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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Größtes Papa von Welt

© Manfred Schröder


Ich möchte auch von meinem Vater erzählen. Ist gewesen größtes Papa von Welt. Mein Vater war Zugbegleiter.
"Das ist eine wichtige Aufgabe", pflegte er stolz zu sagen. "Ich begleite sie und gebe Acht, dass nicht plötzlich einer von ihnen verschwindet."
Nur mit seiner Dienstkleidung war er nicht zufrieden.
"Ist mir zu simpel. Gibt einem so keine richtige Würde."
Er wäre ja auch lieber General oder Faschingsprinz geworden. Mein Vater kannte die Strecke zwischen Wanne und Eickel aus dem F.F. Da konnte ihm niemand etwas vormachen.
"Was ist schon die so genannte weite Welt dagegen", war ein geflügeltes Wort von ihm. Es gab auch Züge, die uns links und rechts liegen ließen und stolz vorbeirauschten.
"Lass sie nur", sagte er dann, wobei er den Mund verzog und seine linke Augenbraue hob.
"Unser Tag wird kommen."
Einmal ließ er den Zug mitten in der Nacht, weil er etwas vergessen hatte, in unserem Wohnzimmer halten. War da ein Gedränge im Haus. Ich befand mich, ehe ich mich versah, auf dem Fußboden, weil ein Fahrgast sich in der Türe irrte und es sich in meinem Bette bequem machte.
Meine Mutter merkte nichts von alledem. Nur am folgenden Morgen wunderte sie sich, dass der Kühlschrank leer war.
Dann kam der Tag, dass ein Zug verschwand. Nun gut; Züge können sich verspäten, entgleisen oder zusammenstoßen. Aber einfach verschwinden! Doch auch mein Vater war verschwunden. Er war nämlich Begleiter dieses Zuges. Mensch, war das eine Aufregung! Man rätselte und spekulierte. War der Zug mit meinem Vater verschwunden, oder mein Vater mit dem Zug? Nur meine Mutter ließ sich nicht beeindrucken und aus der Ruhe bringen.
"Dein Vater wollte schon immer hoch hinaus. Jetzt ist er bestimmt Oberzugbegleiter!"
Nur ich wusste Bescheid. Der Zug hielt nun des Öfteren in der Nacht in unserem Wohnzimmer. Dann ging es immer hoch her. Die Türe meines Schlafzimmers ließ ich jedoch vorsichtshalber geschlossen. Meine Mutter erfuhr nie etwas vom nächtlichen Treiben meines Vaters. Mich ärgerte nur, dass sie mich verdächtigte, des Nachts aufzustehen, um den Kühlschrank plündern.
PS: Wo mein Vater jetzt ist? Ich weiß es nicht. Er ist wohl in die Legende eingegangen.



Eingereicht am 15. Oktober 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.


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