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Mein erstes Fußballspiel

© Friedrich Buchmann


Meine Geschichte handelt in der ehemaligen DDR. Wir schreiben das Jahr 1956. Ich war gerade 10 Jahre alt. Meine Eltern und ich wohnten in einer kleinen Bergarbeitersiedlung am Rande des Harzes direkt im Bahnhof. Unter dem Dach hatten wir zwei Zimmer. Mein Vater arbeitete auf dem Bahnhof.
Ich hatte einen Freund, den Klaus. Er war ein Jahr älter als ich. Mit Klaus lieferte ich mir sehr viele Fußballspiele. Wir spielten nach der Schule auf dem Bahnhofvorplatz immer Fußball. Neben dem eigentlichen Bahnhofgebäude war das Stückgutlager. Vor dem Stückgutlager war eine Rampe. Hier holten die Betriebe ihre bestellten Materialien ab. Damals gab es in der DDR noch nicht so viele Lastautos. Es wurde noch fast alles als Stückgut über die Reichsbahn verschickt. Da die Betriebe ihr Stückgut meist am frühen Morgen abholten, konnten wir nach der Schule dort Fußball spielen. Die Hälfte der Rampe diente als Tor. Gegenüber der Rampe in 25 Meter Entfernung stand ein kleines viereckiges Gebäude, aus rotem Backstein. Es war das Schmierlager der Eisenbahner für den Bahnhof. Hier waren Petroleum für die Signallampen und Schmierstoffe für die Weichen drin. Der Güterbahnhof war für unseren kleinen Ort ziemlich groß. Hier standen immer die Kohlezüge mit Briketts von dem Braunkohlenwerk des Ortes, die dann in die gesamte DDR verschickt wurde. Die Briketts brannten sehr gut und gaben wenig Asche. Ich musste des Öfteren dort, zwischen den Gleisen, Briketts suchen und brachte sie dann in den Keller. Beim Rangieren und beim Zusammenstellen der Züge ging schon einmal eine Wagontür auf und es fielen Briketts auf die Gleise. Manchmal half auch der Rangierer etwas nach. Die Briketts suchten dann die Eisenbahner des Bahnhofes auf und brachten sie nach Hause als Wintervorrat. Briketts gab es damals nur auf Karten. Wenn man mehr haben wollte, waren diese sehr teuer. Das konnte sich kaum einer leisten.
Also das Schierhäuschen aus Backstein war das andere Tor. Zum Glück für uns, war das Fenster in Schmierhäuschen zugemauert, so dass wir dort keine Scheiben zerschießen konnten. Hier spielten Klaus und ich immer Fußball. Wir lieferten uns regelrechte Fußballduelle. Es ging heiß her. Wehe, man ließ einen Ball abprallen, es wurde meistens ein Tor für den Gegner. Der Platz war gepflastert, darum hatten wir oft Schürfwunden. Auch machte ich sehr viele Strümpfe kaputt. Damals hatte man in der kalten Jahreszeit, als Kinder, "Kurze Hosen" und "Lange Strümpfe" an. Abends bekam ich von meiner Mutter meistens Schimpfe. Es blieb nicht aus, dass man bei einem Spiel hinfiel und sich ein Loch in einen Strumpf riss. Sie kam mit dem Stopfen der Löcher in den Strümpfen gar nicht nach. Ich musste mich, nach dem ich aus der Schule kam und auf der Straße spielen wollte, immer gestopfte Strümpfe anziehen. Wir hatten ja damals nicht soviel Geld, um immer neue Strümpfe zu kaufen. Übrigens bekam man sie im Geschäft auch kaum. Oma und Opa wohnten im Westen und schickten uns des Öfteren ein Päckchen, darum ging es uns auch etwas besser. Von Oma hatte ich auch den Lederball. Ein Lederball zu haben, dass war schon ein großer Luxus für ein Kind.
So spielten wir jeden Tag auf unserem Bahnhofvorplatz, oder besser gesagt vor dem Stückgutlager, Fußball. Zuschauer hatten wir auch. Gegen 14. 30 Uhr kamen die Arbeiter, die Kumpels vom Braunkohlenwerk und wollten mit dem Zug nach Hause in ihre Orte fahren. Der nächste Zug fuhr aber erst nach 15.00 Uhr. Viele schauten zu und feuerten uns an. Ein großer Teil der Kumpels gingen auch in die Bahnhofkneipe.
An einen Abend, wir spielten wieder auf dem Bahnhofsplatz Fußball, da kam ein E- Karren aus dem Braunkohlenwerk und wollte aus dem Stückgutlager Materialien abholen. Der Fahrer des E-Karrens fragte uns, ob wir nicht einmal am nächsten Tag auf den Fußballplatz kommen wollen. Die
Schülermannschaften des Ortes hatten dort Training. So kam ich in den Fußballverein des Ortes. Schluss war es mit den Strümpfe zerreißen. Meine Mutter gab mir gerne die 20 Pfennige Monatsbeitrag für den Verein, denn sie brauchte viel weniger Strümpfe zu stopfen.
Der E- Karrenfahrer war der Betreuer der Schülermannschaft. Ich war glücklich und spielte ab sofort in der 2. Schülermannschaft. Aber ich hatte ein Problem und mit mir viele andere Kinder meiner Mannschaft. Wir hatten keine Fußballschuhe. Wir spielten mit Turnschuhen oder mit ganz normalen Straßenschuhen. Keine Eltern konnten sich Fußballschuhe für ihre Kinder leisten. Ich hatte Volleyballschuhe. Meine Oma aus dem Westen hat sie mir geschickt. Diese Schuhe zog ich immer an, wenn ich auf den Fußballplatz Fußball spielte. So trainierten wir 3 Mal in der Woche und die anderen Tage spielten wir auf der Wiese hinter den Fußballplatz, Fußball. Ich war in meiner Freizeit nur noch auf dem Fußballplatz.
Eines Tages, ich war vielleicht ein knappes Jahr in den Verein und es war kurz vor Pfingsten, da fragte mich unser Betreuer, ob ich Pfingsten Zeit hätte. Er sagte zu mir, ich könnte mit der 1.Schülermannschaft mitspielen. Es ging Pfingsten in die Kreisstadt zu einem Fußballturnier. Die 1.Schülermannschaft wurde für das nächste Jahr neu aufgestellt. Als er das fragte, schlug mein Herz immer schneller. Es war für mich ein Traum in der 1.Schülermannschaft zu spielen. Natürlich sagte ich mit Freuden ja. Welch eine Frage? Doch ich hatte das Problem mit den Fußballschuhen. Meine Mutter musste mir meine Volleyballschuhe waschen, da die Schnürsenkel aus Sackband bestanden, borgte ich mir von Klaus, aus seien Skischuhen, die Schnürsenkel. Er wollte sie mir erst gar nicht geben, denn Herr Schmitt, der Betreuer, hatte Klaus zu den Pfingstturnier nicht eingeladen. Doch er gab sie mir nach einigen betteln.
Ich zählte die Tage. Die Zeit verging nicht. Ich wurde vor Aufregung richtig krank. Doch dann war es so weit. Pfingstsonntag, frühmorgens um 8.00 Uhr sollten wir uns auf den Sportplatz treffen. Ich war natürlich schon um Halbacht da. Gefrühstückt hatte ich nichts. Meine Mutter machte mir zwei belegte Schnitten mit selbst geschlachteter Leberwurst. Die Wurst aß ich für mein Leben gerne, aber ich hatte keinen Hunger. Die Schnitten packte ich in Papas Brotbüchse und nahm sie mit. Kurz vor 8.00 Uhr waren alle meine Fußballfreunde da. Auch Herr Schmitt, unser Betreuer, mit seiner Frau. Dann kam ein LKW mit Plane. Der kam vom Braunkohlenwerk. Auf den LKW waren ganz einfache Holzbänke. Wir stiegen alle auf. Herr Schmitt hatte noch einen großen Koffer und einen zugebunden Sack. Schmiss diese auf den LKW. Frau Schmitt und Herr Schmitt setzten sich an die Enden der Bänke zur Ladefläche, dann machte der Fahrer die Ladeluke zu und ab ging es.
Unser Verein war eine Betriebssportgemeinschaft. Der Träger war das Braunkohlenwerk. Darum stellte das Werk auch den LKW. Wie lange wir gefahren sind, weiß ich nicht. Es kam mir ziemlich lang vor. Dann kamen wir auf den Lok -Fußballplatz in der Kreisstadt an. Für mich einfach toll. Lok, so hieß der Fußballklub der Kreisstadt. Es war auch wunderbares Wetter. Kein Fritz Walter - Wetter. Es war sogar ein Rasenplatz, auf den gespielt wurde. Wir zogen uns auf einer kleinen Wiese neben den Fußballplatz um. Diese Wiese lag in der Einzäumung des Fußballplatzes. Zuerst machte Herr Schmitt den Koffer auf und gab jeden ein Trikot. Ich fand das einfach herrlich. Wir hatten schwarze Hosen, gelbe Hemden und gelbschwarz geringelte Stutzen. Die Trikots hatte auch das Werk spendiert. Für mich alles ein bisschen zu groß, denn ich war klein. Aber die Trikots waren wunderschön. Frau Schmitt half mir beim anziehen der Stutzen und gab mir zwei Bändchen, damit ich diese binden konnte. Ich wollte gerade meine Volleyballschuhe anziehen, als Herr Schmitt den Sack aufmachte. Dann kippte er den Sack aus. Es kamen richtige Fußballschuhe zum Vorschein. Er fragte jeden nach seiner Schuhgröße und verteilte dann die Fußballschuhe. Ich bekam auch ein Paar. Sie waren mir zwar auch eine Nummer zu groß, aber das machte nichts. Ich war einfach stolz. Es waren zwar keine neuen Fußballschuhe, aber Fußballschuhe. Ich hatte richtige Fußballschuhe an. Ich lief ein bisschen hin und her, was für ein Gefühl zu spüren, Fußballschuhe anzuhaben.
Dann mussten wir gegen eine Mannschaft aus dem Nachbarkreis spielen. Herr Schmitt stellte mich als Linksaußen auf. Es war mein erstes richtiges Fußballspiel. Wir verloren 13:0 Alle waren sehr niedergeschlagen. Nur Herr Schmitt sagte zu uns: "Aller Anfang ist schwer"! Das zweite Spiel spielten wir gegen Lok. Auch hier verloren wir 8:0. Wieder war unsere Stimmung im Keller.
Aber Herr Schmitt meinte zu uns: "Es waren schon 5 Tore weniger, als das erste Spiel". Dann spielten wir gegen eine Mannschaft aus dem Harz. Das Spiel endete 0:0. Herr Schmitt gab uns allen eine Brause aus. Wir hatten, das erste Mal nicht verloren. Das letzte Spiel ging dann um Platz 7 und 8. Es gab bei diesem Turnier zwei Staffeln. Wir waren Letzter in unserer Staffel und spielten gegen den Letzten der anderen Staffel. Das Ergebnis war nach Abschluss des Spieles 2:2. Meine Klassenkameraden Uwe und Dieter hatten je ein Tor geschossen. Beide Mannschaften wurden auf Platz 7 gesetzt. Wir redeten uns ein, nicht Letzter zu sein. Nach diesem Spiel mussten wir die Trikots und Fußballschuhe wieder abgeben. Die Schuhe kamen in den Sack und die Trikots in den Koffer. Am späten Nachmittag waren wir zu Hause. Meine Eltern fragten mich, wie es gewesen sei. Ich sagte nur, wir haben den Platz 7 erreicht, dass wir eigentlich Letzter waren, verschwieg ich. Im Sommer trainierten wir fleißig. Herr Schmitt hatte viel Geduld mit uns. Wenn ich jetzt darüber so nachdenke, muss ich Herr und Frau Schmitt ein hohes Lob zollen. Alle Tätigkeiten für den Fußball in ihrer Freizeit und dann noch am Wochenende zu den Spielen von uns. Frau Schmitt wusch unsere Trikots. Wir gaben es ihnen aber zurück. Wir entwickelten uns zu einer sehr guten Schülermannschaft. Herr und Frau Schmitt betreuten uns noch bis zu A- Jugend. Dort standen wir sogar im Finale zum Bezirkspokal.
Leider hatte der Verein von uns nicht viel. Als wir die 1. Männermannschaft verstärken sollten, wurden von unserer Mannschaft 10 Mitspieler zur Armee gezogen und somit die gute Arbeit des Herrn Schmitt kaputt gemacht. Aber eine Genugtuung hatte das Ehepaar Schmitt doch. Uwe schaffte es bis in die Oberliga. Oberliga war damals die höchste Spielklasse in der DDR.



Eingereicht am 21. Juli 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.


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