Die Schwiegermutter
Onivido Kurt
Drei Jahre bin ich schon verlobt mit Yolanda Rodriguez, der ältesten Tochter einer mittelständischen Kreolenfamilie. Nächsten Monat heiraten wir. Yolandas Mutter ist keineswegs der Drachen als der Schwiegermütter weltweit verrufen sind. Sie ist liebenswürdig, stets gut gelaunt und wenn ich das einmal sagen darf, toll gebaut, sie ist ja nur knappe 17 Jahre älter als ihre Tochter. Sie hat die ganze Hochzeit arrangiert, die Kirche, die Musik, den Fotografen, das Bankett, die Blumen, die Einladungen.
Ja und von wegen Einladungen, vor ein paar Tagen rief sie mich an und bat mich bei Gloria vorbeizufahren um eben diese Einladungen abzuholen, die jene bei einem Freund zu einem Vorzugspreis hatte drucken lassen. Gloria ist die Busenfreundin meiner zukünftigen Schwiegermutter. Sie ist ein paar Jahre jünger, ein bisschen verrückt und geschieden. Was immer der Scheidungsgrund gewesen sein mag, ihr Körperbau hatte bestimmt nichts damit zu tun gehabt. Der ist spektakulär und sie weiß ihn auch zur Geltung zu bringen.
So stahl ich mich also gegen 10 Uhr Vormittags aus dem Büro und fuhr in meinem Ford Explorer zu Gloria. Ich parkte verkehrswidrig an der Ecke und ging hundert Schritte zu Fuß bis zum Wohnblock in dem sie haust.
Eine verschlafene, erotisch raue Stimme antwortete aus der Gegensprechanlage auf mein Klingeln.
"Quien es - wer ist dort??"
"Ich bins, Martin"
"Mein Gott! Wie spät ist es denn? Einen Augenblick!"
Der Türöffner summte, rasch ging ich zu dem wartenden Aufzug, drückte auf den 12 Stock und stellte mir im Aufwärtsfahren vor wie Gloria mich wohl empfangen würde.
Die Wirklichkeit übertraf meine kühnsten Ahnungen.
"Komme schon", rief sie aus den tiefen der Wohnung als ich läutete. Dennoch dauerte es eine Weile bis sich die Tür öffnete.
Und da stand sie in einen Morgenmantel gehüllt, oder besser gesagt durch den Morgenmantel enthüllt, das Kleidungsstück war ziemlich transparent, außerdem war es keinesfalls bis zum Hals zugeknöpft und überdies entblößte es bei jedem Schritt einen herrlichen Schenkel.
Ich glaube, ich glotzte sie an. Gloria schien meine Verwirrung nicht zu bemerken. Sie küsste mich zur Begrüßung auf die Wange, ein bisschen sehr nahe an meinen Mund - war es wirklich so oder war es nur Einbildung - Wunschdenken?
Dann führte sie mich in die Küche, vorbei an dem offenen Schlafzimmer mit einem breiten, einladenden Bett. Sie servierte mir einen Kaffee. Den Zweck meines Besuches schien sie vergessen zu haben, jedendfalls machte sie keine Anstalten mir die Einladungen auszuhändigen. Im Gegenteil sie setzte sich mir gegenüber, kreuzte die Beine, was den Morgenrock von ihren Schenkeln gleiten liess, sah mich lächelnd an und meinte tiefsinnig:
"In ein paar Wochen, bist du verheiratet, vorbei mit charmanten Abenteuern, vorbei mit Sex pur. Na ja, man kann eben nicht alles haben. Es ist ja auch an der Zeit, dass du seriös wirst."
Sprachs, erhob sich, wobei sich der Morgenmantel bis zum Nabel öffnete, schritt auf hohen Stöckelschuhen zum Schrank und zog ein Paket mit Briefumschlägen aus einer Schublade.
"Das sind nicht alle", sagte sie, "den Rest habe ich im Schlafzimmer."
Sie fasste mich bei der Hand und zog mich hinter ihr her in ihr Schlafgemach. Aus dem Nachttischchen holte sie einen weiteren Stapel Umschläge, setzte sich aufs Bett und verriet mir, dass ihr kleiner Sohn nicht vor 1 Uhr Nachmittags nach Hause kommen würde, sie wolle seine Abwesenheit ausnützen um sich im Bett von den Strapazen der gestrigen Nachtschicht - sie arbeitet in der Rezeption im Prominentenhotel Melia - zu erholen.
Ich atmete tief, fast riss ich ihr die Umschläge aus der Hand und eilte zum Ausgang. Ungeduldig trat ich von einem Bein aufs andere während ich im Aufzug nach unten fuhr. Das Blut pochte in meinen Schläfen, mein Mund war trocken, immer noch roch ich das Parfüm Glorias. Im Laufschritt erreichte ich meinen Ford.
Dort erwartete mich freundlich lächelnd meine zukünftige Schwiegermutter, umarmte mich, drückte mich an ihren gar nicht mütterlichen Busen und gestand mir etwas verlegen und wie um Verzeihung bittend, dass mein Besuch bei Gloria eine Probe meiner Treue und Standhaftigkeit gewesen war.
Ein Glück, dass ich die Kondome nicht bei mir gehabt hatte, sondern wie gewöhnlich im Handschuhfach meines Explorers.
Eingereicht am 10. Januar 2005.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.