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Die Südwestdeutsche Katzenlotterie

Petra D.


Der Tag an dem sich mein Leben von Grund auf ändern sollte, begann ganz harmlos. Ich stand im Bad vor dem Spiegel und versuchte mit einer dicken Schicht Faltencreme den Kopfkissenabdruck auf meinen Wangen zu eliminieren. Jeden Morgen, wenn ich sah, welche Spuren die vergangene Nacht auf meinem Gesicht hinterlassen hatte, stellte ich mir die Frage, ob ich vielleicht dabei war, alt zu werden. Früher dauerte es nur ein paar Minuten, bis man diese Abdrücke nicht mehr sah, doch nun konnte man mir noch 2 Stunden nach dem Aufstehen ansehen, wie tief ich mich in den Kissen vergraben hatte. Meine Laune war also dementsprechend nicht besonders gut und ich überlegte, wie lange ich sparen müsste, bis mir ein guter Gesichtschirurg aus dieser Misere helfen würde.
Das Telefon klingelte und ich griff mit meinen Händen, die leider noch voll Creme waren, zum Hörer. Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann sind es Anrufe am frühen Morgen und es war früh am Morgen! Betont unhöflich meldete ich mich, während ich versuchte, die Creme, die nun vom Hörer auf meine Haare übertragen worden war, abzuwischen, als eine dynamische und gut gelaunt klingende Stimme mich begrüßte. Wenn ich außerdem etwas nicht leiden kann, dann sind es dynamisch fröhlich klingende Menschen am frühen Morgen, die mir ins mit Creme verkleisterte Ohr flöten. "Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Tag!" Ja, das musste ich mir anhören und war schon drauf und dran, wieder aufzulegen, als sie weiter sprach: "Mein Name ist Clarissa Schlagmichdoch von der Südwestdeutschen Katzenlotterie"
Ich dachte, ich hätte mich verhört, oder die Dame habe einen erheblichen Sprachfehler und hakte missmutig nach: "Katzenlotterie?"
"Ja, wir sind eine der größten Lotteriegesellschaften in Deutschland - So groß, dass wir eigentlich keine Werbung nötig haben. Sagen sie bloß, sie haben noch nie etwas von uns gehört?"
Na ja, die Blöße der Unwissenheit wollte ich mir nicht geben und so murmelte ich etwas von "schon mal irgendwo gehört"
"Und jetzt kommt es!! Sie haben den absoluten Hauptgewinn in diesem Jahr gezogen!"
"Moment mal, ich habe nirgendwo mitgespielt, also kann ich gar nichts gewonnen haben!", sagte ich und dachte es müsse sich schon wieder um eine besonders lästige Masche einer Werbefirma handeln, als sie mir erklärte, man habe meinen Namen im Internet auf einer Seite für Katzenfreunde gefunden und da es eine gewerbliche Seite eines Katzenforums war, habe diese Firma freundlicherweise für alle Katzenfreunde, die dort eingetragen waren, ein Los gekauft."
Nun, das klang plausibel und ich wollte nun endlich wissen, was ich denn gewonnen hätte, doch sie ließ sich damit noch ein wenig Zeit und stellte mir viele Fragen. Ob ich denn Katzen haben würde, ob ich sie gut behandeln würde und geduldig mit ihnen umgehen würde. Erst, als ich ihr alle diese Fragen mit Ja beantwortete, rückte sie mit dem "Gewinn" raus: "Sie haben einen der besten Kater aus der exquisiten Zuchtlinie europäischer Hauskatzen gewonnen. Damit verbunden sind 2 Millionen Euro!"
"Zwei Millionen Euro!!"
Ich musste mich erstmal setzen und tat das auf den Cremetopf, der noch offen auf dem Wannenrand stand. Dann könnte ich mir ja soviel Gesichtschirurgen leisten, bis ich aussah, wie Claudia Schiffer! Trotzdem war ich noch ein wenig misstrauisch und fragte, wo denn da der Haken sei.
"Es gibt keinen Haken. Die einzige Bedingung ist, dass sie das Tier gut pflegen und geduldig mit ihm umgehen. Sie verstehen sicher, dass wir das überprüfen müssen und so werden wir nach einem Jahr kontrollieren, wie gut es dem Tier geht. Dann bekommen sie das Geld."
"Wann bringen Sie denn das Tier vorbei?", fragte ich und wünschte mir, dass es so bald wie möglich geschehen würde, damit das Probejahr recht schnell beginnen könnte.
"Wenn Sie möchten schon heute", sagte sie und ich war sofort einverstanden.
Nachdem wir noch einige Details wegen meines Kontos und meiner Adresse geklärt hatten, legte ich auf und braute mir in der Küche erst einmal einen starken Kaffee (nicht ohne die Creme von meiner Kleidung nun auf den Küchenmöbeln zu verteilen). Ich hatte die Tasse noch in der Hand, als es an der Tür klingelte. Vor mir stand eine undefinierbar aussehende Frau mittleren Alters. Sie trug ein etwas zerknautscht aussehendes Businesskostüm und einen Katzenkorb in der einen, nicht verbundenen Hand. Sie lächelte mich an und überreichte mir den Korb und eine Urkunde. Ihre Hände zitterten ein wenig und sie wirkte auf mich wie jemand, der sich gerade in einer ganz schlimmen Phase seines Lebens befindet, weshalb ich sie hinein bat, um ihr einen Kaffee anzubieten, doch sie lehnte lächelnd ab und meinte, sie haben noch etwas vor. Die Formalitäten wären ja geklärt und genau in einem Jahr käme sie dann zurück, würde auch einen Fotografen mitbringen und mir den Scheck überreichen. Dann war sie weg und ich stand da mit dem Katzenkorb.
Ich mag Katzen und lebte seit langer Zeit mit einem Kater und einer Katze in Harmonie und Frieden zusammen und so öffnete ich erwartungsfroh lächelnd den Korb. Heraus kam ein ungewöhnlich großer und dicker roter Kater. Er setzte sich vor mich hin und sah mich an, als wollte er prüfen, ob ich denn geeignet wäre, ihm Unterkunft und Verpflegung zu bieten. Normalerweise habe ich zu Tieren sofort ein gutes Verhältnis und spüre, dass auch sie mich mögen, doch er drehte sich um wendete mir den Rücken zu und begann eine Entdeckungstour durch das Haus. Dabei wollte ich natürlich nicht stören. Sollte er doch sein neues Zuhause in Ruhe ansehen und so auch meine anderen beiden Pussycats kennen lernen. Also setzte ich mich wieder in die Küche und begann, die Zeitung zu lesen, als plötzlich ein heftiger Schrei das Haus erschütterte. Erschrocken lief ich nach oben in das Zimmer, in dem normalerweise meine beiden Tiere schlafen. Was für ein "Schwein!" Ich kann es nicht anders ausdrücken. Er war soeben dabei, meine hübsche kleine Katze zu vergewaltigen und sie stand vor Schreck wie versteinert, während mein Lieblingskaterchen mit aufgestellten Haaren daneben stand und versuchte, eine Schlägerei anzufangen. Sofort befreite ich meine Katze aus dieser misslichen Lage und hielt dem Übeltäter einen Vortrag (streng und ausdrücklich - Ich sollte ja Geduld mit ihm haben …), dass man so etwas in meinem Haus nicht tun würde. Der Rest des Tages verging dann weniger dramatisch und ich dachte schon, er habe sich gut eingewöhnt, rief sogar meinen Partner auf der Arbeitsstelle an, um ihm von meinem Gewinn zu erzählen, als er sich einfach so mal eben sich auf meine Bügelwäsche setzte (der Kater, nicht mein Partner), mich mit festem Blick fixierte und einen Haufen auf meinen Lieblingspulli setzte.
Geduldig schluckte ich meinen Ärger herunter und erklärte ihm in ernstem Ton, dass das "Pfui" wäre, entfernte die nicht nach Veilchen duftende Masse, steckte meinen Pulli wieder in die Waschmaschine und beschloss, dass es Zeit wäre die Katzen zu füttern. Schnell waren die Näpfe voll und alle drei kamen angelaufen, doch er war der Schnellste. Im Nu versperrte er den beiden hungrigen Stubentigern den Weg zum Napf und ließ keinen an sich und das Futter, bis er nicht alles aufgefressen hatte. Langsam begann er mir unsympathisch zu werden und ich sperrte ihn ins Gäste-WC, während ich meine armen, hungrigen Tiere versorgte. Als ich die Tür wieder für ihn öffnete, hatte er das gesamte Toilettenpapier in Streifen gerissen, die Tapete hing in Fetzen an der Wand und mein kostbares französisches Eau de Parfum hatte seinen Aufbewahrungsort, einen wunderschönen Glasflakon verlassen und dicke Tropfen und ein starker Duft im ganzen Raum zeugten von der Zerstörungskraft dieses Monsters. Diesmal war ich vor Wut schon sprachlos wandte mich um und ging aus dem Zimmer. Als ich mich umblickte, saß er da und ich hätte schwören können, dass er grinste.
Erschöpft ließ ich mich in den Sessel fallen und als mein Lebensgefährte nach Hause kam, musste er mich aus grausigen Albträumen, die allesamt etwas mit einem roten Kater zu tun hatten, wecken. Er meinte, ich müsse nur ein wenig gelassener werden, setzte sich auf den Boden und streichelte das Tier. Ein fataler Fehler, denn blitzschnell waren Krallen und Zähne dabei, tiefe unansehnliche Wunden in seinem Arm zu hinterlassen. Der Ärmel hing in Fetzen herunter und nun stand es auch schon mit seiner Gelassenheit nicht mehr zum Besten. Wütend ging er ins Bad, um sich ein Pflaster zu holen. Dabei entdeckte er auf seiner Haut einen beginnenden Ausschlag. Er war allergisch gegen das Tier … Ich will es nun gar nicht lange beschreiben, was in den nächsten Tagen folgte - Mein Therapeut arbeitet hart daran, mich dieses Trauma verarbeiten zu lassen. Kurz, binnen einer Woche war das gesamte Haus das Haus dieses Monsters. Und ich ertrug alles, ständig an die 2 Millionen Euro denkend, während die Allergie und die schlechte Stimmung meines Partners immer mehr zunahmen.
Eines Morgens - das liebe Tier hatte ihm gerade einen Fluch, ob seiner als Urinal benutzten neuen Jeans und ein heftiges Niesen entlockt, platzte ihm der Kragen: "So kann das nicht weitergehen, entweder das Tier oder ich. Millionen hin oder her, ich kann ihn nicht mehr ertragen!! Ich ziehe vorübergehend zu meiner Mutter, du kannst dir ja überlegen, was dir wichtiger ist." Er nahm seine Koffer und ging! Schluchzend stand ich in der Tür und blickte seinem Auto hinterher. Das konnte doch nicht wahr sein, selbst die Aussicht auf so viel Geld konnte ihn nicht dazu bewegen, zu mir zu stehen und mich bei der Pflege dieses schwierigen Tieres zu unterstützen. Wenn ich ihm so wenig wert war, sollte er doch gehen. Weinend ging ich ziellos durch das Haus und betrachtete meine einst so schöne Einrichtung. Aufgerissene, mit Urin befleckte Polster, Kratzspuren an allen Möbeln, Tapeten, die in Fetzen von den Wänden hingen, abgefressene Grünpflanzen und meine beiden völlig verängstigten Katzen, die sich kaum noch aus ihrem Zimmer trauten. Was hatte er nur alles angerichtet! Ich beschloss, Frau Schlagmichdoch von der Südwestdeutschen Katzenlotterie anzurufen, um mich bei ihr auszuweinen und war erstaunt, dass ich im Internet gar keinen, aber auch nicht den kleinsten Hinweis auf eine Gesellschaft dieser Art fand, auch Clarissa Schlagmichdoch fand sich in keinem Telefonverzeichnis in ganz Deutschland, Österreich und in der Schweiz.
Langsam, ganz langsam beschlich mich der Gedanke, dass diese Lotterie vielleicht gar nicht existierte und dass hier jemand auf eine ganz elegante Weise dieses nette Tier losgeworden war! Sie war mir ja gleich etwas seltsam vorgekommen und ihr erschöpftes Aussehen, ihre verbundene Hand (ich trug mittlerweile auch einen Verband um meine tiefen Kratzwunden an meiner linken Hand), und ihre Erleichterung, als sie sich verabschiedete wurden mir nun erklärlich. Es gab keine Lotterie, keine 2 Millionen Euro. Es gab nur dieses Monster, das nun auf dem Tisch saß und mich mit seinen böse funkelnden Augen fixierte. Irgendetwas musste mir einfallen, das konnte nicht so weitergehen. Um mich zu sammeln, kochte ich mir eine Tasse Tee, zündete eine Kerze an und kuschelte mich in meine nun etwas löchrige Kuscheldecke auf das Sofa. Sein Blick verfolgte mich unverwandt und ich sagte zu ihm: "Schau nur, ich überlege gerade, wie ich dich wieder loswerde" - Da hob er ganz langsam die Pfote und kippte in Zeitlupe die brennende Kerze auf meine Decke, ohne mich dabei aus den Augen zu lassen!
Ich erwachte im Krankenhaus, von dem wohltuenden Gefühl, das eintritt, wenn jemand kühlendes Gel auf Brandwunden schmiert und genau das tat gerade eine Krankenschwester. Sie lächelte mich an: "Sie haben vielleicht Glück gehabt! Ihr Haus ist leider abgebrannt, aber die Feuerwehr hat sie im letzten Moment rausholen können - Sie und ihre DREI Katzen." Meinen Weinkrampf erklärte sie mit dem schweren Schock, den ich erlitten hätte und gab mir ein Schlafmittel. Nach Tagen, ich hatte inzwischen erfahren, dass die Tiere bei Nachbarn untergebracht waren, die darauf bestanden, dass ich die Katzen schnellstens abholen müsste, wurde ich aus der Klinik entlassen und stand verloren vor der Kliniktür. Was sollte nun werden? Meine Mutter hatte sich bereit erklärt, mich aufzunehmen, aber keinesfalls dieses Ungeheuer, was ich nur zu gut verstehen konnte. Wohin mit dem Tier? Es töten zu lassen, dass hätte ich trotz allem nicht übers Herz gebracht. Meine Gedanken drehten sich schon wieder nur um ihn, als ich eine Idee hatte. Im Haus meiner Mutter ging ich als erstes an ihren PC und tippte mühsam mit meinen verbundenen Händen die Web-Adresse der Katzenseite ein, griff dann zum Hörer und wartete darauf, dass sich am anderen Ende jemand meldete. Es war Morgen - früh am Morgen, als sich eine etwas verärgert klingende Stimme meldete und ich fröhlich und dynamisch in den Hörer flötete "Guten Morgen, mein Name ist Clarissa Schlagmichdoch von der Südwestdeutschen Katzenlotterie ...!"


Eingereicht am 29. Dezember 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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