Liebe auf bayerisch
© Belinda Fuchs
Nach beinahe 30 Jahren des Zusammenlebens, kennt man seinen Partner so gut, dass es nicht mehr vieler Worte bedarf.
Was wir beide am meisten genießen, ist das Frühstück an den Wochenenden. Da bleiben wir schon gerne mal ein bis zwei Stunden sitzen, diskutieren über die neuesten Nachrichten, unterhalten uns über Erfindungen, die mein Mann so gerne macht oder zitieren Überschriften und Artikel aus der Zeitung.
Und so auch an diesem Morgen, an dem anlässlich des 50. Geburtstags von Angela Merkel ein Artikel über sie in der Zeitung stand. Mein Mann las ihn, blickte auf und sagte: "Die ist nur drei Jahre älter als ich und hat schon soviel erreicht - und was hab´ ich erreicht?"
"Nun", sagte die beste Ehefrau von allen (ich), "du konntest erfolgreich verhindern NICHT das zu sein, was SIE ist".
Außerdem gab es wieder einmal einen Politiker, der wegen einer sog. "Spendenaffäre" zurücktreten musste. Mein Mann meinte dazu nur lakonisch: "Unsere Politiker erhalten doch keine Bestechungsgelder! Dieses Geld ist lediglich eine berufsbedingte Zuwendung."
Ich liebe seine kleinen aber feinen Kommentare, die mich immer zum Lachen bringen, weil ich einfach gerne lache und weil ich finde, dass Lachen in einer Beziehung sehr wichtig ist. Natürlich beruht dieses über-einander-lachen-können auf Gegenseitigkeit. So wollte mein Mann vor kurzem von mir wissen, was "pragmatisch" bedeutet. Ich erklärte ihm, dass es eine Denkweise sei, dass ein Pragmatiker sein Ziel auf praktisches Handeln richtet, und um ihm das noch zu verdeutlichen, sagte ich: "ich bin ein
Pragmatiker".
Er antwortete: "Hey, dann bin ich ja auch ein Pragmatiker". Worauf ich erwiderte: Nein, Liebling, das Wort, das eine deiner Eigenschaften beschreibt, lautet phlegmatisch.
(= aufgrund der Veranlagung nur schwer zu erregen u. kaum zu irgendwelchen
Aktivitäten zu bewegen; träge, schwerfällig: ein Mensch; von ruhiger, etwas
schwerfälliger Gemütsart (c) Dudenverlag)
Gestern beobachtete ich, wie sich mein Mann 5 Minuten lang eingehend im Ganzkörperspiegel betrachtete. Danach kam er zu der Erkenntnis, dass seine Anziehsachen in den letzten 20 Jahren nicht ein-, sondern er aus(einander)gegangen ist.
Neulich habe ich den Teppich, der unser Wohnzimmer ziert, von den Speiseresten (Mäuse, Fische, Vögel) unserer vier Katzen befreit. Dazu musste ich mich hinknien und mit dem Lappen kräftig scheuern. Als ich so auf allen Vieren dahinkroch, kam mein Mann herein, sah auf mich herunter und sagte: "so is´ recht". Dieses Lob bezog sich natürlich auf meine vor ihm kniende Haltung. Er mag es einfach, wenn man zu ihm aufsieht. Als er das Haus wieder verlassen hatte, nutzte ich die Gelegenheit und versuchte nun
den Lieblinsplatz meines Mannes, die Couch, ebenfalls einer Säuberungsaktion zu unterziehen.
Allerdings waren hier die Hinterlassenschaften der verschiedensten Speisereste ein wenig hartnäckiger. Körperschmutz gepaart mit Fettfingerspuren, Eisresten und ein Paprika-Fett-Salz-Gemisch von verschiedenen Knabbereien benötigen schon eine härtere Gangart. Nachdem ich einige Brot- und Semmelreste sowie Wurstenden von der Couch geklaubt hatte, besorgte ich mir einen Hochdruckreiniger und setzte die Couch mit 90 Grad heißem Wasser und 180 bar meinem Putzwahn aus.
Zufrieden mit dem Ergebnis rief ich meinen Mann zurück, der immer dann fluchtartig das Haus verlässt, wenn er das Geräusch von Haushaltsgeräten (Staubsauger etc.) hört. Ich wies mit ausgestreckter Hand auf die Couch, weil ich ihm freudestrahlend das Ergebnis meiner Säuberungsaktion zeigen wollte. Er verstand den Hinweis falsch und tat das, was er immer macht, wenn er zur Türe hereinkommt. Er legte sich auf die Couch, die ihn mit einem schmatzenden Geräusch zu verschlingen drohte.
Inzwischen hat er sich von dem Schock wieder erholt. Und noch ein Gutes hatte die Sache, mein Mann ist jetzt auch sauber.
Eingereicht am 02. März 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
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