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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

An die Polizei

© Walter Schäfer


Per Fax
Sehr geehrte Polizei
Hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, dass ich mich selbst anzeige und Sie bitte, mir gegebenenfalls den Führerschein hinwegzunehmen. Ich habe eine Straftat begangen, die mir noch nie passiert ist. Und immer hab ich meiner Frau gesagt, dass wenn mir sowas mal passiert, dann gebe ich den Führerschein ab.
Seit ungefähr 30 Jahren habe ich einen Führerschein für die Verbrennungsmaschine Klasse 3. Ich besitze auch eine selbige, mit der ich meine tägliche Fortbewegung verrichte.
Vorgestern, am 13. September 1998 um 5 Uhr 47 Minuten und 21 Sekunden bin ich auf der A3 in Richtung Siegburg gefahren. Und wenn man von Düsseldorf kommt, von da wo ich arbeite und die A3 weiterfährt nach Siegburg, dann kommt man an einen Teil von der A3, wo ein Schild dortsteht, auf dem Dreieck Heumar steht. Vor diesem Schild kommt noch ein Schild, auf dem 80 draufsteht. Ich habe in der Fahrschule gelernt, dass wenn ein Schild dasteht, wo 80 draufsteht, dann darf man auch nur 80 fahren. Die Nadel vom Tacho, die welche die Schnelligkeit des Fahrzeugs anzeigt, muss mit der Zahl übereinstimmen, die auf dem Schild steht.
Vorgestern, also am 13. September 1998 um 5 Uhr 47 Minuten und 21 Sekunden bin ich auf der A3 gefahren. Und ich bin an diesem Schild vorbeigefahren, auf dem 80 steht. Dieses Schild habe ich natürlich sofort gesehen und gedacht: Aha, ein Schild mit 80. Und da hab ich auf meinen Tacho geguckt. Die Nadel von dem Tacho ist aber auf 92 gestanden. Zuerst bin ich gewaltig erschrocken, dass können Sie sich vorstellen. Ich hab mir im ersten Moment gedacht, mein Auto ist kaputt. Danach hab ich mir sorgfältig überlegt, ob mit meinem Tacho, welchen selbigen mein Auto beinhaltet, was nicht stimmt. Aber das ist mir auch recht unwahrscheinlich vorgekommen.
Nach reiflicher Überlegung und Absprache mit meiner Frau sind wir nun beide gleichzeitig zu dem Schluss gekommen, dass ich zu schnell gefahren bin. Und zwar 12 km zu schnell.
Das ist total verantwortungslos. Es hätte ja gerade ein Reh oder eine alte Frau über die Straße laufen können. Obwohl das an dieser Stelle der A3 eigentlich nicht möglich sein kann, weil diese Stelle der A3 beidseitig von ungefähr 5 Meter hohen Mauern umgrenzt ist. Und ich hab noch nie eine alte Frau über eine 5 Meter hohe Mauer springen sehen. Und ein Reh springt normalerweise auch nicht so hoch. Es sei denn, es wäre ein Rentier vom Weihnachtsmann. Aber das ist ja Kinderglaube. Den Weihnachtsmann gibt es ja gar nicht.
Ich weiß, das klingt alles unglaubwürdig und ich kann es Ihnen nicht beweisen. Vom Fernseher weiß ich aber, dass die Polizei immer Beweise braucht, wenn sie etwas beweisen muss, weil sonst fehlt ja der Beweis und ohne Beweis ist dann überhaupt nichts zu beweisen. Deswegen möchte ich Ihnen einen Vorschlag machen. Ich fahre am Freitag, den 18. September 1998 um 5 Uhr 30 von Düsseldorf auf die A3 nach Siegburg. Und genau an der besagten Tatstelle fahre ich wieder zu schnell. Genau 92 km in der Stunde. Vielleicht können Sie dann mit einem Blitzgerät und einem Fotoapparat dastehen und wenn ich vorbeikomm, eine Momentaufnahme machen. Dann hätten Sie den Beweis und könnten mich bestrafen. Ich bitte Sie eigentlich also nur um eine nachträgliche Fotografierung meiner Straftat, damit vor Gericht dann ein Beweis da ist, mit dem mich der Richter verurteilen kann. Damit ich endlich wieder ruhig schlafen kann.
Ich möchte Ihnen hiermit auch mitteilen, dass ich noch nie zu schnell gefahren bin und ich noch nie jemanden überfahren hab. Nicht mal einen Radfahrer, obwohl ich Radfahrer überhaupt nicht mag. Ich hab des Weiteren auch nie am Steuer einen Alkohol getrunken. Ich hab gar nie im Leben eine Unfallflucht gemacht. Ich hätt auch gar nicht gewusst, wo ich hinflüchten soll. Ich bin allerdings schon öfter mal vor meiner Frau geflüchtet, weil sie manchmal so ein Drachen ist. Aber das ist ja nicht strafbar, weil es sich hier wahrscheinlich um Notwehr handelt.
Ich entschuldige mich jedenfalls bei Ihnen und wenn Sie mir den Führerschein abnehmen wollen, dann haben Sie freie Hand. Ich kann Ihnen meinen Führerschein aber auch mit der Post schicken in einem Einschreibebrief weil das sicherer ist, wenn Sie keine Zeit haben. Die Kosten zahle natürlich ich. Bitte teilen Sie mir mit, wie Sie es haben wollen.
Mit hochachtungsvollen Gewissensbissen



Eingereicht am 02. Juni 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.


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