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So etwas kann passieren

Eine Glosse von Karl-Heinz Ganser


Nach der Beerdigung von Onkel Paul waren die Trauergäste im Dorfgasthof zu einem Imbiss eingeladen worden. Als die letzten Leute gegangen waren, standen meine Frau und ich noch mit dem unverheirateten Neffen des Onkels zusammen.
"Ist das nicht eine Schande?", seufzte er und wies mit der Hand auf die vielen unbenutzten Gedecke hin, die auf den Tischen im Saal standen.
"Das muss man sich mal vorstellen! Da sind einfach an die zwanzig Leute nicht zur Beerdigung gekommen, obwohl ich sie schriftlich eingeladen hatte."
Wie er so in seinem ungebügelten, schwarzen Anzug dastand, konnte er einem schon fast leid tun.
"Zwanzig mal fünfzehn Euro muss ich nun bezahlen und hab nichts davon", rechnete er laut vor sich hin, "das sind ... immerhin dreihundert Euro", stellte er bekümmert fest.
Ich klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter.
"Kopf hoch, mein Junge! Es trifft ja keinen armen Erben, denn der Onkel hat dir bestimmt einiges vermacht, nehme ich mal an, oder?"
Erstaunt sah er mich an, grinste und ging zum Wirt, um abzurechnen.
Auf dem Heimweg blieb meine Frau plötzlich stehen, zupfte mich am Ärmel und sagte: "Ich hoffe, dass uns so etwas nicht passiert, wenn Opa einmal stirbt, nicht wahr?"
"Wie willst du das verhindern?", fragte ich sie.
"Ganz einfach!", meinte sie. "Ich hab da eine gute Idee. Wir schreiben alle Verwandten und Bekannten an und bitten sie, im Terminkalender nachzusehen, ob sie im nächsten Jahr am zwölften Mai zur Beerdigung unseres Opas kommen können. Auf der beigefügten, gebührenpflichtigen Rückantwortkarte sollen sie dann ankreuzen, ob sie Opa das letzte Geleit geben wollen und einen Kranz oder Geld für die Heidenkinder mitbringen."
"Wie kommst du denn auf den zwölften Mai?", wollte ich wissen und musste laut lachen.
"Opa hat mir vor ein paar Tagen sein Jahreshoroskop vorgelesen und da stand unter dem zwölften Mai, dass er an diesem Tage, das Gefühl haben werde, in den Himmel aufzufahren", verkündete meine Frau stolz. "Und da Opa ein gläubiger Mensch ist, hatte ich den Eindruck, dass er das sehr ernst genommen hat", fügte sie hinzu.
Während ich sie noch irritiert ansah und in dem Moment nichts sagen konnte, redete sie weiter. "Du weißt doch auch, dass er nur tausend Euro für seine Beerdigung auf seinem Sparbuch angesammelt hat. Und vergiss bitte nicht, dass die Gesundheitsministerin das Sterbegeld gestrichen hat."
Sie sah mich an, und in ihrem Blick lag die für sie wohl bittere Erkenntnis, dass sie sich schon lange ausgerechnet hatte, dass von Opas Erbe nicht mal ein Pelzmantel für sie übrig bleiben würde.
Ich war richtig perplex über das, was meine, sonst so zurückhaltende Frau da alles von sich gegeben hatte. Sie muss sich wohl in letzter Zeit sehr viele Gedanken über unseren Opa und seinem Ableben gemacht haben, dachte ich.
Und während ich noch in Gedanken versunken war, stieß sie mich an und sagte: "Komm! Jetzt gehen wir nach Hause und dann besprechen wir das alles mit Opa!"



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