Abenteuer im Frisiersalon. Kurzgeschichten aus dem Internet. Edition www.online-roman.de  Dr. Ronald Henss Verlag, Saarbrücken.  160 Seiten 10 Euro ISBN 3-9809336-0-1
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Ein vielversprechender Deal

Von Manuela Winkler


Ich sitze im Friseursalon eines mittlerweile guten Bekannten. Roberto, der Friseur und Stylist für viele Frisurenshows, macht heute einen komplett neuen Typ aus mir, und das kostenlos. Wir haben einen Deal. Im Gegenzug dass er mir eine neue Frisur verpasst, soll ich ihm Fotomodel für ein geplantes Plakat stehen. Und dafür wage ich den schon immer gewünschten Versuch aus meiner immer selbst gefärbten, dicken, langen, schwarzen Haarpracht, eine Halb-Blondine mit fetten schwarzen Strähnen zu machen. Ich zeige ihm anhand eines Frisurenkataloges das BLOND, das ich mir vorstelle. Es soll ein Weißblond sein, auf keinem Fall einen Rotstich haben und regelmäßig werden. Er meint, er bringt das hin. Ich vertraue ihm. Er macht meine Haare nicht kaputt. Das muss er mir versprechen. Es ist kein Problem für ihn. Ein tolles Geschäft denke ich.
Ich lasse mir den Ablauf erklären, welche Vorgänge notwendig sind, um zu einem tollen Ergebnis zu kommen. Und Roberto prophezeit mir noch einmal: "Du hast dickes Haar, darum musst du dir keine Sorgen machen, dass sie splissen und abbrechen können."
Wir beginnen mit dem ersten Schritt. Roberto nimmt ein Haarmittel, welches meine Haarfarbe entziehen soll, sodass ich zu meiner ursprünglichen Naturhaarfarbe zurückkomme. Ich betrachte mich im Spiegel, sehe meine Augen ängstlich funkeln. Ich habe etwas Bauchweh, da ich in ein paar Stunden ein anderer Typ sein werde. Eigentlich gefallen mir meine dunklen Haare an mir. Aber ich will auch einmal anders aussehen. Ich bin sehr auf das Ergebnis gespannt, und wie die Fotos werden…
Roberto massiert das angeblich schonende Haarmittel ein. Es fühlt sich angenehm an. Ich lese in einer Zeitschrift, bin aber in Gedanken nur dabei mir vorzustellen, wie das Ergebnis aussehen wird. Noch kann ich einen Rückzieher machen. Aber wie angewachsen, bleibe ich auf dem Stuhl sitzen. Ich ziehe das jetzt durch! Nach 20 Minuten Einwirkzeit sieht man meine brünetten Haare zum Vorschein kommen. Meine Naturhaarfarbe hat mir noch nie gefallen. Deswegen hab ich mit 16 Jahren begonnen meine Haare dunkel zu färben. Dazusagen muss ich, dass ich auch Rottöne gefärbt habe, deswegen stelle ich mir das mit dem tollen Blond etwas schwierig vor… Er fragt mich: "Magst du einen Kaffee?" Natürlich will ich einen Kaffee, und eine Zigarette gleich dazu. Das beruhigt! Im Friseursalon von Roberto darf man rauchen. Wo ist mein Feuerzeug? Ich zünde mir eine "rote Gauloises" an, mache einen tiefen Atemzug. und bereite mich auf das nächste Attentat vor.
Die Haare werden einmal durchgewaschen. Gerade sehen sie langweilig und stumpf aus. Der Glanz meiner Haare ist weg. Der kommt mit der blonden Farbe wieder rein. Das hoffe ich. "Ich werde dir jetzt beide Farben zugleich einstreichen, die blonde und die schwarze für deine dicken Strähnen", sagt Roberto. Ich erkläre ihm noch einmal genau, wie ich die Frisur haben möchte. Roberto scheint mich voll und ganz zu verstehen. Er hat ein Foto von Shakira, und diese Frisur, die auch ich will, schon des Öfteren erfolgreich gemacht. Ich lehne mich in den Sessel zurück und sehe ihm dabei zu, wie er die Farben vorbereitet. Roberto kenne ich von den Frisurenshows. Ich habe ihm schon ein paar Mal zugesehen, wie er Typen umgestylt hat und gefärbt hat. Deswegen vertraue ich ihm. Er nimmt einen Pinsel und beginnt die Farben aufzutragen. Ich kann gar nicht unterscheiden, ob er gerade blond oder schwarz aufträgt, da beide Farben nur weiß aussehen. Die tatsächliche Farbe ergibt sich erst nach einer Zeit des Einwirkens. Roberto sagt: "Wahnsinn, ich wusste ja, dass du dicke Haare hast, aber dass es so viele sind, hab ich mir nicht gedacht." Ich lächle. Ich bin stolz auf meine Haarpracht.
Mein Kopf wird immer schwerer. Roberto erzählt mir von seiner Frau und seinem geplanten Urlaub. Eine Stunde vergeht. Jetzt ist die Haarfarbe komplett aufgetragen, und die einzelnen Haarpartien in Folien gewickelt. Ich sehe aus wie ein Pudel im Fasching. Jetzt heißt es abwarten. Ich habe ein mulmiges Gefühl. Meine Anspannung ist auf einmal enorm. Ich bin ein ängstlicher Typ, der sich intensiv und schnell in etwas reinsteigern kann. Mir wird schnell heiß, wenn ich Panik habe. Ich werde rot, wenn ich mich aufregen muss. Und ich mache mir oft im Vorhinein zu viele negative Gedanken, ohne zu wissen, ob ein Ergebnis gut oder weniger gut ist.
Ich sehe mich im Salon um. Er ist ganz nett eingerichtet. Der Raum ist gelblich mit vielen Spiegeln und tollen Plakaten an den Wänden. Ich sehe Schminksachen von der Marke Alcina vor mir stehen. Das lenkt mich etwas ab und lässt die Zeit vergehen. Ich sehe Roberto zu, wie er in der Zwischenzeit einer Frau einen Kurzhaarschnitt verpasst. Er ist flink und bringt die Frisur super hin. Ich denke wieder etwas positiver. Ab und zu schaut Roberto in meine Haarfolien, ob meine Haare das Blond gut annehmen. "Das wird ja noch besser als ich mir dachte", meint er mit einer selbstsicheren Überzeugung. "Ich hoffe es", sage ich kleinlaut und sehe mich schon auf einem dieser Plakate. Doch 2 Sekunden später bin ich etwas verwirrt. Zu Beginn meinte er doch, dass es 100%ig so wird, wie ich mir das vorstelle. Was heißt jetzt, besser, als er sich dachte?
Die Zeit wird lange, in der ich dasitze und darauf warte, dass ich endlich mein Ergebnis vorliegen habe. Mich quälen die Gedanken, dass es nicht gut ist, wenn Haarfarbe so lange einwirkt. Noch dazu, eine blonde Farbe, in der bestimmt ein Bleichmittel eingemischt ist. Ohne Bleichen bekommt man dunkle Haare nicht heller. Oder? Ich nehme noch einen Schluck vom Kaffee und eine weitere Zigarette. Roberto kommt auf mich zu, und mit ihm eine Assistentin. "Jetzt werden wir mal sehen, was aus dir geworden ist." Das hört sich vielversprechend an, denke ich ironisch.
Roberto und seine Assistentin fangen an, die Folien zu lösen. Ich schließe meine Augen. Ich will noch gar nichts sehen. Doch dann ist mir die Spannung doch zu groß, und ich muss einen Blick auf die blonden Haare werfen. Und welch Schreck, ich sehe kein Weißblond. Es sieht gold-rötlich aus, oder wie auch immer ich diese Farbe gerade identifizieren mag. Er sieht meine zweifelnden Augen, und tröstet mich. "Das sieht nur nass etwas rötlicher aus, warte nur bis die Haare trocken sind". Okay, es bleibt mir sowieso nichts anderes übrig. Doch je mehr Folien die beiden lösen und je mehr Haare zum Vorschein kommen, vermisse ich meine dunklen Haare. Es war geplant, dass nur das Deckhaar, das heißt die obere Schicht, blond wird. Die Haare darunter sollten schwarz bleiben, und zusätzlich wollte ich noch ein paar kräftige schwarze Strähnen vom Ansatz weg haben. Ich versuche mich zu beruhigen. Ich denke positiv. Jetzt muss erst die Farbe, die noch an den Haaren klebt, ausgewaschen werden. Vielleicht sieht es dann besser aus.
Ich erblicke das Waschbecken. Setze mich dorthin und lehne mich zurück. Das Haar wird von einer weiteren Assistentin dreimal durchgewaschen. Eine Spülung nach der anderen. Es kommt viel Pflege rein. Die Kopfmassage, die als Serviceleistung angeboten wird, kann ich nicht genießen. Ich will nur noch meine Haare im trockenen Zustand sehen. Endlich vorbei. Ich darf mich wieder auf den Sessel vor den Spiegel begeben. Ich habe ein Handtuch auf dem Kopf. Ich schwenke noch mal den Kopf in Richtung Waschbecken, und sehe nicht wenige Haare von mir dort liegen, welche die Assistentin gerade beseitigt. Roberto kommt, und löst das Handtuch. Ich kann mich nicht im Spiegel sehen. Zuerst total dunkel und jetzt sehe ich eine Person mit hellen Haaren sitzen, die nicht mal schön blond sind und weniger Haare am Kopf hat als zuvor. Gut, die Haare sind noch immer nass. Ich zwinge mich, positiv zu sein.
3 Stunden sind seit Beginn der Prozedur vergangen. Roberto beginnt zu föhnen. Ich starre an die Decke und überlege, ob mein Wunsch, etwas an mir zu verändern, ein Fehler war. Ob es falsch war, Roberto zu vertrauen. Ihm zu glauben, dass er meine Haare nicht kaputt macht. Ich denke an meinen Freund. Er hat mir auch gut zugeredet. Er liebt mich. Es geht mir besser.
Von Gedanken geplagt, habe ich das im Moment Wesentliche nicht mehr mitbekommen. Roberto ist mit dem Föhnen fertig. Er gibt mir einen Glanzspray und einen anderen Spray auf die Haare. Er benützt ein bisschen Gel. Ich sehe nach wie vor eine Blondine, mit viel zu wenig schwarzen Haaren. Mit gar keinen dunklen Strähnen vom Haaransatz weg. Das Blond ist farblich nicht genau das, was ich mir vorgestellt habe, doch wirkt es regelmäßig. Die Haare sehen dünner aus. Ist das von den vielen Sprays und der Pflegen? Bin ich es die ich im Spiegelbild sehe? Roberto ist begeistert von meinem neuen Aussehen. Das muss er wohl. Ich versuche meine Enttäuschung nicht zu zeigen. Hat er an mir seine eigene Vorstellung kreiert? Hat er mich so gefärbt, wie er mich für das Foto haben will?
So fahre ich nach Hause. Im Sonnenlicht sehen die Haare und das blond gleich viel besser aus. Vielleicht ist es nur gewöhnungsbedürftig. Ich fange an mir damit besser zu gefallen. 2 Tage lang, bis zu dem Moment, wo ich das erste Mal meine Haare selber wasche und sie zu föhnen versuche…




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Eingereicht am 02. Juni 2004.
Herzlichen Dank an den Autor / die Autorin.
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