wenig, um zu lauschen, was nun passieren würde. Dabei verringerte ich auch den Anpressdruck meiner Pobacken. Das, was sich nun ereignete, erschreckte mich bis ins Mark. Auf die anfänglich sichere Aktion mit den Pobacken, folgte nun eine ebenso sichere Reaktion meines Pos. Egal wie sehr ich versuchte dem entgegen zu wirken, diese Reaktion konnte nicht mehr gestoppt werden. Die Natur meines
Körpers widersetzte sich meinem Willen, dass Unheil zu verhindern. Wie eine Schlange, die vorsichtig aus ihrem Versteck kam um ihre Umgebung zu erkunden, kroch eine feste Masse zwischen meinen Beinen langsam zu Boden. Dort befand sich meine Lederhose mit der Unterhose, in die sich besagte Schlange lautlos niederlegte. Ich erkannte sofort, dass ein Versuch jetzt noch auf die Toilette zu steigen, nicht mehr notwendig war. Also ließ ich es geschehen. Die peinliche Situation, in die ich mich gebracht hatte, war
für mich natürlich sehr beschämend. Da stand ich nun, ein "stubenreines" Kind von vier Jahren, über dem Resultat einer unabwendbaren Tatsache. Wenn man nun annimmt, dass ich in dieser Situation gewillt war irgendetwas zu unternehmen, der täuscht sich gewaltig. Ich stand immer noch vor dem Waschbecken und hielt meine Hände krampfhaft ins Wasser. Mit ein paar ungelenkten Bewegungen wollte ich wieder etwas Wellengang simulieren. Es war ein zwiespältiges Gefühl, das langsam in mir aufloderte. Zum einen
fühlte ich mich erleichtert, da der Druck aus der Poregion gänzlich verschwunden war. Zum zweiten verlor ich schlagartig die Lust am Spiel mit dem Schiffchen. Zudem stieg ein unangenehmer Geruch von meinen Hosen auf. Ich war fassungslos, da ich erkannte, dass eine kleine Seifenschale mich von meinem eigentlichen Vorhaben ablenken konnte. Ich überlegte angespannt, was ich in dieser Situation tun konnte. Dann hörte ich die Schritte meiner Mutter, die mittlerweile im Flur war. Und dann ging die Badezimmertür auf.
Mit Entsetzen musste meine Mutter sehen, wie das blanke Elend vor dem Waschbecken stand. War mir das peinlich! Weil ich aber nicht so recht wusste was ich tun sollte, fing ich erst einmal an zu weinen an. Es war ein Trauerspiel ohne Gleichen. Die Schweinerei, wie meine Mutter diesen Anblick nannte, beschmutzte nicht nur meine Unterhose, sondern auch meine heiß geliebte Lederhose. Das hatte zur Folge, das sich mein Aufenthalt in der Wohnung zwangsläufig verlängerte. Für die nächsten drei Tage hatte ich verschärften
Hausarrest. Eine endlos dauernde Zeit, die mich verdrießlich machte. Aber nach Aussage meiner Mutter, trocknete meine Lederhose nicht schneller. Paradoxerweise änderte sich am folgenden Tag die Wetterlage. Ein Hochdruckgebiet verweilte längere Zeit über unsere Region und bescherte uns sonnige Tage. Jetzt hatte ich die notwendige Zeit, um mit dem neuen Schiffchen die erforderlichen Versuche durchzuführen. Aber im Ernst! Daran ist mir ehrlich gesagt die Lust vergangen.
Eingereicht am 15. Oktober 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
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