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Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Gottes Gewissen

© Frank Moné


Gott sah auf die Erde hinunter und schüttelte entmutigt den Kopf. Was hatte er nur falsch gemacht? Nichts entwickelte sich dort unten so, wie er es sich erhofft hatte. Er hatte das Leben auf diese Erde gebracht und den Menschen, geschaffen, der ihn erfreuen sollte.
"Warum sind sie nicht so wie sie sein sollten? In fast allen meiner Prüfungen haben sie sich als unwürdig erwiesen", sagte Gott.
"Weil du sie nach deinem Ebenbild erschaffen hast", antwortete Satan. "Mit all deinen Stärken und Schwächen."
"Nein, das ist nicht wahr. Ich habe sie besser gemacht. Aber sie wurden aggressiv und kriegerisch. Warum nur?", fragte Gott erneut.
Und Satan entgegnete: "Weil sie Angst haben. Angst vor deinem Zorn und deiner Rache. Damit hattest du sie unter Kontrolle."
"Du lügst", erhob Gott seine Stimme. "Wie soll ich das gemacht haben?"
Satan zeigte auf die Erde, wo gerade ein Kind geboren wurde. "Sie dir an, wie das menschliche Kind auf die Welt kommt. Unter Qualen. Für Mutter und Kind. Der Körper jedes Tieres wird kurz vor der Geburt mit einem körpereigenen, schmerzhemmenden Hormon überflutet, damit es keine Schmerzen verspürt. Das Gleiche gilt für das zu gebärende Jungtier. Und der Mensch? Ihm versagst du diese Gnade. Was erwartest du denn von einem Wesen, dessen erster prägender Eindruck auf der Welt der Schmerz ist? Dessen erstes Gefühl Angst, ja sogar Todesangst, ist? Dessen Geburt die traumatischste Erfahrung in seinem Leben darstellt. Und diese Angst erzeugt Aggressivität. Nimm sie ihnen und du hast eine friedliche Welt. Aber das wirst du nicht tun, denn damit würdest du dich deinem einzigen Druckmittel gegen sie berauben."
"Aber sie müssten keine Angst haben, wenn sie sich an die zehn Regeln hielten, die ich ihnen mit auf den Weg gab", verteidigte sich Gott vehement.
Der Teufel lachte bösartig: "Du stelltest ihnen auch den Baum der Erkenntnis in den Garten Eden. Welchen Sinn sollte das haben, wenn sie nicht von seinen Früchten kosten können? Sie sollten kosten. Und das weißt du. Denn du hast ihnen die Schlange geschickt, auch sie ist dein Geschöpf, um sie zu verführen. Nun, sie haben sich verführen lassen und erreichten so die Intelligenz, oder wie du es ausdrückst, die Erkenntnis. Und soll ich dir was sagen: Du bist der Verführer. Also, beschwer dich nicht."
Zornig geworden erwiderte der Schöpfer: "Ich wollte sie nur prüfen, ob sie an mich glauben, ob sie meinem Wort folgen würden. Ich kann daran nichts Verwerfliches finden."
Luzifer schüttelte spöttisch den Kopf. "Prüfen. Wie willst du jemanden prüfen, der von nichts eine Ahnung hat. Deine Prüfungen sind pervers. Oder findest du es amüsant, einen Vater zu heißen seinen geliebten Sohn in deinem Namen zu töten?"
"Ich verhinderte die Tötung. Er ..."
Doch Luzifer unterbrach Gott und brüllte: "Du hast einem rechtschaffenen Mann, einem liebenden Vater, das Herz aus dem Körper gerissen. Ja, du hast den Mord verhindert, aber bis zu diesem Zeitpunkt stand dieser arme Mensch grausame Qualen aus. Du hast ihn durch die Hölle geschickt. Soll das eine Prüfung des Glaubens sein?"
Gott kochte vor Wut: "Ich sandte ihnen einen meiner Söhne. Um sie zu lehren, um sie zu ..."
Höhnisch lachend fiel der Teufel Gott wieder ins Wort: "Ja, das war deine größte Blamage. Sie sind aber nicht deinem Sohn gefolgt, sondern einem redegewandteren, charismatischeren, besser aussehenden, reichen Sprössling des Hauses Juda. Einem rechtmäßigen Anwärter auf den weltlichen Thron Israels. Sie sind Jesus gefolgt und nicht Johannes. Dem hat man im Gefängnis den Kopf abgeschlagen und auf einer Schale der frühreifen, sexbesessenen Konkubine des Herodes geschenkt. Und Johannes ist nicht wieder auferstanden. Du hast den falschen Sohn gesandt."
"Luzifer, warum greifst du mich so an?", sagte Gott erschrocken. "Du, dem ich einst mein ganzes Vertrauen schenkte, dem ich die Obhut über die Menschen übertragen wollte."
"Ach", schrie der Teufel auf, "jetzt auf ein Mal nennst du mich wieder Luzifer. Den Überbringer des Lichts. Ja, ich brachte das Licht über die Erde. Auf dein Geheiß. Aber du hast nie verstanden, dass ein Jedes zwei Seiten hat. Wo Licht ist, ist auch immer Schatten. Wo das Gute wohnt, wohnt auch das Böse. Und das muss so sein. Denn wie willst du das Eine als gut beurteilen, ohne das Andere, das Böse, zum Vergleich zu haben. Nein, komm mir nicht so. Nenne mich ruhig weiter den Satan. Den Höllenfürsten. Den Prinz der Dunkelheit. Das personifizierte Böse. Mich schickst du vor, um den Menschen Angst zu machen. Mit mir drohst du Ihnen, um DEINE Interessen durchzusetzen."
"Ich nannte dich nie Satan", entgegnete Gott leise. "Das taten die Menschen. Sie erkannten, dass du nicht mehr an mich glaubst."
"Ja, ja. Ich weiß. Satan kommt von dem menschlichen Wort Sheitan und heißt soviel wie Ungläubiger. Aber, sag mir, wie sollte ich nicht an dich glauben, wo ich doch vor dir stehe und mit dir spreche. Weißt du überhaupt noch was du sagst?"
"Schweig", schrie Gott zurück, "oder ich jage dich hinfort.
Doch Satan erwiderte ruhig: "Wohin willst du mich denn jagen? In die Hölle? Hast du schon vergessen, dass dies dein Erzhandlanger Gabriel schon vor langer, langer Zeit getan hat.
Gottes Blick ruhte auf Luzifer und er schwieg.
"Oh, ich weiß", fuhr der Höllenprinz fort, "warum sie dich gerade jetzt so ärgern. Sie haben die Möglichkeit gefunden ihren Planeten zu verlassen. Sie suchen nach dir draußen im All. Weil sie dich auf der Erde nicht finden konnten. Aber sie erkennen auch mehr und mehr, dass das Universum scheinbar auch ohne dich funktioniert. Sie begreifen, wie wenig Einfluss du tatsächlich hast. Zeig dich ihnen. Bald. Aber nicht indem du weitere Städte vernichtest, nur weil ein paar deiner Engel mit den Menschenfrauen ihren Spaß hatten. Nicht, indem du weitere verheerende Fluten auslöst. Nicht, indem du wiederholt ihren Sprachen trennst, nur weil sie einen dummen, kleinen, popeligen Turm bauen. Zeig dich ihnen und sie werden an dich glauben. So wie ich es tue, Vater.
Gott senkte den Blick und tat wie sein Sohn ihm geraten hatte. Seite an Seite stiegen sie auf die Erde hinab und zeigten sich den Menschen. Doch die glaubten ihm nicht. Sie fragten ihn, wieso er Gott sein solle. Und sie verlangten Beweise.
Verbittert wandte sich Gott an Luzifer: "Siehst du, mein Sohn, sie haben ihren Glauben verloren."
Da lachte der Luzifer, der Träger des Lichts freundlich und sagte: "Oh, nein. Sie glauben schon. Aber Sie sind dir wirklich ähnlich Vater. Sie prüfen dich.
Und Gott sah wieder nach den Menschen und wirkte seine Wunder. Da sah er, dass es gut war.



Eingereicht am 17. Mai 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.


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