www.online-roman.de       www.ronald-henss-verlag.de
Kurzgeschichte Kurzgeschichten

Ein Handy muss man haben

Renate Norder


Henning Mankell, der schwedische Schriftsteller, hat kürzlich beim Literaturfestival in Melbourne etwas ganz Schlaues gesagt. Als sie das hörte, dachte die Dame des Hauses "Das ist mir noch gar nicht aufgefallen." Das lag aber sicher daran, dass sie es ständig hörte und sich deshalb schon ein selektives Gehör angeeignet hatte.
Henning hatte sinngemäß gesagt, dass die Erfindung des Mobilphones die Welt nicht kleiner, sondern größer macht. Ja, es mag jetzt einige Leute im nicht englischsprachigen Raum erstaunen, aber Handys werden hier nicht Handys genannt, sondern Mobilphones, in Amerika übrigens auch nicht, sondern Cellular Phones. Wie die Dinger in China genannt wurden, war der Dame des Hauses nicht bekannt. Das hat man davon, wenn deutsche Marketingexperten denken sie beherrschten die englische Sprache. Den Ausdruck Mobbing kennt hier auch kein Schwein, aber das ist wieder ein anderes Thema.
Dem Henning war also aufgefallen, dass Leute die mit einem Handy telefonierten, als erstes den Teilnehmer am anderen Ende fragen, wo er sei und nicht mehr so wie früher am Festnetztelefon (das ist das Ding, das ungefähr so groß ist wie ein halbes ungeschnittenes Mischbrot und bei dem so ein langes Kabel raushängt, das in der Wand verschwindet), wie es ihm geht.
Kann sich eigentlich noch jemand an die ersten Handys erinnern? Die Dame des Hauses hatte nur einmal eines in einem Fernsehfilm gesehen. Allerdings musste man sie aufklären, was das für ein schuhkartonähnliches Ding war, das der Typ im Film sich da ans Ohr hielt. Und war da nicht auch noch so ein Kabel am Hörer befestigt? Oder verwechselte sie das jetzt mit einem Agentenfilm und der Typ hatte eine Bombe im Karton? Aber warum sollte dann eine Telefonschnur am Hörer befestigt gewesen sein?
Handys werden ja nicht nur immer kleiner, sondern haben inzwischen auch so viele Extrafunktionen, die man nur erlernen kann wenn man ein Wochenendseminar besucht oder mal dem ältesten Sprössling der Familie über die Schulter guckt. Die wenigsten Menschen haben schließlich einen angeborenen Instinkt der einem gleich sagt, wozu die Zahlentasten auch noch zusätzlich Buchstaben aufgedruckt haben. Wie sonst soll man bitte schön darauf kommen, dass man auch Nachrichten mit dem Ding schreiben kann? Wieso schreibt man eigentlich Nachrichten mit einem Telefon? Ist das nicht doof? Dazu gibt es doch nun weiß Gott andere Hilfsmittel, oder? Man rasiert sich schließlich auch nicht die Körperhaare mit einem Föhn.
Aufgepasst, es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann Mann sich mit dem Handy rasiert und Frau es als Dildo benutzen kann. Vibrieren tut's ja schon, nicht wahr?
Sie wollte trotzdem kein Handy haben. Womöglich sprach man in ihrem Haushalt dann überhaupt nicht mehr miteinander, sondern hockte in verschiedenen Räumen und schrieb sich gegenseitig lustige Nachrichten (für die man die Abkürzungen im Wochenendseminar für Fortgeschrittene erst lernen musste) und die ungefähr so lauten würden "In welchem Zimmer bist du? Ich gucke gerade einen lustigen Film schalte doch mal den zweiten TV auf RTL ein." Die Antwort kommt natürlich im Handumdrehen und lautet "Ich bin auf dem Klo, der TV Empfang ist hier echt scheiße, ich muss wohl am Computer fernsehen oder am dritten TV im Schlafzimmer." So oder so ähnlich geht's bestimmt schon in manchen Familien zu.
In der Regel haben die jüngsten Familienmitglieder keine solchen Probleme. Die beschäftigen sich eher mit diesen kleinen elektronischen Spielzeugen, bei denen das Display dermaßen klein ist, dass die Dame des Hauses sich wunderte, das Kinder überhaupt etwas darauf erkennen konnten. Sie hatte da ihre eigene Theorie und die lautete: Die Kinder spielen gar nicht damit, sondern versuchen verzweifelt etwas auf dem Monitor zu erkennen und geben (hartnäckig wie sie nun mal so sind) einfach nicht auf. Das hatte auch Nintendo erkannt und warf kurz nach der Erfindung des Game Boys, (aber erst nachdem die halbe Kinderwelt einen Game Boy besaß), nicht nur den Color Game Boy auf den Markt, sondern auch dieses Vergrößerungsding mit dem man endlich erkennen konnte, was man da überhaupt spielte. Nun konnte man auch endlich die Guten von den Bösen unterscheiden und abballern! Man hätte natürlich auch von vorneherein ein größeres Gerät erfinden können, aber das hätte man dann nicht überall mit hinnehmen können. Schon mal gar nicht zum Freund, neben dem man dann herrlich friedlich sitzen und mit ihm, aber auch gleichzeitig sozusagen ohne ihn spielen konnte. Welch eine Innovation! Eigentlich sind die Leute von Nintendo und Co. ja richtig schlau, während wir hirnlosen Konsumenten unsere Hirnlosigkeit noch dadurch bestätigen, das wir jeden Schnick-Schnack kaufen sobald er auf den Markt kommt (siehe Vergrößerungs-Ding für Game Boys). Die Erfinder lachten bestimmt den ganzen Weg über zur Bank, so viel war mal sicher.
Zurück zum Handy. Es macht unheimlich viel Sinn alle fünf Sekunden Freunden und Bekannten eine Nachricht zu schicken. Sonst läuft man Gefahr in unserer schnelllebenden Welt ins Vergessen zu geraten. Zweckmäßig ist es auch für den Mann, der einmal im Jahr zum Supermarkt geht und den Auftrag bekommen hat rote Grütze zu kaufen. Die nicht im Regal steht. Bevor es das Handy gab, wäre er jetzt ohne Grütze nach Hause gekommen. Nun kann er aber das Handy seiner Frau anwählen (beim Festnetz ist gerade besetzt, weil die Blagen schon wieder im Internet krösen und selbst wenn dem nicht so wäre, er hat schließlich einen schlauen Plan für's Telefon, der es ihm erlaubt kostenlos das Handy seiner Frau anzurufen. Nur zu welchem Zeitpunkt des Tages dies der Fall ist, das kann er sich nie merken oder dann schläft er schon) und fragen ob er auch die grüne Grütze mitbringen darf. Und für all diese Bequemlichkeiten bezahlen die Leute auch noch drei Mal soviel Geld als für ein normales Telefongespräch.
Und Teenager verplempern ihr gesamtes Taschengeld für's SMS schreiben. Um sich gegenseitig zu fragen "Was machst du denn gerade?"
"Ich langweile mich!"
"Ja ich langweile mich auch gerade."
"Was? Das ist ja lustig, du langweilst dich auch gerade?"
"Das nenne ich Seelenverwandtschaft."
"Gott ist das Leben öde!"
"Ob Martin sich auch gerade langweilt?"
Ob Martin sich auch gerade langweilt werden wir nie erfahren, die Karte auf'm Handy ist leer und nun ist nix mehr mit Nachrichten schreiben.
Wird also doch Zeit, dass das Dildo Handy erfunden wird. Dann braucht man sich auch nicht mehr zu langweilen wenn die Karte leer ist.


Eingereicht am 18. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


»»» Kurzgeschichten: Humor, Satire, Persiflage, Glosse ... «««
»»» Kurzgeschichten: Überblick, Gesamtverzeichnis «««
»»» HOME PAGE «««

Blogs mit lustigen Gedichten
»»» Lustige Gedichte «««
»»» Lustige Gedichte «««
»»» Lustige Gedichte «««
»»» Lustige Gedichte «««
»»» Lustige Gedichte «««
»»» Lustige Gedichte «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» Limericks «««
»»» HOME PAGE «««