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IKEA

Von Ilka Göbel


Der Einzug in unser neues Eigenheim ist nun bereits eine ganze Weile her, aber natürlich entspricht unser neues Heim noch lange nicht meinen endgültigen Vorstellungen von einem gemütlichen und zugleich praktischen Zuhause. So fallen mir also von Zeit zu Zeit noch Ecken und Winkel auf, die dringend noch nach einem geeigneten Möbelstück verlangen, das sowohl dekorativ ist und gleichzeitig auch neuen Stauraum für die endlose Flut von Dingen schafft, die eine Familie für ihr tägliches Leben eben so braucht. So kommt es also von Zeit zu Zeit vor, dass ich mich auf den Weg in verschiedene Möbelhäuser mache. Zu meinen besonderen Vorlieben gehört in diesem Fall ein ziemlich berühmtes schwedisches Haus mit dem schlichten Namen IKEA. Ich habe dort bereits nach Badezimmerschränken, Übergardinen, Kommoden, Kinderzimmern, Nachtschränken, Couchtischen, Regalen, Esstischen, Eckbänken, Kleiderschränken, Schuhschränken, Wohnzimmerschränken, Teppichen, Sofas und Betten gesucht.
Der Witz an der Sache ist lediglich, dass ich nicht ein einziges Möbelstück besitze, das aus eben diesem Möbelhaus stammt. Selbst eine eigens in Vorbereitung auf diese Geschichte kurzfristig anberaumte Hausdurchsuchung führte zu keinem anderen Ergebnis. Die Möbel dort sind einfach nicht nach meinem Geschmack, und waren es wohl auch noch nie. In dieser Hinsicht muss ich mich natürlich auf mein bereits deutlich vom Alter strapaziertes Gedächtnis verlassen, aber soweit ich diesem getrübten Erinnerungsvermögen Glauben schenken kann, hat es auch in keiner meiner früheren Wohnungen Möbelstücke aus besagtem Möbelhaus gegeben.
Das alles heißt aber natürlich nicht, dass nicht ein großer Prozentsatz der ständig steigenden Umsätze und beträchtlichen Gewinne von IKEA auf meine Wenigkeit zurückzuführen sind. Und das verdanken die äußerst geschickten Planer dieses Hauses einzig und allein dem Umstand, dass der Weg von der Möbelausstellung zum Ausgang den Besucher unweigerlich durch die so genannte Markthalle führt. Und da, genauer gesagt auf der vorletzten Treppenstufe, kurz bevor einer meiner Füße auf dem heiligen Boden besagter Markthalle aufsetzt, legt sich in meinem Kopf der Schalter, der während des gesamten Rundgangs durch die Möbelausstellung konsequent auf Desinteresse stand und somit für ein weiterhin gut gefülltes Portemonnaie gesprochen hätte, schlagartig um. Das Paradies, das sich mir plötzlich offenbart, entsagt sich jeder Beschreibung. Es scheint dort, mit Ausnahme der Übergardinen, die ebenfalls nicht meinen Vorstellungen entsprochen haben, nicht ein einziges Teil zu geben, das ich nicht wahnsinnig gut gebrauchen könnte. Bevorzugt häufe ich kleine, nette Dekorationsartikel in meinen noch eiligst aufgetriebenen Einkaufswagen. Ich beginne mit einer schlichten Holzschale und dem dazugehörigen duftenden Potpourri aus getrockneten Blüten und anderen nicht definierbaren Zutaten. Anschließend gesellen sich noch diverse Glasvasen, Dekosteine, Kerzenhalter, Kissen, eckige und runde Körbe, ein paar Lampen, Blumentöpfe und Kerzen dazu. Nicht zu vergessen natürlich ein Satz kunterbunter Plastikteller, dazu passende Kinderbecher sowie Besteck, zwei entzückende Kinderstühle sowie ein Beistelltisch, von dem ich nicht so genau weiß wo ich ihn hinstellen soll, und eine neue Wolldecke. Als nächstes widme ich mich dem traumhaft schönen Schreibtischset mit Stifthalter, Ablagekörben, diversen Behältern für Kleinteile und Standboxen zur Aufbewahrung von Zeitschriften. Um die Sache abzurunden darf natürlich auch der passende Papierkorb nicht fehlen. Im weitern Verlauf meines Weges in Richtung Ausgang landen dann lediglich noch eine neue Auflaufform, ein Badewannenvorleger, ein Sechserpack Gläser, eine Wanduhr, diverse Bilderrahmen und eine weitere Holzschale nebst andersfarbigem Potpourri auf dem Haufen unter dem nur noch bei ganz genauem Hinsehen die schwachen Umrisse eines Einkaufswagens zu erkennen sind. Für letzteres, also die Holzschale, musste ich sogar noch mal ein Stück zurückgehen, was mich zufälligerweise noch einmal an den wunderschönen Glasvasen und den Dekosteinen vorbeiführte, aber das nur am Rande erwähnt.
An der Kasse muss ich zu meiner Verwunderung leider feststellen, dass die Summe, die auf dem Kassendisplay erscheint zu meinem großen Erstaunen in keinster Weise mit dem Inhalt meines Portemonnaies in Einklang zu bringen ist, und das obwohl ich doch außer ein paar Kleinigkeiten gar nichts gefunden habe. Aber dank der modernen Möglichkeit der Scheckkartenzahlung ist das ja kein Problem. Wenn man mal davon absieht, dass das Bankkonto jetzt leer, mein kleines Auto aber dermaßen überladen ist, dass ich auf dem gesamten Heimweg Gefahr laufe, mit dem Bodenblech auf der Straße aufzusetzen. Ein Glück nur für mich, dass ich nicht auch noch gefunden hatte wonach ich eigentlich gesucht hatte. Ich hätte es ja sowieso nicht mehr transportieren können.



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Eingereicht am 24. September 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung des Autors / der Autorin.


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