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Schöne digitale Welt

Von C. Klinger


"Schöne digitale Welt"

so oder ähnlich hätte Aldous Huxley wahrscheinlich seine Zukunftsvision eines durch Lust und gezielte Sucht kontrollierten Staates genannt, hätte er die Chance besessen, in die Hinterzimmer der heutigen Durchschnittsfamilie zu blicken. Man kann es nicht verleugnen, aber Computer dominieren bereits jetzt unser Leben, wobei wir - hoffentlich - von der Horrorvision, wie sie "Die Matrix" darstellt, noch weit entfernt sein mögen. Der Personal-Computer zu Hause ist mittlerweile ein Must geworden. Die gesellschaftliche Entwicklung ist mit der zunehmenden Motorisierung in den Siebzigern vergleichbar, die uns heute verstopfte Verkehrswege beschert und uns morgen überfüllte Datenhighways bringen wird, nur dass eben die Ausflüge ins Grüne mit den Streifzügen in die virtuelle Realität getauscht wurden. Das Sonntagsschnitzel wird heutzutage in Bits und Bytes zerlegt. Wen wundert es daher, wenn Computer mit Zubehör zunehmend das Angebot von Supermärkten abrunden, wenn Scanner nicht nur an der Kasse zu finden sind, sondern diese neben Toilettepapier und Zahnpasta zum Verkauf angeboten werden. Und das zu oft konkurrenzlos günstigen Preisen, auch wenn der Durchschnittsverdiener nach wie vor die Früchte ungefähr eines Monates harter Arbeit aufzubringen hat, um nicht nur das drei Kilo Angebot an Saftorangen sondern auch den Allround Familien-PC nach Hause bringen zu können. Dies oftmals in der bitteren Erfahrung, dass nicht nur die drei Kilo Saftorangen schneller ausgepresst sind, als sie wachsen, sondern auch der Rechner schon wieder veraltet ist, kaum, dass er zu Hause aufgestellt und die letzte CD-Rom bzw. neuerdings DVD-Rom installiert ist.
Der Laptop, früher hauptsächlich als Prestigeobjekt weniger Führungskräfte dem Topmanagement vorbehalten, ist mittlerweile unverzichtbares Utensil im Schulbetrieb und belastet das Haushaltsbudget neben Schulschikursen und Sportwoche zusätzlich. Dafür findet er aber immer öfter Einzug in die Hochglanzseiten der Werbeprospekte diverser Diskontketten.
Aber damit noch nicht genug, beginnen wir jetzt auch noch, unsere Umwelt zu digitalisieren, indem wir mit Digitalkameras und Camcordern unsere Umgebung langsam aber sicher in Zahlenketten, bestehend aus langen Reihen von lauter Nullen und Einsen, zerlegen. Die digitale Nachbearbeitung des Familienfotos samt Hund auf dem Computer bietet dabei oftmals ebenso spannende Überraschungen wie das neueste Mysteryadventure (vorausgesetzt man hat auch die aktuellste Grafikkarte mit den notwendigen Treiberinformationen). Dass dadurch immer größer werdende Datenmengen zu verwalten sind, stellt kein Problem dar, hat doch der ohnedies notwendige neue Rechner wieder eine größere Festplatte und steht mit CD-Writern ein probates Mittel für die Archivierung zur Verfügung.
Aber auch das ist noch immer nicht genug. Wohin denn mit den alten Fotos und Videos? Abhilfe kann nur ein Scanner und ein DVD-Recorder schaffen. "Das Video als Medium ist tot", propagiert die Industrie seit längerem und holt nun zum kurzfristig letzten Keulenschlag aus und präsentiert "für die Allgemeinheit erschwingliche" DVD-Aufnahmegeräte. Nun steht der besorgte Familienvater, der den krabbelnden und brabbelnden Nachwuchs auch späteren Generationen erhalten möchte, vor dem großen Problem, das unsere Eltern schon mit dem Aussterben der Super 8 Filme hatten: Wie bringe ich den Schmarren auf das silbern glänzende, runde Ding? Also wird die Haushaltskasse geplündert, um den jetzt ohnedies schon sehr viel günstigeren DVD-Rekorder anzuschaffen (nachdem man gerade erst den neuen DVD-Player, der aber nur eine Wiedergabefunktion besitzt, erstanden hat). Es ist ja schließlich die letzte große Investition in einer langen Reihe von Ausgaben für PC, Scanner, (Foto-) Drucker, Multimedialautsprecher, Kamera, Speicherkarten, MP3-playern und so weiter (die Liste ließe sich beliebig fortsetzen). Was ja auch vordergründig so lange stimmt, bis die neue Generation von PC, Scanner, (Foto-) Drucker, Multimedialautsprecher, Kamera, Speicherkarten, MP3-playern und so weiter (die Liste ließe sich beliebig fortsetzen) auf den Markt kommt und von, ihre Aufgeschlossenheit technischen Neuerungen gegenüber bekundenden, willig der Wirtschaft dienenden Opinion Leaders für unverzichtbar erklärt wird. Die Frage bleibt nur, welches Bedürfnis der nächsten Generation in die Wiege gelegt und welches Verlangen von frühester Jugend an kontinuierlich gesteigert werden wird?
Letztlich kann aber zumindest festgestellt werden, dass wir seit jeher über die Steuerung unseres Konsumverlangens von der Wirtschaft her kontrollierbar sind und uns eben neuerdings von Computern für Computer steuern lassen. Schöne neue Welt!



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