HOOLZ
© Franjo Franjkovic
Hi. Ich bin Max. Von Beruf Bürosklave. Eigentlich genau das gleiche wie ein Galeerensklave im alten Rom, nur dass wir statt Lendenschurz und Sandalen heute Schlips und Lloyds tragen. Die Trommler, die den Takt vorgeben, sind durch so genannte Vertriebsleiter ersetzt worden, der Sinn der Übung bleibt aber der gleiche. Wenn's wir nicht genug Tempo machen und einer der Ruderer unter seiner Anstrengung zusammenklappt, wird er, damals wie heute, einfach den Haien zum Fraß vorgeworfen. Vor Gericht redet sich die Firma
dann mit betriebsbedingter Kündigung raus, um die Abfindung zu drücken.
Damit mir so was nicht passiert, bin ich richtig gut in meinem Job geworden. Das beinhaltet zwar hier und da den ein oder anderen Totalschaden eines hochgeschätzten Kollegen, aber auf meiner Stirn ist ja auch nicht das Abbild Mutter Theresas tätowiert.
Heute ist mein großer Tag. Das Beurteilungsgespräch für das vergangene Jahr. Hopp oder Top! 2000,- brutto mehr im Monat oder der Gang zum Arbeitsamt. Nach außen bin ich selbstverständlich die Ruhe selbst. Mit einem leicht bescheuerten Grinsen lauf ich durch die Büroflure wie die fleischgewordene Wiedergeburt Buddhas und selbst Joe Cool würde neben mir aussehen als hätte man ihn grad für 10 Cent aus dem Kaugummi-Automaten gezogen. Innerlich sieht's natürlich wieder ganz anders aus ...
Max schlendert pfeifend durch den Flur, Hände in den Taschen, und verschwindet in der Herrentoilette. Max geht zur Spüle und zieht ein kleines Päckchen aus der Tasche und legt sich zwei Lines auf den Rand der Spüle, die er nach einem kurzen Blick durch den Raum wegsnifft. Sekunden später kommt Max wieder aus der Toilette und schlendert erneut pfeifend, während er sich seine Krawatte glatt streicht, den Flur zurück und bleibt vor der Tür seines Chefs stehen. Nach einem kurzen Check, ob die Krawatte richtig sitzt,
klopft er leise und betritt das Büro.
Das Büro des Chefs ist makellos. Kirschholzschreibtisch. Moderne Malerei an den Wänden. Ein 8 Fenster umspannender Blick auf die Frankfurter Skyline. Einzig die Bürotasse mit der Aufschrift "Stress ist alles was nicht Kaffeepause ist" stört das harmonische Bild. Mit einem Kopfnicken bittet der Chef Max zu dem Besprechungstisch in der rechten Seite des Raumes.
Nachdem beide Platz genommen haben, schlägt der Chef bedächtig die vor ihm liegende Personalakte von Max auf und blättert gedankenversunken in den ersten Seiten.
Max blendet die hereinscheinende Morgensonne und sein Chef wirkt durch seine zusammengekniffenen Augen wie ein überdimensionierter Kobold, der in einer Aura purer Energie schwebt.
"Seitdem ich aus Berlin hier in die Zentrale nach Frankfurt versetzt worden bin, haben Sie es immer wieder geschafft mich positiv zu überraschen Herr Blanke." "Danke Chef." "Sie müssen wissen, dass ich sehr angetan von Ihren Leistungen bin und die Übererfüllung Ihrer Planzahlen spricht ebenfalls für sich. Nur ... Sie wissen sicherlich, dass Ihre soziale Komponente noch nicht die Reife hat, die ich mir von Ihnen erhofft habe."
Max schließt die Augen und sieht bereits die nächsten Minuten des Gesprächs in absoluter Klarheit an seinem inneren Auge vorbeiziehen. Nach außen weiterhin völlig gelassen ballt er die Fäuste unter dem Tisch, dass die Knöchel weiß hervortreten und ein kaum merkliches Knacken zu vernehmen ist.
"Herr Blanke, wenn Sie es nicht schaffen besser mit Ihren Kollegen auszukommen, versperren Sie sich selbst alle Möglichkeiten in diesem Unternehmen. Sie wissen selbst, dass Sie es in dieser Firma weit bringen können und auch mein Posten könnte für Sie nur ein Sprungbrett sein, aber Sie müssen sich besser zusammenreißen. Es kann nicht angehen, dass Sie mit Ihren bissigen Kommentaren und Ihrer etwas, nennen wir es mal ungestümen, Art Ihre Kollegen verprellen."
"Ich weiß dass ich nicht immer einfach bin Chef, aber Sie kennen doch meine Kollegen. Dieses elendige Bürogeschwätz. Ich kann mir diesen Mist einfach nicht immer antun."
"Sehen Sie Herr Blanke. Genau davon rede ich ... sobald Ihnen etwas nicht in den Kram passt, verstecken Sie sich sofort hinter Ihrem Sarkasmus und neigen zu verbalen Entgleisungen."
Max schüttelt den Kopf, obwohl er genau weiß, dass der Chef Recht hat und er keinerlei Argumente mehr ins Feld führen kann um die offensichtlichen Tatsachen zu widerlegen.
"Sie werden sicherlich verstehen Herr Blanke, dass ich Sie unter den gegebenen Umständen nicht für einen höheren Posten einteilen kann. Was das Gehalt angeht, kann ich Ihnen die üblichen 2% anbieten. Den Bonus bekommen Sie aufgrund Ihrer Budgetzahlen so oder so. Was denken Sie?"
"Hab ich eine Wahl?"
"Eigentlich nein ... außer Sie möchten unser Unternehmen verlassen."
Mit einem resignierenden Blick auf die an der Wand hängende Kandinsky-Kopie willigt Max mit einem Kopfnicken ein.
Als Max gerade aufstehen will um zur Tür zu gehen, hält ihn sein Chef mit einem kurzen Ruck am Arm zurück.
"Sie müssen lernen sich besser unter Kontrolle zu haben. Wenn Sie Ihre Kollegen immer wieder vor den Kopf stoßen bleiben Sie hängen. Ich kann mit Ihrer Art umgehen, aber andere können das nicht. Sie müssen lernen Ihre Wut zu unterdrücken. Suchen Sie sich eine Freizeitbeschäftigung in der Sie Ihre Aggressionen rauslassen können."
Ich muss also lernen meine Wut zu unterdrücken. Das bedeutet nichts anderes als die ganze Scheiße meines Lebens in den Mülleimer Namens Seele zu stopfen. Ich hör das nicht zum ersten Mal. Meine Mutter hat mir gesagt ich soll langsam bis zehn zählen und alles wird gut. Mein Vater hat gesagt, ich soll einmal fest ins Kissen beißen und alles wird gut. Meine Oma hat mir gesagt, ich muss die Augen schließen und an was Schönes denken und alles wird gut.
Ich glaube, der einzige Mensch in meinem Leben, der wirklich den Sinn des Lebens verstanden hat, ist mein Opa. Er hat gesagt, ich soll mir einfach einen runterholen und alles wird gut. Von allen Vorschlägen hat mir das noch am besten geholfen.
Der beste Vorschlag des letzten Jahres kam von meiner Freundin Sara. Sie hat mir geraten, es mit Qi-Gong zu probieren. Einklang von Körper und Seele und so was. Ich hab's versucht. Ehrlich. Hausfrauen und missverstandene Studentinnen, die die Scheiße Ihres Lebens genauso in den Müll stopfen wie ich auch. Mit dem einzigen Unterschied, dass die noch mal richtig in die Tonne treten, um Platz für noch mehr Scheiße zu schaffen. 30 Minuten Entspannungsübungen sind nichts weiter, als noch ein schickes rosa Häkeldeckchen
oben auf den Sondermüll des eigenen Lebens zu legen.
Das eigentliche Geheimnis besteht aber darin, ab und zu den Müll vor die Tür zu bringen. Wenn nicht, steigt er einem über den Kopf. Die Folgen sind Ratten in der Küche bzw. alkoholabhängige Hausfrauen Mitte 40, deren Ehemänner mit 20-jährigen Nutten rumhuren. Ist natürlich beides eine Lösung mit unterdrückter Wut und angestauter Aggression umzugehen, aber ich habe für mich selbst etwas ganz anderes gefunden. Kein Patentrezept, aber es hilft ...
Max sitzt auf dem Brustkorb eines am Boden liegenden Mannes und drischt mit wutverzerrter Miene auf den Kopf seines Opfers ein. Obwohl die Nase und die Lippen des Mannes bereits weit aufgeplatzt sind und das Gesicht mit jedem Schlag mehr von seiner ursprünglichen Form aufgibt schlägt Max weiter und weiter auf den Mann ein. Blut spritzt in sein eigenes Gesicht und das Eintracht-Trikot das er trägt. Sein Gegner trägt ein Trikot der Bayern.
Als Max endlich von dem Mann ablässt, steht er auf und die ganze Szene wird sichtbar. Ca. 30 Mann schlagen in einer wüsten Schlägerei wild um sich. Man sieht verkeilte Leiber über die Wiese rollen. Ein anderer Mann versucht auf allen Vieren von zwei Männern wegzukriechen die seinen Unterleib unablässig mit Tritten traktieren. Eine andere Szene zeigt zwei ineinander verbissene Männer, von denen sich der eine mit einer weit ausholenden Kopfnuss befreit und das Blut eine gerade Line über dessen Gesicht zieht, während
die Nase seines Gegenübers mit einem knirschenden Geräusch bricht.
Die Szene wird unterbrochen, als Sirenen ertönen und in einiger Entfernung das Bellen von Hunden zu hören ist.
Sofort löst sich die Schlägerei in Luft auf und die Kämpfer stoben in alle Richtungen davon. Max und ein weiterer junger Mann, der ein ähnliches Trikot trägt wie Max, rennen zum nahen Waldrand und verschwinden zwischen den Bäumen.
Die Polizei verfolgt keinen der Fliehenden, sondern belässt es dabei, die auf dem Schlachtfeld verbleibenden Verletzten einzukassieren.
Max und sein Begleiter rennen durch den Wald und ducken sich zwischen den tiefer hängenden Ästen hindurch. In einigen hundert Metern Entfernung ist das Ende des kurzen Waldstücks bereits zu erkennen. Mit einem kurzen Spurt stoßen die beiden zwischen den Bäumen hervor und finden sich auf einem kleinen U-Bahnhof wieder und steigen sofort in die wartende U-Bahn die, kurz nachdem beide eingestiegen sind, mit einem leisen Rumpeln losfährt.
Max und sein Begleiter schauen beide gehetzt aus dem Fenster, können aber keine Verfolger entdecken.
"Gegen die Bayern ist doch noch am schönsten."
"Stimmt ... so geht die Saison gleich gut los. Ich freu mich schon auf das Spiel im Pokal gegen die Wichser."
"Meinst Du, die arme Sau erholt sich bis dahin, Max?? Ich hab schon gedacht Du bringst das Arschloch um."
"Ich konnte einfach nicht anders. Die Sommerpause war einfach viel zu lang."
Das ist mein bester Kumpel Ante. Ante ist genauso ein armseliger Bürosklave wie ich und wenn man uns nicht gerade samstags zwischen 17.15h und 19h antrifft, sind wir eigentlich ganz umgängliche Zeitgenossen. Wir machen anständige Bürojobs, haben nette Freundinnen, kaufen unseren Müttern zum Muttertag ein kleines Blumensträußchen und tragen unseren 90-jährigen schwerhörigen Nachbarn die Einkäufe in den 3. Stock. Wenn wir nicht samstags nach dem Fußball anderen Leuten die Scheiße aus dem Leib prügeln würden, könnte
man fast sagen, dass wir echt nette Typen sind.
Ante und ich kennen uns schon seit der Grundschule. Früher haben wir uns zwar ziemlich angekotzt, aber mit den Jahren hat sich das auch gelegt. Heute sind wir ein Herz und eine Seele. Das schlimmste daran ist, dass auch unsere Freundinnen ein Kopf und ein Arsch sind. Wir haben die beiden in einer von diesen erbärmlichen Provinzdiskos getroffen und haben ausgeknobelt, wer von uns Sara und wer Barbara anmacht. Hätte ich im entscheidenden Zug Stein statt Papier gehabt, wäre ich jetzt wohl mit Miss Titten&Arsch,
statt mit Madame "Ich-hab-Hermann-Hesse's-Siddhartha-50mal-gelesen" zusammen. Jeder so wie er es verdient. Ich glaube ganz fest an die Wiedergeburt und dass wir für die Sünden unserer früheren Leben zu bezahlen haben. Wenn ich mir meine Beziehung mit Sara so anschaue, kann ich eigentlich nur eine Reinkarnation von Dschingis Khan sein.
Sara sitzt entspannt vor dem Fernseher, als Max nach der Arbeit zur Tür reinkommt. "Hey Schatz! Wie war's auf der Arbeit?" Sara springt vom Sofa auf und schließt Max sofort in die Arme. Nach einem kurzen Blick in seine Augen erkennt Sie, dass seine Laune wohl nicht die beste ist. "Was ist los ... Stress gehabt?? Hat Dich wieder diese r ... wie heißt er noch ... Lehmann ... blöd angemacht?" "Vergiss es einfach." Max schmeißt sein Jackett und die Krawatte auf die Sessellehne
und setzt sich mit einem lauten Seufzer auf die Couch, während er mit starrem Blick den Fernseher fixiert. "Nein Sara. Lehmann hat mir heute meine Ruhe gelassen. Ich frag mich nur ... warum mach ich diese Scheiße eigentlich??" "Um Geld zu verdienen?" "Lass die Scheiße Sara, du weißt was ich meine."
Sara setzt sich neben Ihm auf die Couch und nimmt seine Hand. "Hör zu ... Du bist Mitte 20. Es kann nicht angehen, dass Du alle 3 Monate Deine große Sinnkrise bekommst. Wie fährst Du denn ab, wenn Du mal 40 wirst??" "Irgendwie dreh ich mich im Kreis ... ich komm nicht vorwärts. Wo will ich überhaupt hin?? Egal wie gut ich in meinem Job bin, es wird immer jemandem geben der mir weiter in den Arsch tritt. Selbst falls ich mal in den Vorstand kommen sollte, haben mich immer noch die Aktionäre
an den Eiern." "Wir könnten auswandern ... ", sagt Sara und springt von der Couch auf. "Wir haben nichts zu verlieren. Mittelmäßige Jobs, Eltern, die froh sind uns los zu sein und die ganze Wohnung voller IKEA-Möbel. Was hält uns auf?" Max schüttelt den Kopf und greift in seine Hosentasche und kramt seine Zigaretten raus. "Du weißt, dass das nicht funktionieren wird." "Aber warum denn Max?? Du hast doch selbst gesagt, dass Du nicht weißt wo hier noch alles hinführt."
Nach einem langen Zug aus der Zigarette schaut Max sie an. "Wenn man eine Pflanze hier in der Wohnung von heute auf morgen an einen anderen Platz stellt überlebt sie das vielleicht nicht. Vielleicht ist ihr der neue Platz zu feucht, oder zu dunkel, oder verdammt noch mal auch zu sonnig. Woher sollen wir wissen, dass uns nicht das gleiche passiert??"
"Wenn wir es nicht versuchen, finden wir es nie raus Max." Wütend wirft Max die Zigarette in den Aschenbecher. "Ich nehme lieber das Risiko auf mich, an Langeweile in Frankfurt zu sterben, als mir in Neuseeland ne Kugel aus lauter Frust in den Schädel zu jagen ... aber lassen wir das jetzt. Nach so einem Tag hab ich keinen Bock auch noch über so einen Mist zu diskutieren."
"Ich wollte Dich nicht aufregen Schatz ... "
"Schon OK."
Sara greift nach der Fernbedienung und wirft Sie neben Max auf die Couch. "Ich geh jetzt duschen. Ich glaub Fußball fängt auch gleich an."
"Fußball?"
"Ja ... eben kam die Werbung, dass die heute Champions League live übertragen."
Max verzeiht das Gesicht zu einem grinsen. "Sag mal Sara ... hast Du mich in den letzten 3 Jahren jemals Fußball im Fernsehen schauen sehen??" Sara bleibt verwirrt im Türrahmen stehen und schaut Max über die Schulter an. "Stimmt ... warum eigentlich nicht?! Du hängst jedes gottverdammte Wochenende in irgendeinem Stadion ab. Du fährst für die Auswärtsspiele quer durch ganz Deutschland. Weil Ihr bei den Auswärtsspielen immer im Bus der beschissenen Front landet, gerätst Du auch alle Nase lang
in irgendeinen Stress. Du hast in der 2. Liga kein Spiel der Eintracht verpasst, aber die Champions League lässt Dich völlig kalt?!"
"Klar ... Fußball im Fernsehen ist so wie wenn Du auf Geschäftsreise in deinem Hotelzimmer sitzt und deinen Zimmernachbarn bei dem besten Sex ihres Lebens zuhörst, während auf deiner Glotze ein polnischer Lesbenporno läuft."
"Weißt Du was Max ... manchmal bist Du so widerlich, dass Du mich richtig ankotzt ... ich bin im Bad."
Bei allem was man im Leben tut, sollte man gewisse Grundregeln beachten, um möglichst nicht auf die Fresse zu fallen.
Das wichtigste bei einem Auswärtsspiel ist es, das Terrain zu kennen. Am besten ist es, schon 3-4 Stunden vor dem Spiel da zu sein und einen ausgedehnten Spaziergang um das Stadion zu machen. Natürlich sollte man nicht die schöne Natur oder das Stadtidyll genießen, sondern Ausschau halten, wo man sich verkriechen kann falls die Bullen aufkreuzen. Frankfurt ist in dieser Hinsicht ein absolutes Paradies für Hooligans aller Art. Das ganze Stadion ist von Wald umgeben. Du kannst dich also in Null Komma nix in Luft
auflösen. Zwei Bahnhöfe sind unmittelbar am Stadion und wenn du erst mal zwischen den anderen Fans in der Menge läufst, oder in der Bahn stehst, erkennt dich keine Sau wieder. Wenn dich ein Bulle oder BGS'ler verfolgt, reicht es einfach einen kurzen Sprint hinzulegen und weg bist du. Die armen Schweine sind bepackt mit kugelsicherer Weste, Helm, Schild und Knüppel. Spätestens nach 150m geht auch dem stärksten Bullen die Puste aus. Ein bisschen komplizierter ist es bei den berittenen Polizisten. Pferde können
ganz schön Tempo draufbekommen, also ist der sicherste Weg im Unterholz zu verschwinden und sich in den Büschen zu verstecken. Kein Bulle riskiert einen Sehnenriss bei seinem Gaul, nur um einen Bekloppten zu fassen, der einem anderen Bekloppten die Nase blutig geschlagen hat.
Wenn du allerdings ganz großes Glück hast, rückt die Polizei mit der Hundestaffel an und dann hast du eigentlich nur eine Chance ... du musst rennen als ob es kein morgen gäbe.
Falls dich doch mal einer der Köter erwischt, dann kannst du dich eigentlich nur fallen lassen wie ein Sack fauler Kartoffeln und musst versuchen dich so wenig wie möglich zu bewegen, denn je mehr du zappelst, umso fester beißt die Töle zu. Wenn du es richtig übertreibst, schnappt das Vieh nach deinen Klöten, anstatt nach deinem Arm und das kann dann richtig hässlich werden.
Was auch immer passiert ... niemals nach einem Polizeihund treten! Das ist genauso als hättest du einer Polizistin in den Arsch getreten und kommt beim Staatsanwalt gar nicht gut an. Also immer ruhig Blut ...
Die Sonne strahlt Max ins Gesicht während er in einem Innenstadt-Cafe seine Zeitung liest und langsam seinen Cappuccino trinkt. Er blickt immer wieder entnervt auf seine Uhr, als sein Handy klingelt. "Ja."
"Hi Max, Ante hier. Hör mal ... ich bin in 2 Minuten da. Die Chefsekretärin hat mir noch das Ohr abgekaut als ich gerade gehen wollte und die hat dann gar nicht mehr die Tür zubekommen."
"Geht klar ... ich warte ja erst seit 20 Minuten Du Arschloch."
"Hey mach Dich locker. Du weißt doch wie die Scheiße läuft. Bis gleich."
Max legt entnervt sein Handy und lässt seinen Blick durch die vorbeilaufende Menge schweifen.
Frankfurt ist einfach ein Hooligan Paradies. Banken, Versicherungen, die Börse und sonstige Finanzschmarotzer so weit das Auge reicht. Bürotürme voller angestauter Wut über seinen Chef, seine Kollegen, seine Frau, die verzogenen Kinder, die verwöhnte Geliebte und was weiß ich noch. Ganze S-Bahn Ladungen voller Anzug tragender potentieller Fußballterroristen. Wut ist unser Kapital. Ohne unsere Wut könnten wir weder die Bayern, oder die Schalkern oder sonst wen so richtig aufmischen. Der Vorteil von uns Frankfurtern
ist, dass wir unsere Wut nicht auf unserer Arbeit rauslassen können. Wir erledigen einfach keine körperlich schwere Arbeit. Wir hocken 10 Stunden vor dem PC und sitzen uns den Arsch wund. Wir nehmen keine Autos auseinander, oder entsorgen den Müll anderer Leute. Wir kommen nach Hause und strotzen geradezu vor körperlicher Kraft. Kraft plus fünf Tage angestauter Wut ergeben eine ganz ordentliche Mischung. Unser Rekrutierungspool ist prall gefüllt.
Um den Nachwuchs müssen wir uns sowieso keine Sorgen machen. Es wächst eine Generation von Kindern heran, die dank der Supernanny und der pädagogisch wertvollen "stillen Treppe" schon mit 3 Jahren anfangen Ihre Wut in sich reinzufressen anstatt ihren Spielzeugautos die Räder abzureißen oder den Barbies der kleinen Schwester die Haare abzuschneiden. Wenn man so ein kleines Wesen dann noch 15 Jahre vor sich hingären lässt, kann man sich eigentlich sicher sein, dass die stille Wut allen anderen Emotionen
schon die Tür nach draußen gezeigt hat. Um die ganze Scheiße, die sich da angesammelt hat, abzupumpen, braucht man schon einen 200.000BRT Supertanker. Ich hoffe nur, dass ich mich schon aus dem Hooligan-Geschäft zurückgezogen habe, wenn diese Generation das Zepter übernehmen wird.
"Da bist Du ja endlich." Max schlägt entnervt seine Zeitung zusammen als Ante endlich ins Cafe kommt.
Ante hat noch sein Handy am Ohr und bittet Max mit einer knappen, beschwichtigenden Handbewegung um Geduld. "Hör zu Barbara! Du weißt dass das nicht so funktioniert. Ihr zwei Schlauköpfe könnt nicht einfach über unsere Köpfe hinwegentscheiden und uns unsere Männerrunde kaputt machen ... Ja ich weiß ... Nein Barbara. Vergiss es einfach. Ihr kommt nicht mit und Ende der Durchsage ... WAS??? Ihr habt schon Karten für uns alle gekauft?? ... Ihr habt keinen Bock auf Stehplätze?! ... Barbara was soll die Scheiße???
... ach verdammt ... ja ich sag Max bescheid ... ja, ja, ja ... Du mich auch. Bis später." Mit fassungslosem Gesicht legt Ante sein Handy auf den Tisch und zündet sich eine Zigarette an.
Max mustert Ante etwas verwirrt und fragt "Was ist los verdammt?? Hast Du Stress mit Barbara??"
Ante legt den Kopf in den Nacken und lacht laut. "Nö ich hab keinen Stress mit Babs. Wir beide haben Stress mit ihr und nicht nur das, sondern auch mit Sara."
"Aber sonst alles klar Ante?! Was für ne Scheiße hast Du Dir eingeworfen bevor du hierher gekommen bist? Deine Orakelsprüche kannst Du Dir in den Arsch schieben, sag mir einfach in einer klaren Ansage was los ist."
"Also mein Lieber ... Barbara und Sara haben beschlossen uns zum nächsten Heimspiel zu begleiten."
"WAS?! Bist Du jetzt völlig bescheuert?? Und du hast echt vor die beiden mitzunehmen??"
Ante zuckt resigniert mit den Schultern. "Die haben die Karten schon geholt."
Max gestikuliert wild mit den Händen "Na und ... wir gehen hin wie immer, dass heißt ohne die beiden und verticken die Karten vor dem Stadion."
Ante grinst übers ganze Gesicht und muss schmunzeln "Also ich hab bei so was gegen Barbara keine Chance. Wenn die sich was in den Kopf gesetzt hat, dann macht die das auch und Du kannst mir jetzt nicht erzählen, dass das bei Dir und Sara anders ist. Gegen wen geht's am Wochenende überhaupt??"
"Bremen ... "
"Fuck ... und danach??"
"Wir haben ein Date mit den Weser-Kanacken um 18.30 am Waldparkplatz."
Ante macht eine wegwerfende Handbewegung "Wir verpassen also eine Menge Spaß ... "
"Jepp!"
Beide sitzen auf Ihren Cafe-Stühlen und starren auf die Tischplatte als Max seine Sachen zusammenpackt und sich zu Ante umdreht. "Ich komm mit Sara vorher zu euch ... nüchtern ertrag ich das nämlich nicht."
"Geht klar ... ich kümmere mich um alles. Also bis Samstag."
Sara und Max steigen aus ihrem Auto und laufen zu einem Hauseingang und klingeln. Die Tür öffnet sich mit einem leisen Summen. Während beide die Treppen hoch laufen dreht sich Sara zu Max um und schaut Ihn von oben bis unten an. "Warum hast Du eigentlich dein Trikot nicht angezogen?? Ohne das uralte Ding und deinen dämlichen Schal gehst du doch sonst nie zum Spiel?!"
"Ich geh ja auch eigentlich nie mit dir zum Spiel also nerv mich nicht."
Sara baut sich vor Max auf den Treppen auf und versperrt Ihm den Weg. "Sag mal bist du immer so zum Kotzen vor nem Spiel?? Ist doch nur Fußball verdammt!"
"Nein Sara ... normalerweise bin ich nicht so zum Kotzen. Ich bin noch viel schlimmer."
"Wichser!!"
Sara dreht sich um und beide laufen weiter bis in den ersten Stock und klopfen an der Eingangstür.
Barbara öffnet und bittet beide herein. "Ihr seid spät dran Ihr beiden!!"
"Sorry Babs, aber mein herzallerliebster Li-La-Launebär hier neben mir musste noch zur Tanke Kippen holen."
"Macht nix ... Ante ist auch noch im Bad."
Die Badezimmertür öffnet sich uns Ante betritt den Flur. "Hey Leute ... von mir aus können wir. Wenn noch jemand aufs Klo muss, sollte er jetzt gehen. Im Stadion wartet man Stunden vor den Toiletten."
Max meldet sich schnell zu Wort "Ich geh noch mal."
Sara schaut Ihn mit übertriebener Überraschung an. "Häh?? Du warst doch grad bevor wir losgefahren sind?!"
"Na und ... ich muss halt wieder verdammt."
Max schiebt sich an Sara vorbei. Ante und er begrüßen sich noch schnell mit einer kurzen Umarmung. Ante drückt Max unauffällig einen kleinen Gegenstand in die Hand und Max verschwindet im Bad.
Max geht zur Ablage über der Spüle und legt den kleinen Gegenstand ab und öffnet ihn. Der Inhalt ist reinstes Koks. Er zieht sich schnell zwei Lines die er mit schnellen Stößen wegsnifft. Max zieht noch einmal die Nase und betrachtet sich im Spiegel. "Wär doch gelacht, wenn wir das heute nicht schaffen würden. Hinfahren. Spiel anschauen. Nach Hause fahren. Ende ... .ein Kinderspiel." Mit einem breiten Grinsen im Gesicht verlässt er das Bad.
Max, Ante, Barbara und Sara sitzen auf der Tribüne im Stadion. Das Spiel ist bereits im vollen Gange und während alle anderen Fans um sie herum wild gestikulierend das Spiel verfolgen, sitzen Max und Ante mit verschränkten Armen da und schauen gelangweilt aufs Spielfeld.
Barbara dreht sich zu den beiden um "Hey Leute!!! Was ist los mit euch?? Ihr nehmt das Spiel ja ziemlich gelassen?!"
Max zieht sich eine Zigarette aus der Tasche und schaut entnervt zu Barbara rüber "Es steht doch noch 0:0, also warum in Freudentaumel ausbrechen?"
Plötzlich springen alle Fans von ihren Sitzen und brechen in Torjubel aus. Das 1:0 ist gefallen. Nur Ante und Max bleiben ruhig auf Ihren Sitzen und klatschen beiläufig. Sara und Barbara springen auf und umarmen sich und jubeln gemeinsam mit den anderen Fans. "Sagt mal Jungs ... hab ich da was falsch verstanden?? Ich dachte Ihr kämt hier jedes Wochenende her um die Eintracht gewinnen zu sehen?? Was ist verdammt noch mal los mit euch??" Max und Ante antworten Sara nicht sondern wechseln nur einen kurzen
einen Blick und lehnen sich entspannt zurück.
Wenn man nach dem Spiel eine Verabredung zu einer Schlägerei hat, darf man nicht den Fehler machen und das Spiel allzu ernst nehmen. Wenn du bei jedem Tor in frenetischen Jubel ausbrichst, verschwendest du Unmengen deiner vorhandenen Energien. Hooligans deren Mannschaft vorher 5:0 gewonnen hat sind ungefähr so gefährlich wie ein angefahrenes Eichhörnchen.
Wenn man schon ein paar Jahre dabei ist, lernt man ein Fußballspiel völlig emotionslos zu betrachten. Bewusstes Abstumpfen. Das ist ungefähr so wie wenn du beschnitten bist. Wenn deine ungeschützte Eichel seit deiner Kindheit in der Hose rumbaumelt, kannst du einen Bus voller brasilianischer Volleyballerinnen vögeln ohne dass dir einer abgeht. So ähnlich ist das auch mit uns. Wenn ein Tor fällt oder der eigene Mittelstürmer im 16er umgemäht wird, darf man sich höchstens ein kurzes Zucken mit dem linken Augenlid
gönnen, ansonsten ist die Spannung für die "3. Halbzeit" weg.
Wenn die Eintracht aber mal wieder in der 96. Minute den Abstieg verhindern sollte, oder in der letzten Sekunde das entscheidende Tor zum 6:3 macht und damit der Aufstieg aus Liga 2 unter Dach und Fach ist, dann lässt das keinen kalt. Das sind diese Tage, an denen man sich sicher sein kann, nach dem Spiel so richtig eins auf die Schnauze zu bekommen.
Sara lässt sich mit verschwitzen Gesicht auf Ihr Kissen fallen und starrt an die Decke. "Heilige Scheiße ... ich wusste gar nicht, dass so was geht!"
Max lässt sich neben sie fallen "Ab heute darfst Du mich Sexgott nennen ... "
"Hör doch auf Max. Wenn wir immer solchen Sex haben sollten, wenn ich vorher mit Dir zur Eintracht gehe, dann kauf ich mir auch ne Dauerkarte."
Max lacht und Sara greift nach den Zigaretten auf der Kommode neben dem Bett und zündet sich eine an, die sie nach dem ersten Zug an Max weitergibt. "Max ... hast Du noch mal über das nachgedacht, was wir besprochen hatten ... wegen auswandern und so ... "
"Eigentlich nicht. Wieso?"
"Vergiss es ... schon OK ... "
Zur Grundausstattung bei einem Fußballspiel gehören die folgenden Ausrüstungsgegenstände. 1. das Trikot. Zum Glück spielt die Eintracht in schwarz-rot. Der Vorteil daran ist, dass man die Blutflecken auf dem Trikot nicht schon aus 150m aufleuchten sieht. Wenn dich ein Bulle sieht, wie du blutbefleckt in die Bahn steigst, kannst du drauf wetten dass er mit ein paar Kollegen hinter dir herkommt und dann musst du eine echt gute Ausrede parat haben, um nicht einkassiert zu werden. Ein paar der romantischen Eintracht-Fans
wünschen sich die alten weiß-roten Trikots zurück, aber ich bete jeden Abend zu Gott, dass diese Jungs bei einem Erdrutsch von Tonnen von Geröll begraben werden.
2. der Fanschal. Möglichst auch in schwarz oder rot. Wenn du das Ding kurz in eine Pfütze steckst, kannst du dir damit das Blut aus dem Gesicht und von den Händen wischen. Bitte unbedingt beachten. Vor einem Kampf den Schal um die Hüfte wickeln!! Wenn du das Ding noch um den Hals hast, kann's dir leicht passieren dass dein Gegenüber auf dir sitzt und dich mit deinem eigenen Drecksschal würgt. Einige schwören darauf, dass Teil ans Handgelenk zu binden, aber wenn dein Gegner ein flinkes Kerlchen ist dann schnappt
er sich das Ding und reißt dich ruckartig damit an sich, um dir ne Kopfnuss zu verpassen, die dir das Nasenbein ins Hirn drückt.
3. feste Turnschuhe. In 75% aller Fälle musst du nach einem Kampf das Schlachtfeld eher hastig verlassen. Der Grund sind Knüppel, Hunde und manchmal auch Wasserwerfer. Wer schon einmal versucht hat, mit seinen feinen Business-Schuhen die S-Bahn zu erwischen weiß, dass man in den Dingern zwar verdammt schnieke aussieht aber keinen Meter rennen kann, also sind Turnschuhe die einzig richtige Wahl.
"Wann treffen wir uns nachher mit den Arschlöchern??" Ante wirft seine Zigarette in den staubigen Boden vor dem Tribünenausgang. Ante, Max und noch weitere 10 Männer stehen in einer Gruppe beisammen "Kein Ahnung Leute, ich hab mit den Jungs aus Berlin noch nicht telefoniert. Ich ruf den Koordinator von denen gleich mal an." Max holt sein Handy und einen zerknitterten Zettel aus seiner Tasche. Er schaut auf den Zettel und wählt die Nummer. "Hey Ante ... der Typ hat fast die gleiche Nummer
wie mein Chef."
"Pass auf, vielleicht ist er's ja."
"Ach was ... der Wichser lässt sich von seiner Frau die Krawatte binden, also glaubst Du doch wohl selber nicht, dass der sich am Wochenende als Hooligan betätigt." Max macht eine beschwichtigende Geste um die anderen zu bitten ruhig zu sein. "Ja hallo!! Wo treffen wir uns?? ... Ich würde vorschlagen wir treffen uns an der Otto-Fleck-Schneise. So um 7h sind die Parkplätze leer und die Bullen beziehen an der Autobahnauffahrt Stellung und wir können uns austoben ... findet Ihr den Weg?? ... Alles
klar ... .bis 19h dann ihr Wichser." Max legt auf und steckt mit einem Grinsen das Handy in die Tasche.
Während eines Kampfes schlägst du ja eigentlich nicht auf deinen Gegner ein weil du eine Abneigung gegen den armen Kerl hast. Er hat dir ja nichts getan und man kann sich ja schließlich nicht aussuchen, von welcher Mannschaft man Fan ist. Den Neuen in der Truppe verrate ich immer meine kleinen Tricks, mit denen man sich sicher sein kann niemals Skrupel zu haben zuzuschlagen. Wenn du einfach in deinem Kopf einen kleinen Film ablaufen lässt, tut dir keiner deiner Gegner mehr Leid. Du musst dir einfach vorstellen,
du kämpfst gegen deinen Chef, deinen Vater, deine Freundin, deine Kollegen, deine Nachbarn oder den unfähigen Busfahrer, wegen dem du immer zu spät zur Arbeit kommst. Die einzige Schwierigkeit bei dieser Methode besteht einzig darin den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören zu finden. Wir wollen ja schließlich nur unseren Spaß haben und niemanden umbringen. Man darf sich nur nicht überraschen lassen, wenn man auf dem Feld jemandem gegenübersteht mit dem man nun wirklich nicht gerechnet hat ...
Max tritt auf einen am Boden liegenden Berliner Fan ein, bis dieser sich nicht mehr rührt. Er blickt auf und rennt zu Ante, der gerade von einem anderen Gegner in den Schwitzkasten genommen wurde. Max springt dem Berliner mit ausgestreckten Füßen ins Kreuz und alle drei landen auf der Erde. Ante und Max fangen sofort an, den am Boden liegenden Gegner, der sich mit schmerzverzerrtem Gesicht windet, mit Schlägen auf den Kopf und Körper zu attackieren. Als auch dieser Gegner nur noch schützend die Hände über dem
Kopf zusammenschlägt, lassen beide von ihm ab. Max sucht sich den nächsten Gegner und reißt einen Berliner herum, der gerade mit dem Fuß nach dem Kopf eines am Boden liegenden Frankfurters ausholt. Die Szene friert ein und Max schaut verdutzt seinen Gegenüber an. Es ist sein Chef.
Max lässt die Arme sinken und schaut mit verwirrter Miene seinen Chef an, der in voller Fan-Ausrüstung vor ihm steht. Sein Chef erwidert den Blick und beide schauen sich mit heruntergelassenen Kinnladen an. Die Szene wird jäh unterbrochen, als Max einen brutalen Tritt in die Kniekehle bekommt und sich sofort zwei andere Berliner auf ihn stürzen und schon mit Tritten traktieren bevor er den Boden erreicht hat. Gerade als einer der beiden Max an den Haaren packt und ihn brutal in die Höhe zieht, während der andere
sich Max gegenüber aufbaut, geht der Chef dazwischen und pfeift seine Jungs zurück "Es reicht Leute. Der hat genug für heute." Max bedankt sich mit einem schiefen Lächeln aus seinem blutverschmierten Gesicht und sinkt bewusstlos in sich zusammen.
"Herr Blanke. Der Chef möchte sie sprechen. Kommen Sie bitte kurz rüber?"
"Bin schon unterwegs." Max verlässt sein Büro und geht mit langsamen Schritten den Flur hinunter. Seine Kollegen werfen ihm fragende Blicke zu, da sein linkes Auge von der Niederlage am Wochenende immer noch zugeschwollen ist und in dunklen Violetttönen glänzt. Er betritt das Vorzimmer der Chefsekretärin.
"Um Himmels willen Herr Blanke ... waren Sie und der Chef am Wochenende zusammen unterwegs gewesen? Sie sehen ja genauso schlimm aus wie er. Sagen sie mir jetzt nicht, sie sind auch in der Dusche ausgerutscht."
"Nein Frau Storz, aber so ähnlich. Kann ich zu ihm rein?"
"Ja bitte, er wartet schon auf Sie."
Max wendet sich von Ihr ab und öffnet nach einem kurzen Klopfen die Tür zum Büro des Chefs.
Der Chef steht von seinem Stuhl auf und deutet mit einer freundlichen Geste auf den freien Stuhl der ihm gegenüber steht. Der Chef hat eine rötliche Schwellung über dem rechten Auge, die aussieht als hätte jemand eine Jungkartoffel unter seine Haut gepflanzt. "Nehmen Sie Platz Herr Blanke. Meine Güte ... Sie scheinen ja auch einen Unfall gehabt zu haben, oder schlägt Sie vielleicht Ihre Freundin?"
Während der Chef noch über seinen eigenen Witz lacht, setzt sich Max mit einem Schmunzeln. "Hören Sie zu, Herr Blanke. Sie können sich ja bereits denken, warum ich sie habe kommen lassen. Oder?!"
"Na ja ... ich hab so eine Vermutung."
"Ich habe noch einmal über unser Beurteilungsgespräch nachgedacht und am Wochenende hab ich mir überlegt, dass sie ja anscheinend doch ein Typ sind, der andere mit fester Hand führen kann und der seinen eigenen Weg geht, ohne sich auf festgetrampelten Pfaden zu bewegen."
"Über was machen Sie sich denn am Wochenende Gedanken?"
"Weiß auch nicht ... kam so über mich. Auf jeden Fall hab ich mich doch dazu entschlossen, Sie doch zu befördern. Ich will, dass Sie ab nächstem Monat die Projektleitung im Borsig-Projekt übernehmen. Sie wissen wie viel das Projekt für die Firma bedeutet, also reißen sie sich zusammen."
Max grinst über beide Wangen und sieht seinen Chef in die Augen "Danke Chef. Ich wird sie nicht enttäuschen."
Max steht auf und die beiden geben sich die Hand. Max geht zur Tür hinaus als der Chef ihn noch einmal kurz zurückruft. "Sagen Sie mal ... haben sie denn meine Handy Nummer nicht erkannt??"
"Na ja ... die Nummer kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich hätte nicht gedacht dass ausgerechnet Sie sich ein solches Hobby zugelegt haben, um Ihre Aggressionen abzubauen."
"Sehen Sie, Herr Blanke." Der Chef kann sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. "So kann man sich täuschen."
"Hey Sara, ich bin zu Hause."
"Ich bin im Bad ... komm gleich raus."
Max setzt sich im Wohnzimmer auf die Couch und zündet sich eine Zigarette an. Sara betritt das Zimmer mit ernster Miene und hält einen Gegenstand fest umklammert.
"Setz dich Sara. Ich hab gute Neuigkeiten."
Sara schluckt schwer. "So ... was denn?"
"Ich bin heute doch befördert worden. Ab nächstem Monat hab ich die Projektleitung beim Borsig-Projekt."
Sara reagiert nicht und starrt wortlos auf den Boden.
"Hey Schatz ... was ist denn los?"
Sara sagt immer noch keinen Ton und reicht Max wortlos den Gegenstand, den sie in der Hand hält rüber.
Max betrachtet den Gegenstand und seine Augen weiten sich. "Scheiße ... "
"Ich weiß Max."
"Und jetzt?"
"Ich werde auf gar keinen Fall abtreiben."
Max wirft den positiven Schwangerschaftstest auf den Tisch und lässt sich in die Couch fallen.
"Wirst du bei mir bleiben?" Saras Augen füllen sich mit Tränen.
"Natürlich werde ich das. Wenn wir zusammenhalten kriegen wir das schon hin. Das kommt jetzt zwar zu einem etwas ... na ja ... ungünstigen Zeitpunkt aber wir werden das Kind schon schaukeln."
"Ich find das gar nicht witzig Du Arschloch!"
"Beruhig dich ... ich wollte dich nur ein bisschen auflockern."
Sara setzt sich auf die Couch und die beiden fallen sich in die Arme.
Max und Ante sitzen in der S-Bahn und fahren ins Stadion.
"Scheiße Max. Auf den Tag hab ich nur gewartet. Heute reißen wir den Bayern so richtig den Arsch auf."
"Hmm ... " Max sieht geistesabwesend aus dem Fenster.
"Verdammt noch mal. Was zum Teufel ist heut los mit dir??" Ante gibt Max einen Schlag auf die Schulter.
"Sara ist schwanger."
"Was?? Sag das noch mal."
"Wenn ich's noch mal sage wird sie auch nicht mehr zur heiligen Jungfrau."
Ante legt den Kopf in den Nacken und lacht laut auf. "Du bist ja echt ein Quell überschäumender Freude!!"
Max legt den Kopf schief und quittiert die Bemerkung mit einem sarkastischen Grinsen.
"Ach komm schon ... freu dich doch. Jetzt kriegt dein Leben wenigstens einen richtigen Sinn. Verdammt Max. Schau dich an. Du bist Mitte 20 und lebst nur für Deine verfickte Arbeit. An deiner Stelle würde ich als erstes in die Kirche gehen und ein paar Kerzen anzünden."
"Ich weiß ... ich freu mich ja auch. Aber ich kann doch jetzt nicht so einfach weitermachen wie bisher."
"Hör zu ... mach dir keinen Kopf. Du bist clever genug um zu wissen was zu tun ist."
"Klar ... keine Drogen mehr."
"Bingo Max!! Und was noch??"
"Scheiße ... es hat mir echt Spaß gemacht. Ich brauch das einfach. Du weißt doch am besten wovon ich rede."
"Vergiss es Max. Du bist jetzt nicht mehr nur noch für deinen eigenen Arsch verantwortlich, sondern auch für Sara und euer Kind. Du kannst nicht mehr wie ein Depp anderen Leuten den Arsch aufreißen gehen und dabei deine Visage riskieren. Du weißt selber, dass die Kämpfe mit jedem Jahr härter werden und jede Saison geht bei der Scheiße mindestens ein armer Wichser irgendwo drauf. Du weißt das, also weißt du auch dass damit Schluss sein muss."
"Ich weiß ... "
"Lass uns heute noch mal richtig einen drauf machen. Wir hauen den Bayern die Fresse ein. Gehen danach noch was trinken und dann startest du voll in dein neues Leben durch. Alles klar??"
Max und Ante sehen sich an und müssen beide anfangen zu lachen.
"Alles klar Du Penner. Heute hauen wir noch mal richtig rein ... "
Wenn du völlig zugekokst in einen Kampf gehst fühlst du dich unverwundbar. Normalerweise sollte man das nicht machen, da die Aufmerksamkeit schneller nachlässt, aber das verdammte Pokalspiel ist ins Elfmeterschießen gegangen und irgendwie muss man ja wieder auf Betriebstemperatur kommen. Das wirklich Gefährliche ist aber, dass man keine Angst mehr spürt. Man wird schnell leichtsinnig und bevor du "Scheiße" sagen kannst wachst du mit einem gebrochenen Jochbein im Krankenhaus auf, weil die Bullen dich
einkassiert haben. Krankenschwestern und behandelnde Ärzte gehen auch nicht gerade sanft mit Hooligans um und der einzige Beistand den du hast sind die Bullen, die im Behandlungszimmer stehen damit du nicht abhaust. Eine Anzeige wegen schwerer Körperverletzung und Landfriedensbruch sind auch nicht gerade förderlich für die berufliche Karriere also kann man ausnahmsweise mal sagen, dass der DFB doch Recht hat. "Keine Macht den Drogen!" Wenn der Klinsi das schon sagt, muss da ja irgendwas dran sein.
Max sprintet auf seinen Gegner zu und versetzt ihm mit einem Sprung eine brutale Kopfnuss gegen das Nasenbein. Blut spritzt und Max bringt seinen Gegner mit einem Tritt auf die Innenseite des Oberschenkels zu Boden. Er dreht sich um und nimmt gleich den nächsten Gegner ins Visier, den er mit einem weit ausholenden Schlag auf den Hals in die Knie zwingt. Er packt ihn an den Haaren und schmettert sein Knie wieder und wieder in das Gesicht des Mannes. Mit einer lässigen Handbewegung schiebt er den gegnerischen Fan
beiseite und schaut sich bereits nach dem nächsten Opfer um. Er sieht Ante, der sich mit einem anderen Fan auf dem Boden wälzt und dem Gegner mehrere Schläge in die Nieren gibt. Max rennt dazu und tritt Antes Gegner gegen den Hinterkopf und nimmt den Kopf des Mannes in den Würgegriff und zieht ihn nach oben. Während Max ihn festhält schlägt Ante auf den Unterleib des Mannes ein. Max schiebt die reglose Gestalt von sich und Ante tritt noch einmal auf den fallenden Körper ein.
Max dreht sich erneut nach einem Gegner um und sieht den Anführer der Bayern mit langen Schritten auf sich zukommen. Das Gesicht des Mannes ist seit dem Kampf mit Max vom 1. Spieltag noch immer nicht völlig abgeheilt und eine lange leuchtende Wunde zieht sich vom rechten Auge bis zum Kinn hinunter. Max beschleunigt seinen Schritt und ballt die Fäuste, während er auf seinen Gegner zuläuft. Max holt mit verbissener Miene zum Schlag aus und zielt auf die Narbe des Mannes. Auch sein Gegner holt zum Schlag aus und
zielt auf Max Brust.
Der Schlag des Bayern trifft zuerst und Max erhobener Arm sinkt nach unten, während sich seine Augen weiten und er auf seine Brust hinunterschaut. Sein gegenüber zieht sein Messer aus Max Brust und geht zwei Schritte zurück. Sofort quillt das Blut aus der Wunde und Max sinkt auf die Knie. Sein glasiger Blick wechselt zwischen seiner Brust, seinen blutigen Händen und seinem Gegner. Ante steht wenige Meter hinter ihm und erstarrt auch in seiner Bewegung. Max fließt Blut aus dem Mundwinkel als er schließlich zur
Seite kippt und regungslos liegen bleibt.
Das war's also. So fühlt sich der Tod an. An alle da draußen, die wissen wollen wie das ist. Alles halb so wild. Erst hast du furchtbare Schmerzen und erschrecken tust du dich auch ein bisschen, aber dann verschwimmt alles vor deinen Augen und es wird schwarz. Kein Tunnel. Kein Licht. Keine Nahtoderfahrungen. Einfach nur Dunkelheit. Wahrscheinlich strömt jetzt noch ein wenig Restelektrizität durch mein Gehirn und ich muss an Sara denken. Eigentlich müsste ich jetzt irgendwas fühlen, aber die dafür notwendigen
Organe haben schon das Handtuch geworfen und es bleibt dunkel. Eigentlich genau der perfekte Zustand, um andere Hooligans aufzumischen. Keine Emotionen und voll auf die Zwölf. Das wär doch was. Leider bin ich schon so im Arsch, dass ich nicht mal mehr mit dem kleinen Finger wackeln kann.
Ich frage mich ob ich überhaupt eine Chance hatte, oder ob mein Leben so ein Ende nehmen musste. Ich verrecke im Matsch auf einem beschissenen Parkplatz vor dem Stadion. Um ehrlich zu sein hab ich mich ja nie richtig für Fußball interessiert, aber irgendwie muss man seine Wut ja rauslassen. Vielleicht hab ich mir das falsche Ventil gesucht. Vielleicht hätte ich bei Qi-Gong bleiben sollen. Oder vielleicht hatte mein Opa Recht und ich hätte beim Wichsen bleiben sollen. Keine Ahnung.
Wenn aber jemand fragt wie ich gestorben bin, sagt ihnen: Immer noch voller Wut.
Eingereicht am 16. April 2005.
Herzlichen Dank an die Autorin / den Autor.
Nachdruck und Vervielfältigungen, auch auszugsweise,
bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autorin / des Autors.