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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Der Flutgott

© Frank Moné


Heute muss ich standhaft sein. Allein schon um meiner eigenen Ehre willen. Nicht so wie das letzte Mal, wo ich wie ein geprügelter Hund, ohne jegliche Gegenwehr, das Feld geräumt hatte. Kampflos. Ohne Rückgrat. Aber es kommt der Tag, im Leben eines jeden Mannes, wo er einstehen muss, für das, an was er glaubt.
Und ich war bitter entschlossen, eben dieses zu tun.
"Lass es mich haben", sagte er erstaunlich ruhig, fast freundlich.
"Nein, nicht heute. Nicht heute", antwortete ich und schüttelte, provozierend langsam, mein Haupt. Er sollte von vorneherein meine wilde Entschlossenheit spüren.
Ein feines, spöttisches Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Dann zog er, scheinbar erstaunt, die geschwungenen Augenbrauen hoch und erwiderte: "Ach so? Dag mir, wie willst du das denn anstellen?"
"Ich werde kämpfen. Und nicht mehr zurückweichen. Selbst wenn es meinen Leben kostet."
Ein grausames, herablassendes Grinsen verzerrte seine Züge. "Elender, was bildest du dir ein? Was glaubst du, mir entgegen setzen zu können? Erinnere dich doch an das letzte Mal." Er stieß noch ein kurzes, meckerndes Lachen in meine Richtung.
"Was habe ich zu verlieren?" antwortete ich mit fester Stimme. "Sollte ich unterliegen und du hast du mich nicht getötet, so wird sie es tun."
Er neigte leicht, fast schon bedauernd, seinen Kopf zur Seite. "Ja, das wird sie. Sie oder ich. Warum also, machst du dir noch solche Mühsal?"
Ich spürte wie ich anfing innerlich zu kochen. Seine verfluchte Arroganz hatte mich schon immer zur Weißglut gebracht. Aber, bei Thor, dem gerechten Donnergott, ich werde nicht weichen. Heute nicht. Morgen nicht. Nie mehr.
Seine starre Fratze schoss ein Stück nach vorne und sein spitzes Kinn zeigte auf das große Wasser um uns herum. "Du weißt, was ich wirken kann. Langweilige mich nicht weiter mit deiner unwürdigen Anwesenheit", zischte er mit gefährlich leiser Stimme.
Ich erinnerte mich an seine gräulichen Taten und wieder schüttelte mich ein Entsetzen, das in Worte zu fassen ich nicht im Stande war. Fragmente nur, dieser furchtbaren Katastrophe, beschworen erneut die Urängste in meine gepeinigte Seele und drohten mein Herz zu zerreißen.
Diese furchtbaren Fluten, die jedem Land seine Masse entrissen. Die jedwedes Leben unter sich begrabenden Überschwemmungen. Das donnernde Grollen der brechenden Wellenberge, welches vom unausweichlich nahenden Tod kündete. Das Aufschreien gequälter Seelen, kurz vor dem Auslöschen ihrer selbst und all das darauf folgende Leid.
"Nein", schrie ich ihn an. "Du Ausgeburt der Hölle. Hier und jetzt werde ich dir trotzen. Niemals mehr lasse ich zu, dass wieder Solches geschehen kann. Ich ..."
Mit einem dunklen, kehligen Lachen warf er seinen tückisch schönen Kopf zurück. Er stieß seine mächtige Pranke gen Himmel, wo sie, kurz nur, unheilkündend verharrte, bevor sie mit verheerender Macht auf das weißumsäumte, wie in Angst erstarrte, Wasser nieder fuhr.
Nur unter Aufbietung all meiner Kräfte konnte ich das Ausbreiten der, wie um sich schlagenden, entsetzt flüchtenden Fluten Herr werden.
Herablassend amüsiert schien er, der Herr der Gestaden, als diese seine kalten Augen, welche nie ein ehrliches, warmes Lächeln erfahren hatten, sich meinem vor Furcht und Anstrengung zur leblosen Maske erstarrten, Antlitz zuwanden.
"Noch einmal wag es, dich meinem Willen zu widersetzen", brüllte der nun über alle Maßen erboste Flutgott, "und du wirst meinen Zorn zu spüren bekommen".
Wie die brausende Gewalt eines spätsommerlichen Gewitterorkans brandete seine dämonische Stimme über meinen zitternden Körper hinweg. Rüttelte mit der Urgewalt der schwarzen Titanen an den Grundfesten meiner zerrütteten Seele und erstickte augenblicklich meinen erbärmlich geringen Widerstand, so vollständig, wie der große Winterschnee das faule Laub des Herbstes gnädig vor der Welt versteckt.
Mit einem letzten verzweifelten Aufbäumen warf ich mich ihm entgegen. Er wuchs vor mir auf, wie der Gigant, welcher der Erde den Mond entriss. Entfaltete seine dunklen, stinkenden Flügel, riss sein fauliges Maul auf und der ungleiche Kampf entbrandete auf den Wassern. Wir wüteten wie mit Tollwut geschlagene Wölfe und die Menschenwelt versank im satanischen Chaos der Schlacht.
Doch gegen diese dämonischen Kräfte gab es für mich kein Bestehen und mein Wille wie mein Körper zerfaserte wie der zarte Morgennebel in der aufblühenden Glut der zum Zenith wandernden Sonne.
Geschlagen. Verloren. Versehrt. Gedemütigt. Verbannt. Verflucht.
"Lass es mich haben". Seine vor Spott triefende Stimme spie auf mich herab. Er hatte gewonnen und ich musste es ihm überlassen. Dieses große, braune, mit Wasser vollgesogene, Schwammkissen, das sich mein Sohn mit verzückter Hingabe wieder und wieder quietschend über seinem Kopf ausdrückt.
Und wenn Angelika, meine Frau, das spitz kriegt, wird sie mich wieder mit dem roten Handtuch wie einen nassen Hund aus dem Bad prügeln.
"Frank, sorg dafür, dass es nicht wieder so eine Überschwemmung wie beim letzten Mal gibt. Sonst mach ich dich einen Kopf kürzer", hörte ich mein angetrautes Eheweib vom Flur aus rufen. Mein furchtsam ahnungsvoller Blick schweifte über das verwüstete Bad und kehrte zu meinem, unverschämt bis zu den Ohren grinsenden, Sohn zurück.
Schicksalsergeben und mit abhängenden Schultern versenkte ich meinen Blick in die vom Badewasser entblößte Wanne und stammelte: "Oh, Kacke."



Eingereicht am 24. Mai 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.


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